Süddeutsche Zeitung

Klimakrise:Kritische Wahrnehmung

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Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist wichtig, wenn es darum geht, sein Handeln in Bezug auf die Klimakrise zu überdenken.

Zum Artikel "Mehr Gefühle, bitte" vom 5./6. Januar:

Fähigkeit zur Selbstreflexion

Wer die eigene Problemwahrnehmung hinterfragt, ist meines Erachtens nicht nur für die Klimakrise gewappnet, sondern auch für andere Krisen, die das Leben bereithält, zum Beispiel in Partnerschaft, Familie und Beruf. Man benötigt dazu aber eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Eine Psychoanalyse muss man dafür nicht gemacht haben, obwohl sie sehr nützlich sein kann, wie das Wissen um die Erkenntnisse des Vaters der Psychoanalyse, Sigmund Freud, bezüglich der Verdrängung und anderer menschlicher Abwehrmechanismen, insbesondere auch der Rationalisierung, der nachträglichen Umdeutung eines eigentlich nicht akzeptablen Verhaltens in eine akzeptable Begründung beweist.

Die im Artikel beschriebene kognitive Dissonanz, also die Kluft zwischen Einstellung und Verhalten, ist ein interessantes menschliches Phänomen. "Ein psychologischer Mechanismus, den man verstanden hat, ist weniger wirkmächtig", heißt es ganz richtig im Text. Wenn man sich bewusst macht, dass die eigene Wahrnehmung höchst subjektiv ist und nicht immer der Wirklichkeit gerecht wird, so ist schon viel gewonnen - nicht nur für die Klimakrise, sondern auch für die anderen Krisen des Lebens. Auf diese Weise wird man auch zu Selbstkritik und Humor fähig. Man kann vielleicht auch einmal über sich selbst lachen.

Johannes Rietberg, Engelsbrand

Ressourcenkrise ist schlimmer

Die Ressourcenkrise ist dramatischer als die Klimakrise. Die Gründe für Angst und Verdrängung gehen weit über die Klimakrise hinaus. Über das Klima wird ja immerhin politisch diskutiert, über notwendige Maßnahmen nachgedacht und gestritten. Es ist denkbar, dass durch große Anstrengungen der Kohlendioxidausstoß so weit verringert werden kann, dass das Temperaturgefüge auf der Erde in einem für uns Menschen noch zuträglichen Maß gehalten werden kann.

Völlig ausgeschlossen aber ist es dagegen, dass das Überleben der Menschheit noch lange gesichert bleibt, wenn wir unser Konsumverhalten nicht radikal und sofort verändern. Der Ausblick auf eine Welt, die wir total von allen endlichen und nachwachsenden Ressourcen geplündert haben, ist so grauenvoll, dass wir alle die Augen verschließen und niemand sich traut, schrillen Alarm auszustoßen.

Der Ruf von Fridays for Future, "wir müssen unsere ausbeuterische Lebensweise ändern", wird schlicht überhört. Stattdessen wird uns die Rückkehr zu altem Wohlstand durch ein Wiedererstarken der Wirtschaft, ja sogar durch ihr deutliches Wachstum versprochen. Und damit wird uns ungebremster Ressourcenabbau bis zum absehbaren totalen Kollaps versprochen. Von Problemwahrnehmung ist da keine Spur.

Dr. Wolfgang Mai, Schliersee

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SZ vom 25.01.2022
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