„Kleinlich und beleidigt“ vom 28. Februar und „Viele Fragen, viel Ärger“ vom 27. Februar:
Höchst bedenklich
Selbstverständlich kann die CDU/CSU-Fraktion Fragen zur Förderung von gemeinnützigen Organisationen stellen. Es ist ihr gutes Recht, aber der Zeitpunkt ist doch sehr problematisch, stellt er doch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich um die Demokratie verdient machen, unter den Generalverdacht, undemokratisch zu sein. Beleidigt zu sein, weil ein großer Teil der Gesellschaft gegen den Tabubruch von Merz demonstriert hat, und dann gleich die Finanzierung dieser Organisationen infrage zu stellen, ist ein Umgang mit oppositionellen Kräften, die verdammt nah an Trump erinnern.
Glauben Merz und die CDU/CSU eine Regierung anführen zu müssen, in der sich nur der Koalitionspartner zu ihren Auffassungen hinbewegen muss, nicht aber auch die CDU/CSU, weil nur ihre die richtige sei, dann ist es wirklich aus mit der Demokratie. Insofern ist die Anfrage der CDU/CSU Fraktion nicht kleinlich, sondern ein höchst bedenkliches Zeichen hinsichtlich ihres Demokratieverständnisses.
Werner Pohlmann, Köln
Moment mal!
Warum soll ich einseitige politisch motivierte und gesteuerte Aktionen mitfinanzieren? Klar, dass sich die Genossen hier aufregen. Es waren ja ihre Anhänger, die auf die Straßen gingen mit ihren staatlich subventionierten Demonstrationen. Niemand spricht irgendjemand das Grundrecht zum Demonstrieren ab. Aber das mit Steuergeldern zu subventionieren, berechtigt durchaus, das mindestens kritisch zu hinterfragen und die Euroflüsse transparent zu machen.
Werner Bauer, Stuttgart
Die guten ins Töpfchen ...
Ich bin beeindruckt, wie schnell Herr Merz von Herrn Trump lernt. Und wie schnell er eine Bundestagsdrucksache mit 32 Seiten und 551 detaillierten Fragen vorlegt. Auffällig dabei: Klima-, Umwelt- und Naturschutz war im Wahlkampf kein Thema, aber hier werden ganz viele Vereine, die sich um diese vernachlässigten Themen kümmern, mit misstrauischen Fragen überhäuft. Greenpeace und der BUND, die Agora Energiewende und die Deutsche Umwelthilfe und so weiter. Ich bin gespannt, wann auch der Verein, in dem ich aktiv bin – „autofrei leben!“ –, in Ungnade fällt, weil wir ja Menschen dazu befähigen wollen, sich kein Auto zu kaufen, und wir damit die Wirtschaft massiv schädigen.
Dann schaue ich mir andere, hier nicht erwähnte gemeinnützige Organisationen an: „Die Bertelsmann Stiftung entwickelt nach dem Willen ihres Stifters Reinhard Mohn bei ihrer gemeinnützigen Arbeit Problemlösungen für die verschiedenen Herausforderungen unserer Gesellschaft und engagiert sich zugleich für die Systemfortschreibung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.“
Wie zurückhaltend die Bertelsmann-Stiftung agiert, sieht man zum Beispiel daran, dass sie in einer Studie 2019 empfiehlt, 800 von 1400 Krankenhäusern zu schließen und damit die wohnortnahe Gesundheitsversorgung massiv zu gefährden. Zugleich lässt sich leicht recherchieren, dass die bei der Bertelsmann-Stiftung tonangebende Familie Mohn engste Beziehungen zu privaten Krankenhausbetreibern hat, Brigitte Mohn sitzt im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG. Die Ärztezeitung schrieb dazu 2019: „Bertelsmann beglückt Fresenius.“
Eine lebendige Demokratie braucht auch Chancengleichheit für freie Meinungsäußerung und gemeinnützige Arbeit.
Gunhild Preuß-Bayer, München
Geldhahn zudrehen
In den vergangenen Wochen haben 1,5 Millionen Menschen in Deutschland für Demokratie und Vielfalt demonstriert. Friedrich Merz hat noch am Tag vor der Bundestagswahl in München gegen die Demonstranten, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen, gehetzt. Jetzt hat die CDU/CSU mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung das nächste Foul gespielt und will als Rache den organisierenden NGOs die Gemeinnützigkeit entziehen und sie so vom Spendenfluss abschneiden. Mit wem will eigentlich Merz nach seinen Fouls koalieren? Doch mit der AfD?
Winfried Wolf, Hamburg
Notwendige Transparenz
Der Kern der Fragen zur Finanzierung solch eingetragener Vereine (e. V.) wie Amadeu Antonio, Correctiv, Attac und auch „Omas gegen Rechts“, zielt darauf ab zu erfahren, nicht ob, denn Gelder erhalten sie alle miteinander, sondern wie viel an Steuergeldern, aus welchen Fördertöpfen von Regierungsstellen an jene Vereine der sogenannten Zivilgesellschaft gezahlt werden. Gesetzeszweck eines e. V.: die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos und mildtätig zu fördern. Wenn der Steuerzahler also wissen will, wohin seine Steuergelder fließen, noch dazu in Zeiten leerer Kassen, so fällt das eigentlich unter den Begriff Transparenz, zumal von irgendwelchen Verboten nicht einmal in Nebensätzen die Rede ist.
Und: Dieser urdeutsche, buchhalterisch korrekte Fragenkatalog ist harmlos im Vergleich zu der Entschlossenheit, die ein Elon Musk an den Tag legt, um in den USA NGO-Organisationen an den Kragen zu gehen, welche er als Augias-Ställe ansieht, welche es auszumisten gilt. Aber auch hierzulande ist offensichtlich allein mit einfachen Fragestellungen in ein Wespennest gestochen worden, wie die Reaktion der Betroffenen zeigt: Empörung! Was sonst. Nur: Es genügen zu lassen, ein gemaltes Pappschild mit der Aufschrift „Ich bin bunter Aktivist und gegen rechts!“ hochzuhalten, um sauer erarbeitete „Staatsknete abgreifen“ zu können, darf nicht sein.
Wolfram Salzer, Neustadt bei Coburg
„Von langer Hand geplant“
Friedrich Merz und die CDU zeigen ihr wahres Gesicht, ihre wahre Gesinnung. Die Methoden haben Vorbilder. Das Ziel scheint zu sein, den möglichen Koalitionspartner SPD so in die Enge zu treiben, dass er sich von den Verhandlungen zurückzieht, sodass die CDU und Merz der SPD die Schuld an einem eventuellen Scheitern der Koalitionsverhandlungen geben können und damit freie Bahn haben, sich den Koalitionspartner auszusuchen, den sie womöglich sowieso wollten.
551 Fragen – da haben sicherlich mehrere CDUler eine ganze Weile dran gearbeitet. Ergo: von langer Hand geplant. Eine kritische Zivilgesellschaft stört nur. Was heißt das für diejenigen, die sich für eine ebensolche Gesellschaft starkmachen? Und was bedeutet es für diese selbst? Man wende den Blick zurück in die Geschichte oder in den Osten oder – ganz aktuell – in den Westen. Was kann man tun? Protestieren. Demonstrieren. Aufstehen.
Ingrid Suhr-Täger, Gröbenzell
Angriff auf die Mitte
Sehr geehrter Herr Merz, ich bin Kinderärztin und versuche täglich in unserer Praxis, diese Gesellschaft ein klein wenig zusammenzuhalten. Ich leiste meinen Dienst an der Gesellschaft gerne und zahle auch gerne meine Steuern. Ich repräsentiere die Mitte der Gesellschaft, ich bin nicht links – oder rechts. Aber ich demonstriere dieser Tage für die Demokratie. Ihre Kleine Anfrage, die gegen Organisationen der Mitte der Gesellschaft gerichtet ist (Naturschutz, Kirchenjugend, Greenpeace, Omas und so weiter), ist ein Angriff auch auf mich.
Die Andeutung in Ihrer Anfrage: „Manche Stimmen sehen in den NGOs eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“, befeuert Verschwörungstheorien und ist eine reine Unterstellung. Sie stellt uns alle aus der Mitte der Gesellschaft in eine Ecke mit sinistren Machenschaften, sie unterstellt, wir würden uns als demokratische Bürger instrumentalisieren lassen. Ich frage Sie, Herr Merz: Welche Stimmen sind das genau, die Sie da meinen? Wieso verschaffen Sie diesen Stimmen Gehör?
Die Anfrage selbst, aber mehr noch die Formulierung, verrät: hier geht es nicht um eine Nachfrage, wo Steuergelder hingehen, hier geht es darum, Vereine und Organisationen aus der Mitte der Gesellschaft zu diffamieren und Menschen davon abzuhalten, sich demokratisch für die Gesellschaft zu organisieren. Und wir brauchen diese Organisationen, wir brauchen Omas und Sportvereine (ja, auch die nehmen an Demonstrationen für Demokratie teil).
Ich möchte Sie, Herr Merz, höflich daran erinnern, dass Sie selbst von (auch meinen) Steuergeldern bezahlt werden. Ich möchte Sie bitten: Bleiben Sie demokratisch in Ihrem Handeln und in Ihren Formulierungen! Spalten Sie nicht unsere Mitte! Wenn Sie den Missbrauch von Steuergeldern verhindern wollen, dann wirken Sie auf ein Verbotsverfahren der AfD hin und lassen Sie bitte die friedlichen demokratischen Vereine und Organisationen der Mitte der Gesellschaft in Ruhe.
Dr. med. Linda Rüger, Seefeld
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