Süddeutsche Zeitung

Klassenkampf:Mehr Erhard, weniger Arroganz

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Leser kommentieren eine Wirtschaftskolumne, die gegen gesellschaftliche Klasseneinteilung votiert. Aufsteiger sollten abgeben, ein Leser wünscht sich mehr soziale Marktwirtschaft.

Zu " Klassenkampf" vom 28. Mai:

Danke Nikolaus Piper für seinen erhellenden Kommentar, der von alten und bemühten neuen Klasseneinteilungen der Gesellschaft wenig oder nichts hält, sondern Differenzierungen vorzieht. Wichtig der Satz, dass mehr Reichere deswegen nicht zugleich mehr Ärmere bewirken. Mehr Reichtum heißt nicht automatisch mehr Armut. Eher andersrum. Viele Reiche schaffen Arbeitsplätze, viele Reiche sind auch wohltätig, sicher, da könnte und sollte sich noch viel mehr Positives getan werden, im Interesse sozial schwacher Menschen oder auch im Sinne von Gesundheitsförderung, beispielsweise. Neid sollte immer klein gehalten werden, Erleichterungen für Arme zu schaffen beziehungsweise Aufstiegschancen, das ist immer eine notwendige Aufgabe. Den durch Mühe und Leistung Aufgestiegenen und reich Gewordenen ist zu gratulieren, insbesondere wenn sie soziale Verantwortung wahrnehmen und tragen.

Karl Brunner, Klagenfurt/Österreich

Der Zusammenbruch der Sowjetunion, der auch als Zusammenbruch des Kommunismus angesehen wurde, wäre eine große Chance gewesen, den Weg der sozialen Marktwirtschaft auszubauen. Aber es setzte sich Arroganz und Überheblichkeit durch. Der Markt sollte mit der Überschrift Globalisierung alle Menschen beglücken. Der Staat überließ dem Markt zudem Bereiche, die zuvor vom Staat im Sinne des sozialen Ausgleichs reguliert wurden. Insbesondere der Arbeits-, Wohnungs- und Gesundheitsbereich war davon betroffen. Der zunehmende globale Markt wurde vom Wettbewerb der ökonomischen Effizienz bestimmt und nicht, wie von der Politik versprochen, vom Wettbewerb der Verbesserung der sozialen Ungleichheit.

Viele Studien der letzten Jahre zeigten deutlich auf, wie sich die Teilhabemöglichkeiten sowie Einkommens- und Vermögensverteilung in den letzten Jahrzehnten verschlechtert hat. Zudem führte die kapitalistische Arroganz in viele Krisen, die Eurokrise oder die vielen Steuervermeidungs- oder Produkttäuschungshandlungen sind nur einige Beispiele, die letztendlich der Staat und somit der Steuerzahler zu lösen hatte. Diese Arroganz wird nun auch Personen und Bewegungen entgegengebracht, die diese Probleme immer mehr in die Öffentlichkeit bringen. Ein rhetorisches Mittel ist hierfür die Pauschalierung, indem diesen Personen und Bewegungen linke, kommunistische und vor allem dogmatische Motive unterstellt werden.

Meine Analyse geht in die gegengesetzte Richtung von Nikolaus Piper. Die früheren Klassenkampfmethoden werden in erster Linie von der kapitalistischen Seite fortgeführt. Wenn diese Ludwig Erhard als Vorbild für eine vernünftige Wirtschaftspolitik erwähnt, dann sollte sie auch mehr im Sinne der sozialen Marktwirtschaft auf diesen Weg zurückkehren, um Klassenkämpfe nicht zu fördern.

Ludwig Waldleitner, Hattenhofen

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Quelle:
SZ vom 08.06.2021
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