"Als sei das keine Literatur" vom 26. Oktober:
Kinderliteratur ernst nehmen
„Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene, nur besser.“ Dieser, Maxim Gorki zugeschriebene, Satz galt in den frühen 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts vielen Kinderbuchschaffenden als Orientierung. Manche Autorinnen und Autoren der Erwachsenenliteratur, allen voran Peter Härtling, fanden es nicht länger herablassend, auch für Kinder und Jugendliche zu schreiben. Dass auch Kinderliteratur an literarischen Maßstäben gemessen wird, schien damals selbstverständlich zu werden.
Ich habe seitdem die Welt des Kinder- und Jugendbuchs als Buchhändler, Lektor, Autor und Übersetzer mit Freude und Lust, in letzter Zeit allerdings mit zunehmendem Frust, durchlebt. Ich fürchte, Friedrich Merz ist mit seiner Ignoranz gegenüber der Kinderliteratur nicht allein. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedrängung – der viel beachtete Suhrkamp-Verlag ist da nicht allein – ist auch in den Kinder- und Jugendbuchverlagen eine strikte Kommerzialisierung zu beobachten. Für die Auswahl der an der Literatur orientierten Geschichten hat das zunehmend fragwürdigen Einfluss. Vor allem im Bereich der Jugendliteratur wird das deutlich.
Während es passieren kann, dass einem Jugendbuchautor kategorisch gesagt wird: „Jugendliche ab 12 lesen keine Bücher mehr, und Bücher mit historischem Hintergrund schon gar nicht“, stellt die Frankfurter Buchmesse dem umsatzstarken Genre der trivialen „New Adult“ – und „New Popular Romance“ – Schmonzetten eine eigene Ausstellungshalle zu Verfügung. Wo kommen wir hin, wenn wir immer weiter die Knie beugen vor der Macht des Geldes? Und was bedeutet das gegenüber Kindern und Jugendlichen? Wer kann da noch von einer ernst genommenen Verantwortung gegenüber der Zukunft reden? Kathleen Hildebrand hat mit ihrem Artikel – was leider viel zu selten passiert – die Aufmerksamkeit auf die Kinder- und Jugendliteratur gelenkt. Ich würde mir wünschen, dass darauf eine längst überfällige öffentliche Diskussion folgen würde.
Herbert Günther, Friedland
Falscher Stichwortgeber
Friedrich Merz’ verächtliche Bemerkung über Robert Habeck als Kinderbuchautor trifft nicht nur das Kinderbuch und Habeck, es trifft dummerweise auch Merz selbst. Der Urheber von „Kinderbuchautor“ ist ein Abgeordneten-Kollege (Rede vom 26. April 2023). Der Mann heißt Stephan Brandner, AfD. Doch dieser hatte immerhin Habecks Aufgabe als Wirtschaftsminister benannt. Merz sollte sich andere Stichwortgeber suchen.
Andreas Eicke, Berlin
Raus aus der Glitterecke
Dem Himmel sei's gedankt und Kathleen Hildebrand, dass sie das arrogante Dahin-Geposte des Heidi-Klum-Starlets Marie Nasemann nicht ignoriert hat. Es ist nämlich symptomatisch. Auf der einen Seite das permanente Polit-Gedröhne von Bildung, Bildung, Bildung und Kultur. Auf der anderen Seite die Respektlosigkeit, Missachtung und der verbale Missbrauch von Bildung. Die angepeilte Herabwürdigung von wegen „Kinderbuchautor“ schlägt im selben Jargon auf Friedrich Merz zurück. Auch in der Kinderliteratur geht es vielmehr um Wertschätzung, ums ständige Bemühen um Kultur und Menschenbildung. Nicht um Hoppla-Hopp-Geposte aus der Instagram-Glitterecke.
Christopher Oberhuemer, München
Jurist gedisst
Mit Interesse habe ich Kathleen Hildebrands Beitrag gelesen und bekunde volles Verständnis für ihre Kritik an Friedrich Merz' herablassender Äußerung über den „Kinderbuchautor“ Robert Habeck. Bedauerlich ist, dass Frau Hildebrand bei der Aufzählung guter Kinderbücher Grimms Märchen nicht erwähnt. Und völlig unverständlich ist ihr Hinweis auf „langweilige Berufe wie den des Juristen“. Die Journalistin Kathleen Hildebrand scheint keine Ahnung von der Jurisprudenz, keine Ahnung vom Beruf des Juristen zu haben. Die Juristen der SZ-Redaktion hätten da eine Aufgabe!
Dr. jur. Jürgen Harbich, Feldkirchen-Westerham
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