Katholische Kirche:Wie viel Reform ist machbar?

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Papst Franziskus untersagt die Lateinische Messe. Eine Leserin bedauert das, andere wünschen sich weitaus tiefgreifendere Neuerungen. Manche halten die Kirche gar für unreformierbar, über­privilegiert und festgefahren.

Papst Franziskus bei einer Generalaudienz in Vatikanstadt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat Hoffnungen auf Reformen geweckt, aber viele Kritiker bisher enttäuscht. (Foto: dpa)

Zu "Gemurmel und Mysterium" und "Ein echter Dialog kann nicht stattfinden", beide vom 27. Juli:

Orientierung und Halt im Leben

Köstlich und (selbst-)ironisch zu lesen ist, wie Willi Winkler in "Gemurmel und Mysterium" sein einstiges Ministranten-Dasein beschreibt und darüber hinaus kirchliche Zeremonien sowie auch den Wechsel von der alten lateinischen zur neuen Messe mit Volksaltar. Um diese Zeremonien, wie Weihrauchfass oder Klingelbeutel, ja überhaupt um ihre reichhaltige Liturgie mit stimmungsvollen, auch alten Kirchenliedern wurde und wird die katholische Kirche mitunter auch beneidet.

Die alte lateinische Messe war nach dem Konzil nicht mehr gefragt, dann später wurde sie wieder zugelassen beziehungsweise geduldet, und jetzt wird sie wiederum vom Papst verstoßen. Diese Regelungen nützen der Kirche wohl überhaupt nicht, sieht man auf die Austrittszahlen hin. Der Traditionalismus ist dennoch extrem ausgeprägt.

Echte, tief greifende Reformen, die über verbale Bekenntnisse und Wünsche hinausgehen, fehlen seit Jahrzehnten. Die Kirche ist Amtskirche mit Betonung auf Amt. Keine Frage, dass sehr viele kirchliche Einrichtungen, ob Kindergärten oder Altenheime, enorm wichtig sind. Aber Kirche sollte den Menschen auch glaubwürdig Orientierung und Halt im Leben bieten. Sie sollte mehr dafür sorgen, dass der Sinn für die Gottesfrage wächst und sie sollte sich endlich mehr auf ihre ureigenen Schätze besinnen.

Karl Brunner, Klagenfurt/Österreich

Das Lateinische bewahren

Ich selbst wurde keine Messdienerin, nicht nur in Ermangelung blonder Zöpfe, sondern weil ich halt kein Bub war. Aber ich verfolgte die "Formung" bei meinen Brüdern und deren Freunden. In meiner Heimatstadt Würzburg gab es damals ein älteres Fräulein, das Generationen von Ministranten "formte", zumindest was das Lateinische betraf, und das war für viele ein harter Brocken!

Da mein Bruder ebenfalls immer wieder "abgehört" werden musste, empfand ich als sechs Jahre Jüngere, die dabei sein durfte, jedoch schon früh die Schönheit dieser Sprache. Ich lernte sie dann während der Schulzeit noch mehr schätzen - übrigens auch im Ritus der katholischen Kirche. Ich bedauere die Abschaffung der lateinischen Messe sehr, denn durch den Gebrauch dieser kirchlichen Lingua franca war es mir möglich, auch in örtlich weit entfernten Gemeinden der Messe zu folgen. Außerdem: Allein durch das im Artikel verwendete Zitat des deutsch gesungenen "T e Deu m" wird deutlich: Die liturgischen Texte werden formelhaft heruntergeleiert, und ich habe den Eindruck, dass darüber mindestens ebenso wenig nachgedacht wird wie über das inzwischen leider verpönte Latein.

Renate von Törne, Hof/Saale

Ortskirchen stärken

Den Auslassungen über die Feier der Eucharistie in Latein entgeht, dass Franziskus nicht die lateinische Messe abwürgt, sondern die liturgische Regelung wieder an die Ortskirchen verweist. Damit setzt er eine Betonung der Ortskirche und der Bischöfe in ihren eigenen Kompetenzen fort. Auch darf man nicht übersehen, dass die Vielfalt unterschiedlicher Liturgien vor dem Konzil signifikant war und die Vereinheitlichung eine Enge mit sich brachte, die durch die Kompetenzüberweisung an die Ortsbischöfe jetzt wieder belebt wird.

Wir hatten ein zweisprachiges Messbuch, den Schott, die Antworten beim Stufengebet waren schnell gelernt und verstanden und machten Vorfreude aufs Lernen fremder Sprachen, so wie heute eben alles denglischt.

Maria Clemens, Augsburg

Das Bekenntnis grenzt aus

Willi Winkler schildert, wie die Alte, Tridentinische Messe, als einschläferndes frommes Gemurmel unverständlich erduldet wurde. Trotz Öffnung in der neuen Messform nach dem II. Vatikanum in Gemeinschaft mit dem Priester zum Volk hingewandt, in Deutsch und Teilnahme zeigend, wird das alte "mea maxima culpa" (unsere schwere Schuld) immer noch intuitiv abverlangt, damit der Gläubige in Angst vor der Hölle bei der Stange gehalten werden soll. Sein Bekenntnis "Ich bin nicht würdig" für die Begegnung Jesu im Abendmahl grenzt aus.

Als die Väter des Grundgesetzes in die Präambel schrieben: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", ist das Fundament christlicher geprägt als es die Liturgie vorsieht. Würde abzuerkennen ist Machtmissbrauch.

Egon Dammann, Warendorf

Gutes und Tröstendes erfahren

Auch ich habe einen "halbwegs normalen katholischen Bildungsroman" erlebt wie Willi Winkler, der vor allem seinem Frust über die katholische Kirche ablädt - nur komme ich zu anderen Ergebnissen und Erinnerungen: Ich habe im Zusammenhang mit dieser meiner Kirche auch sehr viel Schönes, Tröstendes und Gutes erfahren!

Iniga von Schnurbein, München

Festbetonierte Dogmen

Was ist los in der katholischen Kirche? Ein frustrierter Kirchenmanager, ein emeritierter Papst, der seinen Nachfolger für einen Amtskirchenstatus verantwortlich macht, und ein Kirchenrechtler (Norbert Lüdecke in "Ein echter Dialog kann nicht stattfinden"), der den Träumern unter den Kirchenmitgliedern, die sich an Begriffe klammern wie "Erneuerung", "Aufbruch" und "offener Dialog", reinen Wein einschenkt hinsichtlich der "real existierenden Kirche", einer festbetonierten Kirchenrechts- und Dogmen-Institution. Wie möchten sich diese Gläubigen eine solche "Modernisierung" denn vorstellen?

Letztlich würde dies alle Erbsünde- und Erlösungs-Fantasien ad absurdum führen. Geht nicht! Die katholische Kirche ist die ewige Wahrheit. Zugeständnisse an einen "modernen" Zeitgeist wie die relativ geräuschlose Streichung der Vorhölle durch Papst Benedikt XVI kann sich die Heilige Kirche nicht mehr viele leisten, sonst geht der Unfehlbarkeitsanspruch auch bei wirklich kirchengläubigen Mitgliedern noch verloren.

Wilhelm Probst, Zorneding

Versagen und Erfolg - je nach Ziel

Bei der Herangehensweise an das Phänomen "Katholische Kirche" mangelt es oft an fundamentalen erkenntnistheoretischen Unterscheidungen: Sieht man den "Synodalen Weg" im Bezugsrahmen "Seelsorge als selbstgestellte Aufgabe der katholischen Kirche" oder im Bezugsrahmen "Erhaltung der wirtschaftlichen und politischen Macht der katholischen Kirche", so wird man den Synodalen Weg entweder als Versagen oder als Erfolg der katholischen Kirche erkennen müssen.

Dr. Dr. Horst Reinhard, München

In Deutschland hat die Kirche das Sagen

Zu "Mit der Bibel ins Präsidentenamt" vom 3. August: Erzbischof Ludwig Schick und Jesuitenpater Markus Luber prangern die Vermischung von Politik und Religion der evangelikalen Pfingstkirche an. Das mag für Amerika und Brasilien zutreffen. Bei uns in Deutschland hat doch die katholische Kirche das Sagen. Ist nicht vor Kurzem nach jahrelangem Gezerre das Lobbyregister eingeführt worden, das die kirchlichen Lobbyisten ausnimmt? Einrichtungen der Kirche werden mit bis zu 85 Prozent vom Staat subventioniert. Ihre Angestellten müssen katholisch sein, womit sie das Antidiskriminierungsgesetz ignoriert, wonach niemand unter anderem wegen seiner Religion benachteiligt werden darf. Die Kirche hat erhebliche Anteile an Konzernen und ist von der Erbschaftssteuer befreit. Sie hat ihre eigene Rechtsprechung und muss ihre Kinderschänder bisher nicht an unsere unabhängige Justiz ausliefern. Der Staat zahlt Bischöfen und Kardinäle ihre Gehälter, Dienstwagen und mietfreies Wohnen. Deutschland ist fast das einzige Land auf der Welt, in dem man sich die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft über die Kirchensteuer erkaufen muss. Und da soll einer sagen, die Kirche habe keinen Einfluss auf unseren Staat.

Gertrud Winter, München

© SZ vom 10.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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