Jüdische Identitätsdebatte:Alle sollen mitstreiten dürfen

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Der Meinungsbeitrag einer Schriftstellerin im SZ-Feuilleton zur Identitätsdebatte unter Juden hat kritische Reaktionen hervorgerufen. Die besondere Verantwortung der Deutschen in der Frage bleibt dabei im Blick.

Zu "Unter Gaffern", 18./19. September:

Selbstverständlich und unhinterfragt ist Deutschland das Land, in dem die Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reiches, an die Shoah die höchste, bleibende und essenzielle Verantwortung auf Individual- und politischer Ebene ist. In meiner Überzeugung kann dies nur in einem Dialog zwischen allen Menschen und Gruppen geschehen, alles andere würde der immensen Aufgabe in der nunmehr dritten und vierten Generation der Nachfahren von Tätern und Opfern nicht gerecht werden.

Das von Nele Pollatschek angesprochene Thema der jüdischen Identität vor dem Hintergrund der Shoah ist viel zu ernst, um es in dialektischen Sprachspielen aufzulösen, die dann entweder in einem logischen Selbstwiderspruch oder in einem Exklusionsdiskurs enden. Zu diesem Selbstwiderspruch und zugleich Exklusionsdiskurs gehört, großen deutschen Zeitungen die Verbreitung eines Biller-Czollek-Streits vorzuwerfen und sich dann im Feuilleton der SZ (dort steht: "Nicht-Juden müssen hier schweigen.") dazu zu verhalten bei gleichzeitigem Redeverbot für nichtjüdische Menschen.

Vor allem aber: Die Zu- oder Abschreibung von Rederechten aufgrund historisch, kulturell und ja, ideologisch wandelbarer Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit (qua Fremdzuschreibung in einer überalterten Vorstellung von Homogenität) war und wird nie die Lösung von Diskursen sein, erst recht nicht zu schlimmsten und schmerzlichsten Ereignissen und Erinnerungen auf dieser Welt. Daher hinterlässt mich dieser Artikel etwas ratlos.

Géraldine Kortmann, Konstanz

Religionen dienten wohl immer schon dazu, Exklusivität und Machtansprüche durchzusetzen, und das heißt natürlich auch die Definitionsmacht darüber zu besitzen, wer Mitglied ist und wer nicht. Nun kann jede Religionsgemeinschaft glauben, was sie will und eben auch aufnehmen und abweisen wen sie will. Der Glaube des Einzelnen bleibt aber immer eine persönliche Sache - die Gedanken sind frei! Und selbstverständlich kann in einer freien Gesellschaft jeder über alles diskutieren und darf sich jeder über alles äußern - auch wenn ihn das vermeintlich nichts angeht.

Eine Debatte wie diese zeigt eigentlich nur, wie undemokratisch Religionsgemeinschaften sind - nur zu gut bekannt aus der katholischen Kirche. Wenn einzelne Gruppen meinen, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, hat das noch nie zu friedlichem Zusammenleben geführt.

Wolfgang Roeschmann, Hannover

Wenn zwei bekannte Schriftsteller, die sich auch dezidiert politisch äußern, in aller Öffentlichkeit streiten, kann es nicht verwundern, dass auch andere Menschen dazu eine Meinung haben. Diese als schadenfrohe Gaffer zu denunzieren, finde ich unpassend. Schließlich hätten die beiden auch unter vier Augen sprechen können. Grotesk mutet es an, dass Max Czollek genau die Vorwürfe erhält, die er selbst in seinem Buch "Desintegriert Euch" gegenüber Lea Rosh macht. Sie sei keine richtige Jüdin, sie habe sich nur einen jüdisch klingenden Vornamen zugelegt. Czollek hätte einfach ihre Verdienste um das Holocaust-Mahnmal in Berlin würdigen können statt in das Bashing gegen eine engagierte Frau einzustimmen. Es gibt auch Menschen, die sich für innerreligiöse Aspekte weniger interessieren als für Absicht und Wirkung von Aktionen.

Monika Schlöter, Dortmund

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