Joschka Fischer:Ökonomisches Irrlicht

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Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer wurde zum 70. Geburtstag mit einer Seite Drei gewürdigt. Ein Leser fragt, warum die SZ Fischer in der "Außenansicht" immer wieder Platz einräumt, auch Wirtschaftsthemen zu kommentieren.

"Erster Leidender Volkskommissar" vom 12. April:

In meinem kleinen Archiv von vergilbten Zeitungsausschnitten finden sich mehrere Äußerungen des Außenministers und späteren Ex-Außenministers Joschka Fischer zum Thema Griechenland. So klagte er in der SZ am 4. Juni 2012 darüber, dass Kanzlerin Angela Merkel den Brand (der Euro-Krise) mit Kerosin löschen würde und er erhob die Forderung, dass Deutschland durch uneingeschränkten (!) Ankauf von Staatsanleihen und Eurobonds die Krisenländer retten müsse. Sparpolitik hielt er damals schon für ein Werk des Teufels. So auch in der "Außenansicht" vom 12. Mai desselben Jahres. Hier prügelt er allein in den ersten zwei Absätzen fünfmal auf den Begriff "Austerität" ein, der offensichtlich ein ganz besonders scheußliches und gefährliches Monster bezeichnen muss. Austerität ist aber nichts anderes als der ernsthafte Versuch, mit den Mitteln auszukommen, die einem zur Verfügung stehen und die man sich erarbeitet hat.

Nun gut, als Diskussionsgrundlage für ein Seminar an der Uni Bremen kann man diese Abkehr von jeder wirtschaftlichen Vernunft schon mal stehen lassen, wenn sich nicht in der Ausgabe der SZ vom 15. Dezember 1998 ein Artikel fände, in dem ein Außenminister Fischer anlässlich einer Rundreise durch die EU-Hauptstädte "Griechenland zum Vorbild für die Beitrittskandidaten der Europäischen Union" erhoben hat. Das Land habe, so Fischer damals blauäugig, "seine zweistelligen Inflationsraten auf 4,2 Prozent reduziert und sein Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent des BIP gesenkt". Damit ebnete Fischer Griechenland den Weg in den Euro mit allen Konsequenzen, die wir heute ertragen müssen. Bleibt die Frage, warum die SZ an diesem ökonomischen Irrlicht einen Narren gefressen hat und diesem immer wieder ein Podium bieten muss - runder Geburtstag hin oder her.

Roland Hinke, Bernau am Chiemsee

Würdige Epauletten

Einfach grandios, wie Kurt Kister den guten alten Joschka seziert. Eigentlich müsste unser Ex-Außenminister diesen geschliffenen, historisierenden Text als würdige Epauletten auf den starken Schultern seiner sehr unterschiedlichen Kampfanzügen sehen. Denn wer zu seinem Geburtstag die Ehr' einer ganzen Seite Drei in der SZ erfährt, kann sich, trotz aller mitschwingenden Kritik und treffenden Ironie, bei einem guten Barolo als deutsche Polit-Ikone fühlen.

Gregor Ortmeyer, Düsseldorf

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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