Süddeutsche Zeitung

Islam:Provokante Thesen

Zur Buchrezension über Samuel Schirmbecks Titel "Gefährliche Toleranz" gibt es kontroverse Stimmen. Seine Ausführungen, etwa zu einer linken "Tabuisierungskultur", fordern bei SZ-Lesern Widerspruch heraus.

Zu "Wohngemeinschaft voller Widersprüche", Politisches Buch vom 25. Februar:

Die Rezension des Samuel-Schirmbeck-Titels "Gefährliche Toleranz" ist sehr interessant. Doch der Vergleich zwischen Sarrazins Lektüre des Korans in deutscher Übersetzung und der Interpretation von Beethovens Neunter durch eine Feuerwehrkapelle hinkt. Auch größere Geister als Sarrazin sowie Millionen Muslime und aus den verschiedensten Gründen am Koran interessierte Menschen weltweit haben den Koran "nur" in einer Übersetzung gelesen, da sie des Arabischen nicht mächtig sind. Ebenso wenig haben sämtliche Kommunisten Marx auf Deutsch oder sämtliche Existenzphilosophen Kierkegaard auf Dänisch gelesen. Bitte unterschätzen Sie nicht die Qualität der Übersetzungen literarischer und wissenschaftlicher Werke sowie deren weltweite Wirkmacht.

Ariane Böckler,Literaturübersetzerin, Nürnberg

In der Rezension wird der ideologische Antisemitismus und die erbitterte Israelfeindschaft als Schnittmenge zwischen den real existierenden Islamgesellschaften und der "europäischen" Linken nicht erwähnt. So verschwommen sonstige Übereinstimmungen auch gewesen sein mögen: Hier scheint man sich einig zu sein. Einmal nennt man es: Kampf dem Neokolonialismus, ein andermal Vernichtung Israels als Teil der theonomen Staatsraison. Dem Rezensenten scheint das keiner Erwähnung wert. Folge einer linken "Tabuisierungskultur"?

Albert Dexelmann, Lahnstein

In dem Artikel heißt es: "So kommt es dann, dass in Europa Sozialisten sowie noch weiter links stehende Genossen häufig die islamistische Forderung unterstützen, muslimische Frauen hätten sich auch ,im Westen' nur verschleiert und/oder sonst wie vermummt auf den Straßen unserer Republiken zu bewegen, ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern aufs Wort zu gehorchen oder sonstige theokratische Altertümlichkeiten aus ihrer religiösen Ur- und Frühgeschichte im täglichen Leben des 21. Jahrhunderts zu bewahren." Wo hätten Sozialisten oder "noch weiter links" Stehende (an welchen Teil des politischen Spektrums denkt der Autor hier überhaupt?) solche Aussagen getätigt? Und wie "häufig"? Und wie kommt es, dass der Autor eine solch steile These hier formulieren kann, ohne einen Beleg zu bringen?

Es stimmt zwar, dass linke Politiker und Politikerinnen sich in der Vergangenheit zum Beispiel wiederholt gegen Kopftuchverbote ausgesprochen haben. Sie haben sich aber regelmäßig auch gegen den religiösen, familiären oder kulturellen Zwang, ein solches Kleidungsstück zu tragen, ausgesprochen. Und vor allem darauf hingewiesen, dass der Konflikt mit schlichten Verboten nicht zu lösen ist, etwa weil diese in ihrer Wirkung einem Berufsverbot für manche muslimische Frauen gleichkommen.

Heiko Habbe, Hamburg

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Quelle:
SZ vom 19.03.2019
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