IS-Rückkehrer:Von Ethik, Reue und Recht

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Die Forderung, Deutschland soll Islamisten mit deutschem Pass zurücknehmen, hat eine große Debatte ausgelöst. Warum ist nicht Syrien zuständig, wo einige IS-Anhänger derzeit sind? Unser Rechtsstaat muss sich jetzt beweisen, meinen Leser.

Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak: Was geschieht mit denjenigen Deutschen, die für den IS und gegen unser westliches Wertesystem gekämpft haben, in welchem Staat sind ihre Taten zu verurteilen? (Foto: dpa)

Zu "Seehofer: Gefährliche IS-Rückkehrer müssen in Haft" vom 20. Februar, "Wenn sie denn Deutsche sind" und "Blutiges Dossier", beide vom 19. Februar:

Nicht in Grundrechte eingreifen

Es steht völlig außer Frage, dass Deutschland die Islamisten mit deutschem Pass in Gewahrsam nehmen und in ordentlichen Gerichtsverfahren aburteilen muss. Deutschland ist als Rechtsstaat in der Pflicht, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen; die Ausnutzung amorpher (Kriegs-)Zustände wäre weder legal noch legitim. Im Übrigen würde der Staat bei Nichtrücknahme deutscher Delinquenten oder etwa der Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit höchst durchschaubar seiner eigenen Rechtsauffassung zuwiderhandeln und (insbesondere bei nicht mehrfacher Staatsbürgerschaft) regelmäßig unzulässig in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen. Eine europäische Gerichtsbarkeit ist indes nicht gegeben, für die Zukunft gleichwohl überaus bedenkenswert.

Matthias Bartsch, Lichtenau

Rechtsstaat muss sich rüsten

Wenn die deutschen Islamisten nicht nach Syrien gegangen wären, könnten wir sie uns auch nicht mit juristischen Finessen vom Hals schaffen. Es hilft nichts: Der Rechtsstaat muss sich für den Fall rüsten, dass die verlorenen Söhne und Töchter demnächst vor unserer Tür stehen. Die einzige Alternative, nämlich die Kurden dafür zu bezahlen, dass sie "unsere" Terroristen auf Dauer beherbergt - in einer Art nahöstlichem Guantanamo - ist so absurd, dass man darüber wohl nicht nachzudenken braucht.

Axel Lehmann, München

Warum nicht Syrien zuständig?

Die deutschen Islamisten habe keine Verbrechen in Deutschland begangen. Verbrechen haben sie allerdings in Syrien verübt. Warum übergibt man die Islamisten nicht dem syrischen Staat, um dort und nicht in Deutschland verurteilt zu werden?

Herbert Wagner, München

Deutsche Justiz überfordert

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Das war die Konsequenz aus der politischen Verfolgung in Deutschland. Doch heute heißt es wieder: Wir verfolgen politisch. Nichts anderes sind die Drohungen des Bundesinnenministers versus angeblicher IS-Kämpfer.

Niemand weiß, was in Syrien geschieht und was diese Menschen wirklich getan oder erlitten haben. Keine Botschaft, keine objektive Medienberichterstattung und keine halbwegs rechtsstaatliche Untersuchung haben dies bislang zu klären vermocht. Wer glaubt, diesen Menschen werde in Deutschland ein faires Verfahren zuteil, irrlichtert durch die Untiefen des Rechtsstaats. Ein solches Verfahren ist faktisch unmöglich. Der deutschen Justiz fehlen schlicht die Mittel rechtssicher festzustellen, was in Syrien wirklich geschah und geschieht. Sie schafft es ja nicht einmal rein deutsche Sachverhalte rechtssicher und gerecht aufzuklären. Mit Auslandssachverhalten politischer Dimension wie der Syrien-Krise ist die deutsche Justiz überfordert. Daher besteht die Gefahr, dass Betroffene hier unschuldig verfolgt werden. Ich befürchte eine Menge Willkürverfahren, wenn Horst Seehofer tatsächlich gefolgt werden sollte. Und die Planung vom Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft erinnert doch arg an das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1935. Es wiederholt sich viel in der Geschichte....

Dr. David Schneider-Addae-Mensah,Karlsruhe

Rückkehr nach Eingeständnis

Wer sich dem selbsternannten Islamischen Staat anschließt und dort aktiv durch Kampfmaßnahmen oder passiv durch "Beistand" den Krieg gegen den "abscheulichen" Westen führt beziehungsweise unterstützt, hat sich klar gegen die Ziele und Werte des deutschen Staates ausgesprochen und gehandelt. Damit haben er oder sie nicht nur implizit, sondern auch explizit mit unserem Staat gebrochen und der Verlust der Staatsbürgerschaft ist folgerichtig und zwingend. Eine Rückkehr ist meines Erachtens nur durch tätige Reue möglich, also das Eingestehen der eigenen Schuld und Verurteilung durch ein ordentliches Gericht. Sich jetzt auf Unkenntnis zu berufen, Verführung etc. bedeutet, dass sich diejenigen als nicht schuldfähig einschätzen. Das wäre von den Betroffenen selbst zu beweisen, ansonsten ist es nur eine Schutzbehauptung.

Dr. Jochen Wehrmann, Marburg

Wehrdienst ist nicht relevant

Heribert Prantl ist der Auffassung, man könne Deutschen, die für den IS gekämpft haben, die Staatsangehörigkeit entziehen, weil sie Wehrdienst für einen fremden Staat abgeleistet hätten, § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz. Das ist meines Erachtens unzutreffend, mag die Idee auch fast allen gefallen: Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt nach § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) nur dann ein, wenn jemand freiwillig und ohne Genehmigung deutscher Behörden in den Streitkräften eines anderen Staates dient, dessen Staatsangehörigkeit er (auch) hat. Handelt es sich bei den betreffenden IS-Kämpfern um Personen, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, so ist ein Entzug grundsätzlich nicht möglich; aber auch bei IS-Kämpfern mit doppelter Staatsangehörigkeit - etwa die irakische oder syrische - greift diese Lösung nicht, denn in den Streitkräften dieser Staaten haben sie nicht gedient - ganz im Gegenteil. Und den IS plötzlich als Staat ansehen zu wollen: ein bisschen viel Winkeladvokatentum, das da durchscheint.

Klaus Winkler, Freiburg

Nachweis im EStA-Register

Donald Trump, Außenminister Heiko Maas sowie weitere (selbsternannte) Experten glauben, dass deutsche IS-Kämpfer nun wieder als deutsche Staatsangehörige in Deutschland aufgenommen werden müssen. Ich habe mir vor vier Jahren bei meiner zuständigen Kreisbehörde meine deutsche Staatsangehörigkeit für 25 Euro bestätigen lassen und mich beim EStA-Register (für Angelegenheiten in Staatsangehörigkeiten) in Köln eintragen lassen. Es wurde unter anderem die Heiratsurkunde meiner deutschen Großeltern benötigt. Haben die oben Genannten wohl auch diese Bescheinigungen/Urkunden?

Winfried Middel, Brilon

Sie verhöhnen unsere Werte

Ich verstehe nicht, weshalb man diejenigen, die in Syrien Mord und Totschlag begeistert mitverantwortet haben, nicht der syrischen Justiz überstellt, so wie im Irak. Das ist wieder eine Form von Arroganz Syrien gegenüber, die wir dann damit ausbaden, dass wir die "unschuldigen" Frauen durchfüttern und bestialisch handelnde Männer und Frauen mit milden oder gar keinen Strafen davon kommen lassen. Als hätten wir noch immer nicht verstanden, was solche Menschen umtreibt und dass sie uns mit unseren Werten nur verhöhnen. So machen wir uns selbst zu Schlachtvieh.

Gisela Malik, Esslingen

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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