Iran-Konflikt:Wie Dynamit im Pulverfass

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Der Tod des iranischen Generals Soleimani erregt die Gemüter. Viele Leser sind vor allem aufgebracht wegen US-Präsident Trump und seiner Art der Eskalation im Nahen Osten. Ein früherer Botschafter warnt vor dem Bündnisfall.

Zu " Die Härte" und " Irans Überdehnung", jeweils vom 7. Januar sowie zu " Trumps Angriff, Irans Drohung" vom 4./5./6. Januar:

Deutschland soll deeskalieren

Die Entwicklung im Nahen Osten ist ein Spiel mit dem Feuer und ein Pulverfass, das nach der neuesten Entwicklung sehr schnell explodieren kann! Hier sind Besonnenheit, Deeskalation gefragt und nicht, dass immer mehr Öl ins Feuer gegossen wird! Kommt es zu einem Krieg zwischen Iran und der "Supermacht", den Vereinigten Staaten von Amerika, dann kann dieser Krieg Auswirkungen haben, die nicht nur für diese Region brandgefährlich sind! Deutschland sollte diesbezüglich deeskalierend reagieren und auf keinen Fall bei dem Säbelrasseln der USA mitmachen, erst recht nicht sich an einem Krieg beteiligen!

René Osselmann, Magdeburg

Schlechte Erfahrungen

Die Kritik an der Rolle der USA im Nahen Osten beginnt nicht erst mit dem zweiten Irak-Krieg 2003. Der gemeinsame Putsch der USA mit Großbritannien 1953 gegen die demokratische Regierung Irans und die Unterstützung der folgenden Schah-Diktatur bis zur iranischen Revolution 1979 prägen das Verhältnis zwischen den USA und Iran. Auch aus der Bundesrepublik Deutschland wurde Kriegsgerät an den irakischen Diktator Saddam Hussein von 1980 bis 1988 während des achtjährigen Krieges gegen die junge iranische Republik geliefert.

Die aktive Rolle Irans im heutigen Irak, in Syrien, in Libanon und Jemen ergibt sich aus der Konfrontation mit den USA und den von ihr abhängigen Staaten in der Region. Die Hisbollah hat in Südlibanon der mehrjährigen Besatzung und der Konfrontation mit dem israelischen Militär widerstanden. In Syrien sind iranische Milizen an der Wiederherstellung der staatlichen Integrität beteiligt. Sie werden dabei regelmäßig von Israel bombardiert, das die syrischen Golanhöhen besetzt und annektiert hat. Die aktive Rolle Irans bezeichnet die SZ in einem Kommentar als "Überdehnung". Man kann sie auch als Versicherung gegen den erneuten Regime Change durch die alten Mächte des Westens betrachten.

Rüdiger Vehof, Erfurt

Unabsehbare Folgen

Präsident Trump stellt die Tötung des iranischen Generals Soleimani als eine Maßnahme der Verteidigung dar. Gemäß der Charta der Vereinten Nationen ist die Anwendung militärischer Gewalt gerechtfertigt, wenn ein Land zuvor von einem anderen angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar bevorsteht. Dagegen legen die USA die Schwelle der Gewaltanwendung weit niedriger. Das macht die Nationale Verteidigungsstrategie 2018 deutlich, in der es heißt: "Das Verteidigungsministerium bietet militärische Optionen, um sicherzustellen, dass der Präsident und unsere Diplomaten aus einer Position der Stärke heraus verhandeln."

Im Lichte dieser Strategie erscheint die Tötung des Generals gerechtfertigt; nach rechtlichen Kriterien ist sie das nicht. Zudem ist sie höchstgefährlich. Dennoch hat die Bundesregierung sie stillschweigend gebilligt. Immerhin ruft sie zur Deeskalation auf. Hoffentlich ist Iran besonnen genug, nicht mit Terrorakten zu antworten - der Art, wie die USA sie zu verhindern versuchen, indem sie seit zwanzig Jahren Krieg in Afghanistan führen. Präsident Trump scheint dagegen von Mäßigung nichts zu halten, denn er stößt ständig neue Drohungen gegen Iran und nun auch gegen den Irak aus.

Sollte der Konflikt weiter eskalieren, so könnte es ein, dass Deutschland in ihn hineingezogen wird. Denn dann könnten die Amerikaner möglicherweise den Beistand ihrer Nato-Verbündeten einfordern - wie im Jahre 2001, als sie Afghanistan angriffen. Allerdings tritt der Bündnisfall nur ein, wenn ein Mitglied der Nato angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar bevorsteht. Gilt das auch, wenn der angegriffene Staat den Angriff seinerseits durch den Einsatz militärischer Gewalt provoziert hat? Über militärische Operationen der US-Armee im Ausland kann der amerikanische Präsident allein entscheiden. Es ist dem Kongress vorbehalten, Kriege zu erklären, doch kann der Präsident als Oberbefehlshaber der Streitkräfte diese auch ohne Kriegserklärung einsetzen. Tut er das zur Verfolgung der Ziele der Nationalen Verteidigungsstrategie, so kann dies für Verbündete der USA unabsehbare Folgen haben.

Dr. Wolfgang Plasa, ehemaliger Botschafter der EU , Seefeld

Tod einer Hydra

Was Osama bin Laden für sunnitische Extremisten, war Qassim Soleimani für schiitische Islamisten und Terroristen. Für Abermillionen unterdrückte Menschen im Libanon, Irak, Syrien etc. jedoch war er die Personifizierung Satans, die unerträgliches Leid durch Armut, Krieg, Folter und Tod über sie gebracht hat. Soleimani stand überdies für das Ziel, Israel zu vernichten.

Allerdings verhält es sich mit seiner gezielten Tötung wie mit der Hydra aus der griechischen Mythologie, wachsen dem Islamismus nach dem Abschlagen eines seiner Köpfe doch sogleich zwei neue nach. Zudem gilt das "mittlere Haupt" als unsterblich. Die Hydra steht darum für Situationen, bei denen eine Eindämmung zu weiterer Eskalation zu führen droht.

Doch müssen wir deshalb das Unrecht hinnehmen aus Furcht vor einer Ausweitung des Terrors? Nein und nochmals nein, denn es geht hier nicht um Mythologie, sondern um die Schaffung von Fakten, denen sich das Unrecht wird beugen müssen, sofern wir vereint dieses menschenverachtende System bekämpfen und ebenso das "mittlere Haupt" abschlagen, das Unrechtssystem der Ayatollahs. Das sind wir auch den Millionen westlich, demokratisch und antiislamistisch eingestellten Bürgern der Region und in Iran selbst schuldig, einem stolzen Volk mit viel Herz und reicher Kultur.

SZ-Zeichnung: Fares Garabet (Foto: N/A)

Joachim Kretschmann,Villingen-Schwenningen

Warum soviel Demut in Europa?

Nach dem tödlichen Attentat der USA auf den iranischen General Soleimani überboten sich insbesondere europäische Spitzenpolitiker erst mal in Demutsgesten gegenüber den USA: Merkel, Macron und Johnson riefen Iran zur Mäßigung auf. Wie würde die Welt es wohl bewerten, wenn das Militär Irans (oder eines anderen "Schurkenstaates") beispielsweise einen hohen Militär der USA tötete? Als zulässige Verteidigungsmaßnahme, weil die USA ja Militäraktionen vor Ort durchführen oder planen? Oder würde laut Terrorismus gerufen werden? Wo ist der Unterschied zur Tötung Soleimanis? Wieso glauben wir immer noch, die USA seien die Sendboten von Frieden und Demokratie und wir müssten alles gutheißen und unterstützen? Schluss mit der militärischen heuchlerischen Bündnissolidarität! Für die Verbreitung demokratischer, europäischer Werte braucht es echtes politisches und diplomatisches Engagement, dafür sollte Deutschland investieren anstatt in einen immer unheilvolleren Nato-Haushalt.

Alexander Greiner, Lindau

Russland nutzt das Machtvakuum

Zur Rolle Irans und der von ihr mitbegründeten Hisbollah ist alles Notwendige gesagt, auch zur irrlichternden Politik des US-Präsidenten. Auch bin ich weit davon entfernt, die militärische Unterstützung Russlands von Assad im Krieg gegen sein eigenes Volk kleinzureden. Aber Sätze wie "Im Idealfall melden die USA sich zurück als Ordnungskraft" oder "Und auf Russland sollte in Nahost ohnehin nur setzen, wer den Einsatz der Luftwaffe schon für Politik hält" wie aus dem Kommentar "Irans Überdehnung" verstehe ich nicht.

Die USA haben sich durch ihre gescheiterte Interventions- und Kriegspolitik im Nahen Osten auf absehbare Zeit als Ordnungsmacht diskreditiert, Russland hat dieses Machtvakuum brutal ausgenutzt. Was folgt für uns Europäer daraus? Weiter servil auf eine nicht sichtbare Änderung der US-Politik zu hoffen und auf Russland einzudreschen? Die Kanzlerin sieht es glücklicherweise anders und ist zu Gesprächen nach Moskau gefahren. Dazu sehe ich keine Alternative!

Manfred Stock, Minden

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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