Impfpflicht:Mehr als nur ein Pikser

Einige Leser sind der Meinung, dass ein nicht geimpfter Mensch keine Bedrohung für einen geimpften Menschen darstellen könne. Ein Leser wünscht sich außerdem die Möglichkeit einer Einzelimpfung gegen Masern zurück.

Masern Impfbuch Symbolfoto Impfung *** measles vaccination book symbol photo vaccination

Vom kommenden Jahr an soll die Masernimpfung verpflichtend für Kitakinder sowie für Beschäftigte in Bildungseinrichtungen, dem Medizinsektor und Flüchtlingsunterkünften werden.

(Foto: imago images / Schöning)

Zu "Heile, heile Segen" vom 20./21. Juli, "Ein Virus im Faktencheck" und "Kabinett beschließt verpflichtende Masernimpfung" vom 18. Juli:

Ein wenig Toleranz, bitte

Die Aufgabe eines Staates sollte es sein, dafür zu sorgen, dass Menschen sich frei entfalten können, solange sie niemanden anderen stören oder gar gefährden. Es ist nun mal Fakt, dass ein geimpfter Mensch durch einen nicht geimpften Menschen weder gestört noch gefährdet werden kann. Woher kommt also die Intoleranz, Menschen zu verbieten, mehr Angst vor Impfschäden zu haben als vor der potenziellen Krankheit? Mich, als geimpfte Person, können diese Menschen weder stören noch gefährden. Woher also kommt diese Intoleranz?

Christopher Bodirsky, Hannover

Mit Zwang erreicht man nichts

Es geht nicht darum, den Nutzen und Sinn einer Impfung infrage zu stellen, sondern darum, ob Zwang eingesetzt werden muss und ob das beschlossene Gesetz zu einer Verbesserung oder Eliminierung von Masern führen wird. Das wird es nach Expertenmeinung nicht wesentlich. Es führt zu Vertrauensverlust gegenüber Ärzten, die jetzt noch weniger Motivation zeigen, ein vernünftiges Impfgespräch zu führen, weil sie niemanden mehr überzeugen müssen und alle negativen Auswirkungen im schlimmsten Fall staatlich aufgefangen werden. Ich rate dazu, die Stellungnahmen des Ethikrates und der Ärzte für individuelle Impfentscheidung zu lesen. Das sind Experten, die sich seit Jahren damit beschäftigen und deren Rat ignoriert wurde. Es werden Verfassungsrechte berührt, die nur in Notfällen eingeschränkt werden dürfen. Ganz abgesehen davon, dass sich Politiker nicht als Erziehungsberechtigte aufspielen sollten.

Helga Mauren, Fürstenwalde

Finanzieller Nutzen

Was in der Mathematik und der Physik gilt, gilt auch in der Medizin, vor allem, wenn sie von Nichtmedizinern wie Ihnen und mir diskutiert wird: Äpfel darf man nicht mit Birnen verrechnen und Masern ebenso wenig mit Polio wie die Polio mit Pest, die normale Wintergrippe mit der Spanischen Grippe oder die Masern mit Wundstarrkrampf oder Schnupfen. Es erstaunt mich, dass Impfpflichtbefürworter zwischenzeitlich genauso tendenziös, manipulativ und mit schrägen Vergleichen arbeiten wie Impfgegner. Ich rechne mich weder der einen noch der anderen Seite zu, registriere jedoch mit Befremden die Radikalisierung auf beiden Seiten. Eine Ansteckung mit Kinderlähmung hat weitaus ernstere Folgen, als die mit Masern haben kann - statistisch wohlgemerkt, nicht im Einzelfall.

Die Impfpflicht treibt zwischenzeitlich auch seltsame Blüten wie die, nicht geimpfte Kinder vom Besuch von Kindergärten und Schulen auszuschließen. Wenn die Impfung so sicher ist, wie uns Jens Spahn weismachen will, worin liegt dann die Gefahr für die, die geimpft sind? Die Erfahrung lehrt, dass man bei allen politischen Prozessen fragen muss, wem sie nutzen.

Siegfried Reusch, Hannover

Die Entscheidung der Eltern

Es handelt sich bei einer Impfung nicht bloß "um einen Pikser", sondern, wie Heribert Prantl selbst richtig sagt, eine Impfpflicht berührt "das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sie berührt das elterliche Erziehungsrecht, sie kann auch die Religionsfreiheit tangieren". Ich bin nicht zu 100 Prozent gegen eine Masernimpfung, obwohl meine drei Kinder die Masern damals ohne Impfung überstanden haben, während die geimpften die Masern bekamen und Probleme hatten. Ich sehe durchaus ein, wenn das Personal an einer Säuglingsstation geimpft sein muss. Aber ansonsten sollte es den Eltern überlassen bleiben, ob sie ihr Kind impfen lassen wollen oder nicht. Damit wäre allen, die kein Risiko eingehen wollen, entsprochen und den anderen die Freiheit nicht genommen. Wer geimpft ist, bekommt keine Masern, wer nicht geimpft ist, ist auch kein Risiko für die Geimpften.

Ingeborg Keil, Germering

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