Süddeutsche Zeitung

IAA in München:Falsche Verheißungen

Es war eine Auto- und Mobilitätsmesse, die mit Protest und Stau einherging. Die Ausstellung sorgt weniger durch ihr Konzept als durch die Begleitumstände für Kritik. Von falschen Botschaften und dem Vergleich mit dem Bahnstreik.

"Auf der falschen Spur" und "Protestcamp mit Einbahnstraßen" vom 8. September, "Stau in Blau" und "Vorsorglich eingesperrt" vom 9. September sowie zu "Erheblich eingeschränkte Mobilität" vom 6. September:

GDL darf das - hier ist's kriminell

Auch ich wäre vermutlich richtig sauer, wäre ich vergangenen Dienstag wegen der Aktivisten gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) und der entsprechenden Polizei-Einsätze irgendwo im Raum München in einen Stau geraten. Aber bei näherem Hinschauen relativiert sich das stark, allerdings auch die Reaktion (beziehungsweise auch deren Ausbleiben) von Staat und Gerichtsbarkeit. Betroffen waren sicher einige tausend Verkehrsteilnehmer für geschätzt ein, zwei Stunden, alles im näheren Umfeld der Stadt München. Die Gerichte haben nun zum Teil Haftstrafen gegen viele der Aktivisten verhängt, teils bis zum Ende der Messe.

Wie viele Millionen Reisende sind dagegen den inzwischen drei Streiks der GDL bei der Bahn zum Opfer gefallen? Und was unternehmen Staat und Gerichtsbarkeit hier? Der Vorwurf gegen die IAA-Aktivisten lautet unter anderem "Verdacht der Nötigung und der Straßenverkehrsgefährdung". Ist das, was GDL-Chef Weselsky hier bundesweit mehrere Tage lang veranstalten lässt, etwa keine Nötigung, nur in unendlich viel größerem Stil? Zwei Gerichte haben gekuscht und wollten nicht erkennen, dass die von der GDL angeführten Tarif- und Ruhestandsbedingungen nur hauchdünner Vorwand dafür sind, Machtansprüche einer Gewerkschaft gegen andere, mitgliederstärkere Konkurrenten durchzusetzen. Nicht mit den Mitteln lauteren Wettbewerbs - doch nicht die GDL! -, sondern auf dem Rücken der Gesamtbevölkerung und durch Einbeziehen des Güterverkehrs auch der Wirtschaft - um den etwas alarmistischen, aber trotzdem leider völlig zutreffenden Begriff "in Geiselhaft nehmen" zu umschiffen. Hier hätten sich die Gerichte längst schon engagieren müssen, um Schaden abzuwenden. Die "Gefährdung des Straßenverkehrs" ist dagegen lächerlich. Aber es passiert, wie immer in dem Zusammenhang, schlicht nichts. Und die IAA selbst? Seit Wochen wird der Straßenverkehr an vielen Stellen München massiv beeinträchtigt, weil die Veranstalter, vorneweg der Verband der Automobilindustrie und leider auch die Stadt München, meinen, das Messegelände reiche bei der Münchner Premiere der IAA nicht aus, dieses Event müsse doch zentral über eine Achse von mehreren Kilometern in der Stadt sichtbar und leider eben auch spürbar werden. Und so werden die schönsten, wichtigsten und zentralen Plätze der Stadt wochenlang verschandelt und zugebaut mit monströsen "Ständen".

Die vielen Sperrungen von Durchgangsstraßen, die Beeinträchtigung gerade auch des oberirdischen öffentlichen Nahverkehrs, DAS ist flagrante Behinderung und Gefährdung des Straßenverkehrs, und nicht nur der Verdacht dessen, aber die ist ja von Stadt und Bayern offenbar leider gewollt. Dass die euphemistisch IAA "Mobility" genannte "Messe" für die gesamte Zeit, zuzüglich Auf- und Abbau, vielerorts zur "Immobility" führt, wen schert's auf offizieller Seite. Und die Folgen davon betreffen ebenfalls ein Vielfaches der Zahl der Autofahrer, die am Dienstag erst verspätet an ihr Ziel kamen, ärgerlich genug.

Dieses Messen mit zweierlei Maß sowohl bei der Bahn als auch bei dem Unsinnsvorhaben IAA quer durch die Stadt, das ist der wirkliche Skandal, und nicht die paar spektakulären Aktivisten mit zeitlich und örtlich eng begrenztem Einfluss. Die Frankfurter sind allerdings gesegnet, dass München ihnen nun diese Bürde leider abnimmt.

Friedrich-Karl Bruhns, München

Aktivisten-Quatsch

Einfach mal hängen lassen, diese mediengeilen "Aktivisten"; einfach mal ignorieren und keinen so breiten redaktionellen Raum einräumen, einfach mal so bestrafen, wie es sich in einem funktionierenden Rechtsstaat eigentlich gehört, einfach mal diese kleine, laute Minderheit in ihren Hängematten hängen lassen. Aber das habe ich wohl geträumt. Heute heißt es dann sicher wieder, gewaltfreier Protest gehört zur funktionierenden Demokratie. Das stimmt zweifelsfrei - aber wenn es um Sachbeschädigung und Eingriff in die Verkehrssicherheit und Einschränkung der individuellen Mobilität geht, sollte man diesen "Aktivisten" endlich mal klarmachen, dass sie ernsthaft damit rechnen müssen, für ihren Quatsch auch finanziell gerade stehen zu müssen. Aber das habe ich bestimmt auch wieder nur geträumt...

Heiko J. Fabian, München

Verzicht-Botschaft an Andere

Haben die Protestierenden die große Feldküche, über die in der SZ zu lesen war, selbst gezogen, oder haben sie Pferde vorgespannt? Gott bewahre, als Gegner von Verbrennungskraftfahrzeugen werden sie doch hoffentlich kein solches Monster zum Transport verwendet haben? Unbedingt notwendig ist so eine Feldküche ja nicht, es gibt in München genug Supermärkte und Gaststätten, die klimafreundlich zu Fuß oder mit S- oder U-Bahn zu erreichen sind. Oder ist der Verzicht wieder einmal nur für die "Anderen" angesagt?

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Falsches Signal für München

Die jungen Leute (und mittlerweile auch die "Omas for Future" und viele mehr) gehen für mehr Klimaschutz und somit für ihre Zukunft auf die Straße. Passieren tut leider sehr wenig für mehr Sicherheit der nicht motorisierten und somit klimaschützenden Verkehrsteilnehmer. Deshalb verstehe ich sehr gut, dass eine geplante Radler-Demo über die Autobahnen gehen sollte (sie wurde gerichtlich untersagt; d. Red.). Nur so bekommen endlich viele mit, dass es einer schnelleren Umsetzung des Radentscheids und anderer Maßnahmen (Radschnellwege) bedarf. Was nützen uns mehr Steuereinnahmen durch die drei großen Autokonzerne, die sich während der IAA auf schönen Plätzen in der Münchner Innenstadt breit machen dürfen, wenn die Lebensqualität in München immer weiter sinkt?

Ines Steinheimer, München

Radfahren wurde erschwert

Mir ist völlig unverständlich, wie die Stadt München eine Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) mit Großevents in der Innenstadt zulassen kann und damit alle anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer erheblich behindert. Als Radfahrerin komme ich überhaupt nicht mehr zu meiner Arbeitsstelle. Auf meinem Arbeitsweg (zehn Kilometer, einfache Strecke) liegt der Odeonsplatz - für Radfahrende derzeit so nutzbar, dass er gar nicht mehr fahrbar ist, gipfelnd darin, dass sich die Zufahrt auf einen Radweg an einer Bordsteinkante befindet. Die Brienner Straße soll ich als Radfahrerin auf dem entgegenkommenden Radweg fahren, was nicht nur extrem gefährlich ist, sondern meiner Erinnerung nach auch verboten. Durch den Hofgarten komme ich auf dem Radweg nicht mehr, die Galeriestraße ist nur eingeschränkt befahrbar, der Königsplatz gesperrt. Mal abgesehen von den vielen Baustellen in München, welche die Radwege alle aufgelöst haben (Baustelle Paul-Heyse-Straße, Prinzregentenstraße, et cetera), wo wir teilweise auf extrem gefährliche Zusatzradwege ausweichen müssen, ist das jetzt noch die Krönung. Für eine Autoausstellung nimmt die Stadt in Kauf, dass Radlerinnen und Radler gefährlich leben - und viele vermutlich wieder auf das Auto umsteigen. Danke!

Sylvia Jenke, München

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Quelle:
SZ vom 14.09.2021
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