Süddeutsche Zeitung

Horst Seehofer:Der große Streit um Deutschlands Islam

Lesezeit: 3 min

Wer oder was gehört zu Deutschland - der Islam, die Muslime, beides? Nach Bundesinnenminister Horst Seehofers Äußerung bei der Deutschen Islamkonferenz in Berlin kennen sich Leserinnen und Leser gar nicht mehr aus.

" Seehofer umwirbt Muslime" und " Seehofer auf Bußgang" vom 29. November:

Wankelmut, der beschämt

Der derzeitige Bundesinnenminister, Noch-CSU-Vorsitzende und ehemalige Ministerpräsident Horst Seehofer ist schon ein Phänomen, dies allerdings im dezidiert negativen Sinne. Da faselt er gegenwärtig großspurig von den gleichen Rechten und Pflichten, welche den Muslimen prinzipiell eigneten, von der Notwendigkeit des Gefühls der Zusammengehörigkeit respektive dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, und hat doch vor nicht allzu ferner Zeit den infernalischen Satz geprägt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Seehofers aktueller Versuch wiederum, ebendiese Aussage in ihr moderates Gegenteil zu verkehren, ist anderseits noch nicht einmal in der Lage, zu erklären, warum Muslime zu Deutschland gehören sollen, nicht aber der Islam.

Für unser Land indes ist es regelrecht beschämend, einen solch wankelmütigen Politiker als Innenminister zu haben, der, wie er es beispielsweise zu früherer Zeit auch als Ministerpräsident von Bayern gepflegt hat, keine klare Linie vorzuweisen hat, sondern sein Mäntelchen immer wieder neu nach populistischem Winde dreht.

Rüdiger Freiherr von Neubeck, Würzburg

Der AfD in die Hände gespielt

Man versteht manchmal die Welt nicht mehr. Da begeht vor einigen Monaten Horst Seehofer als Bundesinnenminister mit seiner spaltenden Äußerung: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", einen großen Fehler. Und nun? Reicht er den sichtlich verunsicherten Muslimen die Hand und bemüht sich deutlich um Schadensbegrenzung. Als Angehöriger dieser zuletzt arg gebeutelten Religion bin ich selbstverständlich sehr froh, dass Seehofer nun eingelenkt und gerade noch die Kurve gekriegt hat. Warum aber hat er es mit seinem sturen Beharren auf diesen Standpunkt, der auch eine Ausgrenzung der Muslime hierzulande bedeutet, vorher fast zur Eskalation kommen lassen? Seehofer hat mit seiner umstrittenen Aussage der islamfeindlichen AfD, für die es ganz sicher pure Freude war, in die Hände gespielt. Schade, dass ein so erfahrener Politiker sich so einen groben Schnitzer geleistet hat. Damit hat er nicht nur immens dem Verhältnis zwischen der christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaft geschadet. Im Hinblick auf die Integration, das gemeinsame Zusammenleben und die Stärkung der Demokratie war dieser provokante Satz genauso ein erheblicher Rückschlag.

Ayhan Matkap, Donauwörth

Zum Abgang christlich?

Verunsichert frage ich mich anlässlich der Nachricht, dass Horst Seehofer die Muslime umwirbt: Ob der Wolf Kreide gefressen hat? Vorweihnachtliches Gesäusel? Oder den altvertrauten CSU-Parolen zum Trotz: Vor dem Abgang sogar mal ein bisschen christlich? Bei Horst Seehofer ist alles möglich.

Eva Matern-Scherner, Hösseringen

Eine zu einfache Rechnung

Eigentlich ist der Satz "der Islam gehört zu Deutschland" eine These, über die man diskutieren und dabei zu differenzierten Ergebnissen kommen kann. Eigentlich - tatsächlich aber kommt dem Satz in der öffentlichen Debatte eine Marker-Funktion für Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie zu. Wer diesen Satz ablehnt, lehnt Millionen friedlicher und steuerzahlender deutsche Mitbürger islamischen Glaubens ab - so geht die einfache Rechnung. Was zwar Unsinn ist, aber gleichgesetzt wird. Ein schönes Beispiel dafür ist der Kommentar "Seehofer auf Bußgang", in dem genau das passiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer, den man wirklich nicht mögen muss, beharrt auf seiner Position, dass in der geschichtlichen und kulturellen Prägung Deutschlands der Islam keine wesentliche Rolle gespielt hat - dass aber die hier lebenden und eingebürgerten Moslems natürlich zu Deutschland gehören würden, er habe nie etwas anderes gesagt. Darauf Constanze von Bullion: "Natürlich stimmt das nicht." Das ist allerdings eine Behauptung, die mit Fakten zu stützen wäre. Ich zumindest erinnere mich an kein Statement Seehofers, das in diese Richtung geht.

Klaus Fuhrmann, Freiburg

Säkulares Vorbild

" Ein Ort zum Streiten" vom 28. November: Wenn staatliche Vertreter einen Dialog mit den Muslimen im Land führen, dann kann dies mit Aussicht auf Erfolg nur dann geschehen, wenn das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes gegenüber allen Religionsgemeinschaften angewandt wird. Dass dies nicht der Fall ist, zeigen die vielfältigen Privilegien, die sich die beiden immer noch vorherrschenden christlichen Religionsgemeinschaften (Kirchen) seit 1949 (und selbstverständlich auch davor) gesichert haben und auch weiterhin - unterstützt von großen Teilen der politischen Parteien - mit allen Mitteln verteidigen.

Sie sollten sich die kürzlich gegründete "Initiative säkularer Islam" zum Vorbild nehmen. Ihren Gründern gemeinsam ist, dass sie säkular ausgerichtet sind, das heißt den Staat verfassungsgemäß als Handelnden mit gleichem Abstand zu allen religiösen und religionsfreien Gemeinschaften sehen. Eine politische Manipulation des Islams, des Christentums und anderer religiöser und religionsfreier Gemeinschaften wird dadurch erheblich erschwert. Wahrscheinlich wird ihr sogar entscheidend vorgebeugt.

Ernst-Günther KrauseUnterschleißheim

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4240718
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.