Homöopathie:Stoff ohne Wirkstoff

Die einen schwören auf Globuli, weil sie ihrer Erfahrung nach viel Leid und Geld sparen, die anderen wettern dagegen. Auch die Krankenkassen stehen in der Kritik, weil sie homöopathische Mittel als Zusatzleistung finanzieren.

Glaube an die Globuli: Warum Homöopathie hilft - aber nicht wirkt

Sogenannte Globuli sind die wohl bekannteste Form der Darreichung in der Homöopathie.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa; Bildbearbeitung: SZ)

Zu "Das Geschäft mit dem Nichts" vom 17. Dezember:

Hervorragender Ersatz

Was ist das nur für ein Spektakel um die Homöopathie? Man mag sie aus der Weiterbildungsordnung streichen, aber sie als Gefahr für Leib und Leben darzustellen, ist reichlich übertrieben. "Irreführende Werbung für Arzneimittel kann mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden" - das ist gut und bietet Schutz vor Scharlatanen, vor denen wir nirgends sicher sind. Allerdings kann daraus nicht folgen, dass Homöopathie pauschal von Übel sei, denn es gibt da einiges aus der Tube, was Mensch und Tier durchaus gute Dienste leistet.

Nun ein Blick auf die Globuli, deren größtes Vergehen darin gesehen wird, dass ihre Wirkung die eines Placebos nicht übertreffe. Was soll das? Dass ein Placebo wirkt, wird kaum bestritten; es stellt sogar gewissermaßen den Idealfall dar, denn es bezeichnet eine Art von Selbstheilung. Es handelt sich um ein Heilverfahren, das ohne Globuli kaum praktiziert werden könnte, denn ein Versuch, in der Apotheke ein Placebo einzukaufen, müsste scheitern. Da bieten sich doch Globuli hervorragend als Ersatz an! Wer einen Patienten vorsätzlich von einer lebensrettenden Operation abhält, mag gern ein Jahr einsitzen, aber man verwechsle doch bitte die Homöopathie nicht mit dem Scharlatan, der sie missbraucht.

Johannes Teich, Murnau

Zum Wohle der Patienten

Leider gehöre ich auch zu den (naiven) Apothekerinnen, die homöopathische Mittel empfehlen, wenn der Patient dafür offen ist. Ich tue das, weil ich gute Erfahrungen damit gemacht habe, sowohl bei mir selber als auch bei meinen Patienten. Bevor Sie nun milde über mich lächeln, bitte ich Sie, sich auf der Website der Carl-und-Veronica-Carstens-Stiftung über Studien mit den "Zuckerkügelchen" zu informieren. Besonders interessant finde ich die Studien zweier Krankenkassen vom September 2020. Hier zeigten sich bei Patienten, die (zusätzlich) homöopathisch behandelt wurden, nicht nur Vorteile bei der Lebensqualität, sondern auch bei der Kosteneffektivität.

Zum Wohle der Patienten und möglicherweise zum Kostensparen brauchen wir sowohl die konventionelle Medizin als auch naturheilkundliche Verfahren wie zum Beispiel die Homöopathie.

Bettina Heinzen, München

Irreführende Werbung?

Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen dürfen bei dem Thema leider nicht unerwähnt bleiben. Viele gesetzliche Krankenkassen erstatten weiterhin in Selektivverträgen die homöopathische Behandlung. Hier bekommen die teilnehmenden Ärzte homöopathische Leistungen extrabudgetär vergütet, das heißt, sie bekommen die Leistungen garantiert bezahlt.

Für ein homöopathisches Erstgespräch bekommt ein Arzt mehr als den meisten Fachärzten oder Hausärzten als Budget für die Regelleistungsbehandlung im gesamten Quartal zur Verfügung steht. Die Gelder, die in diesen Selektivverträgen garantiert werden, fehlen im "Topf" für die Regelleistungen der Kassenärzte. Dabei müssen die Leistungen, die ein Kassenarzt erbringt, dem "Wirtschaftlichkeitsgebot" entsprechen: Die Leistungen müssen "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten" (§ 12 SGB V). Für homöopathische Leistungen gilt das nicht, sie stehen nicht im Leistungskatalog der GKV. Krankenkassen dürfen sie als "Satzungsleistungen" aufgrund "unternehmerischer" Entscheidungen freiwillig erstatten. Die Homöopathie zu bezahlen ist also eine Werbemaßnahme der Kasse. Die Homöopathie wird aber dadurch sehr aufgewertet, da die Krankenkassen sie ja als besondere medizinische Maßnahme und extra Serviceleistung bewerben. Ist das nicht auch "irreführende Werbung"?

Dr. med. Anke Visbeck, Wiesbaden

Kranke Kassen

Der Artikel passt perfekt zu einem Schreiben der AOK, das ich gestern erhalten habe und das eine Erhöhung des Zusatzbeitrags ab 1. Januar 2022 um 0,2 Prozent auf 1,3 Prozent angekündigt. Diese "wichtige Nachricht" versucht die AOK ihren Mitgliedern offenbar durch die Ankündigung zu versüßen, dass "neu zum Jahreswechsel" jetzt auch "homöopathische Arzneimittel (inklusive Phytotherapie und Anthroposophie)" als Zusatzleistung übernommen werden. Nicht nur Ärzte und Apotheker sollten dem Globuli-Schwindel ein Ende machen, sondern vor allem die Krankenkassen. Die Kosten wirkungsloser Zuckergaben muss nicht die ganze Solidargemeinschaft tragen. Wenn die Apotheken statt der teuren Globuli einfach viel billigere zuckerfreie Pillen oder Kaugummi an ihre homöopathiegläubige Kundschaft verkaufen würden, müssten die Krankenkassen nicht ihre Beiträge erhöhen, die Apotheken könnten die Patienten weiter bedienen, diese hätten gesundere Zähne und auch die Heilwirkung wäre gesichert, vorausgesetzt das Etikett ist genügend professionell als "Arznei" gestaltet. Für den Placeboeffekt ist der Inhalt ja unwichtig, Hauptsache, die Verpackung macht Eindruck und das Zeug schmeckt.

Dr. Markus Zehetbauer, Uffing am Staffelsee

Viel Leid und Geld gespart

Als Internist mit mehr als 38 Jahren Berufserfahrung, jahrelanger Notarzttätigkeit und Erfahrung in der Gastroenterologie, Kardiologie, Psychiatrie und Chirurgie liegen mir die modernen schulmedizinischen Errungenschaften sehr am Herzen. Sorge bereiten mir die Kolleginnen und Kollegen, die leider oft nur unzureichend ausgebildet Globuli verteilen, ihre Grenzen nicht kennen und damit oft genug sowohl ihren Patienten als auch der Homöopathie schaden. Genauso ärgerlich ist es, wenn die Homöopathie als Methode an sich in regelmäßigen Intervallen in der SZ gebetsmühlenartig alte Vorurteile wiederkäuend als Hokuspokus abgetan wird.

Meine damalige Freundin ist im Frühjahr 1987 schwer rasch progredient an Multipler Sklerose erkrankt und fast vollständig erblindet, im Alter von nur 27 Jahren. Monatelange Heilversuche der Schulmedizin machten alles nur noch schlimmer. Gerettet hat sie zu meinem Erstaunen im Oktober 1987 eine klassische Homöopathin aus München. Innerhalb weniger Wochen erlangte sie ihr Augenlicht weitgehend zurück, sie heiratete, brachte zwei Jungen auf die Welt, war seither niemals mehr im Kernspin oder bei einem Neurologen. Folgekosten ihrer Erkrankung: keine.

Bei aller Skepsis habe ich diese Methode auch intensiv studiert und setze sie heute immer dort ein, wo ich mit meinem schulmedizinischen Latein am Ende bin, gerade bei den chronischen Krankheiten wie zum Beispiel Bechterew, Multiple Sklerose, psychiatrischen Krankheitsbildern und entzündlichen Systemerkrankungen. Wer Hahnemann unterstellen mag, er würde heute einen Würfelzucker in den Bodensee werfen, dreimal umrühren und dann mit dem Wasser teelöffelweise Diabetiker behandeln, täuscht sich.

Aus gutem Grund wird die Homöopathie derzeit angefeindet. In einem merkantilisierten "Gesundheitswesen" geht es vor allen Dingen um Macht und Geld. Was die Kosten betrifft, steckt unser Gesundheitswesen in einer tiefen Krise, die pharmazeutischen Kosten laufen aus dem Ruder, die therapeutische Zuwendung dagegen ist kaum mehr etwas wert. Den Pharmakonzernen ist die Homöopathie ein Dorn im Auge, denn sie kostet fast nichts. Hunderten chronisch Kranken hat sie in meiner Praxis zu meinem eigenen Erstaunen geholfen, auch vielen Kindern, sodass ein Placebo-Effekt ausgeschlossen ist. Viele Hunderttausend Euro konnten eingespart werden, aber vor allem viel Leid. Von einer SZ hätte ich mir als langjähriger und treuer Leser endlich einmal eine ausgewogene Berichterstattung erwartet. Gerne ist Herr Hinnerk Feldwisch-Drentrup eingeladen, mich in meiner Praxis zu besuchen und mir über die Schulter zu sehen.

Dr. Stefan Eidam, Grafing (Internist und Homöopath)

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