Hohenzollern:Geschichte aufarbeiten

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Die Entschädigungsdebatte zu Enteignungen der früheren Kaiserfamilie wirkt für manche wie eine Geduldsprobe. Eine Leserin fordert, die duch Wilhelm II. aufgehäuften Kriegsschulden gegenzurechnen.

Zu "Abend unter Freunden" und "Es soll peinlich sein", beide vom 20. August:

Entschädigung ans Volk zahlen

Seit Jahren wird öffentlich über die Enteignungsentschädigungsansprüche der Hohenzollern nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz von 1994 debattiert. Die vom Chef des Hauses Hohenzollern nach diesem Gesetz erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam auf Entschädigung für enteignete Schlösser und Immobilien und die sich häufenden Verfahren gegen Historiker und Journalisten (!) empfinde ich als unerträglich, war doch die Hohenzollernherrschaft für unser Land alles andere als segensreich.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gingen von Preußen die sich später so verhängnisvoll auswirkenden Großmachtträume aus. Der Sieg über die französische Armee bei Sedan im September 1870 führte zu einer Hybris der Sieger, die in der Proklamation des deutschen Kaisers Wilhelm I am 18. Januar 1871 - ausgerechnet in Versaille - gipfelte. Unter anderen hatte der Historiker und Abgeordnete des Bayerischen Landtags, Edmund Jörg, im Parlament gegen den Beitritt Bayerns zum Deutschen Reich gekämpft und den Weltkrieg sowie den Untergang des Reiches vorausgesagt.

Die Politik des Kaisers Wilhelm II war eine Katastrophe für unser Land. Auf sein Konto geht die unselige Kolonialpolitik, die den Völkermord an den Herero und Nama auslöste. Zudem wurde das Deutsche Reich durch die aggressive Flottenpolitik und das Säbelrasseln des Kaisers in den Ersten Weltkrieg hineingezogen.

Hundertfünfzig Jahre nach 1871 hätte ich (geboren 1937) mir gewünscht, dass wir uns nur noch historisch mit den Hohenzollern befassen müssen. Der Chef des Hauses Hohenzollern täte gut daran, sich seiner von ihm beschworenen Verantwortung, das heißt auch der Aufarbeitung der Geschichte des Herrschergeschlechts, zu stellen und Klagen zurückzunehmen. Sind es nicht die Hohenzollern, die unserem Land eine (moralische) Entschädigung schulden?

Fritz Borchmeyer, München

Adel muss unbedeutend werden

Ich bin baff, in welchem Licht - mit Unterstützung federführender Politiker - sich die Hohenzollern darstellen dürfen. Was wir offenbar vergessen haben, ist, wie Feudalismus entstand und welche Auswirkungen er für die normalen Menschen über die Jahrhunderte hatte. Nach der Antike nahm sich eine Kriegerkaste von den einfachen Menschen Land, um ihnen im Gegenzug Schutz zu bieten. Nur funktionierte dieser "Tausch" Land gegen Schutz über Jahrhunderte nicht! Bis zum ersten Weltkrieg überzogen sie aus familiären und dynastischen Interessen die Welt immer wieder mit Krieg. "Ruhm", oder "Ehre" oder noch schlimmer Religion war Grund genug, um Bewaffnete um sich zu scharen und nicht nur benachbarte Ländereien mit Zerstörung, Gewalt, Raub und Mord zu überziehen. Muckte das einfache Volk gegen diese Unterdrückung auf, wurden diese Revolten mit viel Gewalt niedergeschlagen (siehe Bauernkriege im 15 Jahrhundert oder zuletzt 1848). Erst Anfang des 19. Jahrhunderts unter Eindruck der französischen Revolution wurde die Leibeigenschaft beendet, was nichts anderes als die europäische Form von Sklaverei war, die vom Adel über Jahrhunderte aufrecht erhalten wurde.

Es wird Zeit, den Adelsfamilien, auch weil sie über Jahrhunderte die Geschicke Europas und der Welt so bestimmten, wieder eine normale, unbedeutende Stellung zu geben. Es wird Zeit, ihnen nicht viel mehr als Gleichgültigkeit entgegen zu bringen. Dafür ist es allerdings notwendig, wo noch nicht geschehen, die Enteignungen des Feudaladels rechtssicher zu vollziehen.

Jörg Faber, Neubiberg

Erblast gegenrechnen

Kaiser Wilhelm II aus der Familie der Hohenzollern hinterließ eine komplett zerstörte Nation und Volkswirtschaft mit zwei Millionen getöteten deutschen Soldaten, unzähligen Invaliden, Amputierten, Entstellten und psychisch zerstörten Menschen, deren Zukunftspläne zertrümmert waren. Ebenso hinterließ dieser Kaiser eine Reichsschuld von 145,5 Milliarden Mark, sowie 226 Milliarden Mark Reparationskosten, welche der Steuerzahler zu tragen hatte. Ist es in unserem Erbrecht nicht so geregelt, dass man auch Schulden vom Erblasser mittragen muss? Warum kommt diese Erblast nie zur Sprache, wenn es um die Entschädigungsansprüche der Hohenzollern geht?

Gabriele Ludwig, Gräfelfing

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