Künstlerische Studiengänge:Talent ist Trumpf

Künstlerische Studiengänge: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Für die Bewerbung an staatlichen und privaten Kunsthochschulen ist Kreativität wichtiger als ein gutes Schulzeugnis. Gerade die Privaten locken mit speziellen Programmen. Doch es gibt noch mehr Gründe, die für sie sprechen.

Von Christine Demmer

Geheimnisumwittert ist die Persönlichkeit des Street-Art-Künstlers Banksy. Ob er ein Kunststudium hinter sich hat, weiß man ebenso wenig wie seinen richtigen Namen. Immerhin haben es seine Werke in den Louvre, in die Tate Gallery und ins Museum of Modern Arts geschafft. Allerdings dürften nur wenige Autodidakten so berühmt werden wie der Mann, dessen Bild "Girl with a Balloon" 2018 bei Sotheby's für 1,2 Millionen Euro über den Tisch ging.

Um als bildender Künstler zu arbeiten oder gar national oder international bekannt zu werden, bedarf es keiner speziellen Ausbildung. Doch mehr Fachwissen und Selbstsicherheit gewinnt man mit einer Ausbildung an einer der 24 staatlichen Kunsthochschulen und Kunstakademien oder an einer der wenigen privaten Hochschulen mit künstlerischen Studiengängen. Letztere haben kleine Klassen und bieten individuelle Betreuung, verlangen dafür aber auch Studiengebühren von einigen Hundert Euro im Monat. Deshalb wird aber noch lange kein talentfreier Bewerber zum Kunststudium zugelassen. Alle müssen neben Zeugnissen und Motivationsschreiben eine Mappe mit Arbeitsbeispielen einreichen und im Auswahlgespräch überzeugen, manchmal gilt es auch eine Aufgabe künstlerisch zu lösen. Die Verfahren unterscheiden sich von Hochschule zu Hochschule. Das gilt auch für das Angebot von Fächern. Neben den Studiengängen Freie oder Bildende Kunst gibt es Spezialprogramme für Malerei, Restaurierung, Bildhauerei, Kunstpädagogik und Kunsttherapie.

Malerei und Bildhauerei können Abiturienten und Fachabiturienten in Vollzeit (sieben Semester) oder Teilzeit (elf Semester) an der 2013 gegründeten Hochschule für Bildende Kunst in Essen (HBK) studieren. Es gibt keine festen Klassen, sondern ein Kurssystem wie an der Oberstufe im Gymnasium. Die Höhe der Studiengebühren ist vom Fach abhängig und reicht von 475 bis 550 Euro im Monat. Dafür ist die Mappenberatung kostenlos - alle anderen Schulen lassen sich das bezahlen. Deutschlandweit einzigartig ist der Masterstudiengang "Kunst und Kooperation": Hier wird gezeigt, wie man sein künstlerisches Profil in Auseinandersetzung mit anderen schärft, um in einem vernetzten Kunstfeld zu reüssieren. Neben der Kunst wird gleichsam der Broterwerb gelehrt.

Die Privaten verlangen circa 300 bis gut 500 Euro Studiengebühren

Zwischen Kunst und Medientechnologie angesiedelt sind die Bachelor- und Master-Studienangebote der Merz Akademie Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien in Stuttgart. Gegründet 1918 von dem Architekten und Reformpädagogen Albrecht Leo Merz, führt sie heute die Studienrichtungen Crossmedia Publishing, Film und Video, New Media und Visuelle Kommunikation im Programm. Yvy Heußler ist bei jeder Eignungsprüfung dabei und sagt, worauf sie besonders achtet: "Ob die Bewerber zu uns passen. Und ob sie ideenreich sind und gern experimentieren. Wir sind ja stark in der Verknüpfung von Kunst und Medien. Das soll in der gestalterischen Lösung der von uns gestellten Aufgabe sichtbar werden." Die aktuelle lautet: "What I did in 2020". Heußler: "Jeder Bewerber kann dafür die Medien verwenden, in denen er oder sie sich am ehesten zu Hause fühlt oder die er für am geeignetsten hält, ein Bild, ein Video, eine Collage, eine Installation. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt." Zugelassen werden jeweils etwa 30 Teilnehmer, die in zwei parallelen Kursen studieren. Das besondere Bonbon der Stuttgarter: Nach der Regelstudienzeit von sieben Semestern kann man kostenfrei weiterstudieren. Davor berechnet die Akademie 383 Euro je Studienmonat.

Die Teilnehmer lernen auch, wie sie mit ihrer Kunst Geld verdienen können

395 Euro im Monat kostet das Vollzeitstudium und 295 Euro das Teilzeitstudium der Bildenden Kunst, Bachelor wie Master, an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. "Das Kunststudium ist unglaublich kosten- und betreuungsintensiv", versichert Rektor Hans-Joachim Pieper und erläutert, warum das so ist. "Es wird viel Einzelfeedback von den Studierenden eingeholt und von den Professoren gegeben. Auch der Platzbedarf ist sehr viel höher als für Studierende wissenschaftlicher Disziplinen." Klar: Künstler im Werden brauchen Atelierplätze oder Übungsräume und, fast noch wichtiger, Ausstellungsmöglichkeiten und Aufführungsorte, um Resonanz auf ihre Arbeiten zu bekommen. Eine erste Bühne bietet die Hochschule selbst: Einmal jährlich findet dort ein sogenannter Rundgang statt, bei dem die Abschlussarbeiten präsentiert werden.

Fast alle Bachelor-Programme sind als Vollzeitstudium ausgelegt; die Teilnehmer kommen oft direkt nach dem Abitur. Nebenberuflich studieren lassen sich im Bachelor die Fächer Künstlerische Therapie und Kindheitspädagogik - Letzteres setzt eine abgeschlossene Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher voraus. Auch der Masterstudiengang Kunst kann berufsbegleitend studiert werden. Überhaupt: Die Arbeitsmarktchancen, so heißt es, seien sehr gut. "Weil die Studierenden bei uns Anwendungsbereiche kennengelernt und Ideen bekommen haben, wie sie ihre Kunst in den Beruf integrieren", sagt Professor Pieper. "Es heißt, dass nur drei bis fünf Prozent aller Künstlerinnen und Künstler von der Kunst allein leben können. Bei uns werden sie so ausgebildet, dass sie dennoch mit Kunst Geld verdienen können."

Gut ein Drittel der circa 1800 Studierenden sind angehende Kunstschaffende, Kunstpädagogen und Kunsttherapeuten. Unterrichtet werden sie in Bachelor- und Masterprogrammen in den Studienrichtungen Malerei, Bildhauerei, Schauspiel, Eurythmie, künstlerische Therapien sowie Kunst für das Lehramt. Kurse in der Architektur, in Wirtschaft, Pädagogik und Philosophie sind obligatorisch. Nicht nur künftige Lehrer, sondern auch Betriebswirte werden an der Alanus Hochschule mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst vertraut gemacht. "Wir legen großen Wert auf Transdisziplinarität", betont Rektor Pieper und verweist auf die anthroposophischen Wurzeln der Hochschule. Sie werden in den Studiengängen Waldorfpädagogik und Eurythmie bewahrt und erinnern an den Leitgedanken der Hochschule: den einzigartigen Menschen in seiner Persönlichkeit zu stärken.

Musikalische Ausbildung bei privaten Anbietern

Manche Abiturientinnen und Abiturienten mit künstlerischer Begabung zieht es eher in Richtung Musik als etwa in die bildende Kunst. Wer sich nicht an einer der 24 staatlichen Musikhochschulen in Deutschland ausbilden lassen möchte, hat auch die Möglichkeit, einen der wenigen privaten Anbieter auszuwählen: Die 2009 gegründete Berlin School of Popular Arts wurde 2014 in die SRH Berlin University of Applied Sciences integriert. Neben zahlreichen anderen Fächern können an dieser privaten Hochschule Popularmusik, Audio Design und Musikproduktion studiert werden. Die Ausbildung dauert sieben Semester und schließt mit dem Bachelor of Musik (B. Mus.) ab. Zum Studium werden Bewerber mit Abitur oder Berufsausbildung plus Berufspraxis zugelassen. Eine weitere Zugangsvoraussetzung ist das Beherrschen eines Musikinstruments. Oder die Aspiranten verfügen über besondere Fähigkeiten als Sängerin oder Sänger. Man kann das Studium auch in englischer Sprache absolvieren, in dem Fall ist ein Sprachnachweis erforderlich. Die Bewerbung muss begleitet werden von einer kurzen Eigenkomposition oder der Interpretation eines Fremdwerks in Form einer hochgeladenen MP3-Datei. Die Studiengebühren für das komplette Studium betragen 32 000 Euro (750 Euro pro Monat plus Anmeldegebühr in Höhe von 500 Euro).

Neben der Berlin School of Popular Arts gibt es in Deutschland nur noch eine weitere private Hochschule, an der man Musik studieren kann: an der Barenboim-Said-Akademie, die sich ebenfalls in Berlin befindet. Sie steht aber nur Bewerbern aus den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens offen.

Wer Musiktherapeutin oder Musiktherapeut werden möchte, hat hierzulande verschiedene Möglichkeiten. Neben staatlich akkreditierten Hochschulstudiengängen, die mit einem Bachelor oder Master of Arts abschließen, gibt es Ausbildungen bei privaten Anbietern, aber nicht an einer privaten Musikhochschule. cde

Kunst mit Pädagogik oder Gesundheit zu verbinden, liegt im Trend

Wer das für andere tun möchte, kann sich an der Hochschule für Künste im Sozialen (HKS) in Ottersberg nahe Bremen in acht Semestern zum Bachelor in Kunsttherapie oder an der Sigmund-Freud-Universität (SFU) in Berlin in fünf Semestern zum Master in Kunsttherapie ausbilden lassen. Das Vollzeit-Bachelorstudium in Ottersberg richtet sich an kunstinteressierte Abiturienten - der Bewerbung muss eine Mappe mit eigenen Arbeiten beigefügt werden -, beginnt mit einer grundständigen künstlerischen Ausbildung und kostet 365 Euro im Monat. Das Masterstudium in Berlin ist berufsbegleitend, kostet monatlich 450 Euro und ist gedacht für Sozialarbeiter, Pädagogen, Pflegekräfte sowie Künstler und Künstlerinnen, die erkrankte Menschen mittels Kunst gesunden lassen wollen.

SFU-Studiengangsleiter Georg Franzen, promovierter Kunstpsychologe, erklärt die Wirkungsweise der Kunsttherapie: "Wir können uns auch anders ausdrücken als durch Sprache. In Heilverfahren wie der Traumatherapie oder bei medizinischen Rehabilitations-Maßnahmen ist das längst anerkannt." Künstlerische Therapeuten beraten Patienten bei der Wahl der Ausdrucksmittel und helfen ihnen, damit etwas von sich preiszugeben, was sie womöglich seit Langem belastet. In kleinen Gruppen lernen die Studierenden die Theorie und die klinisch-rehabilitative Praxis kennen. Zu den Studienvoraussetzungen gehören das Abitur oder eine Studienberechtigungsprüfung und berufliche Vorbildung und eine künstlerische Einstellung sowie, darauf legt Franzen großen Wert, "die Begeisterung, Menschen für die Sprache der Kunst aufschließen zu können". Der ideale Studierende bringe künstlerische Erfahrung oder eigenes Erleben dieses hilfreichen Prozesses mit. Die Jobchancen in Krankenhäusern und Reha-Kliniken seien gut. "Dieser Beruf ist aber nichts für Karrieristen", warnt Franzen. "Man muss sich mit sich selbst auseinandersetzen." Ein gefestigtes Ich ist jedem künstlerisch tätigen Menschen zu wünschen.

Banksy dürfte es haben - und dazu viel Talent in Sachen Selbstvermarktung: Als der Hammer des Auktionators niedergegangen war, ließ er sein soeben verkauftes Kunstwerk schreddern.

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