Heiner Geißler:Aus echter Überzeugung

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Leserinnen und Leser trauern um den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler.

Heiner Geißler starb im Alter von 87 Jahren. (Foto: Marijan Murat/dpa)

"Begnadeter Querkopf" und "Kohl hatte Angst vor mir. Unbegründet" sowie "Das Unbehagen an Angela Merkel" vom 13. September:

"Heute ist ja mehr Harmonie", fand Heiner Geißler in seinem letzten Interview, auf seine politische Streitlust angesprochen. "Damals ging es einfach ruppiger zu." Das sei gegen seine Natur gewesen, aber so waren die Zeiten halt. Später wurde er dann eingeladen, die Bücher einst heftig bekämpfter Gegner vorzustellen, und trat als Streitschlichter auf. War das der Anfang der apolitischen Harmonie, einer "nationalen Konsenskultur, die die konformistische Hinnahme auch erstaunlichster Behauptungen kollektiv obligatorisch macht" (Norbert Bolz), war es der Beginn des angeblichen Parteienkartells? Markus Linden schließt sich dieser Kritik in der "Außenansicht" an und erkennt im Populismus eine "Folge der Konsenspolitik und der mangelnden Zurechenbarkeit" in der gegenwärtigen Politik.

Wer die Geschichte der Bundesrepublik ein bisschen kennt, reibt sich da die Augen. Galt nicht einmal das "Parteiengezänk" als schädlich für die Demokratie? Haben nicht Umfragen immer wieder zu Tage gefördert, dass der Wähler nichts so hasst wie Streit und Uneinigkeit in der Politik? Hat man nicht die Uneinigkeit der Demokraten für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich gemacht? Und nun soll es umgekehrt sein?

Heiner Geißler ist keinem Streit aus dem Wege gegangen und hat dabei oft Empörung beim politischen Gegner und bei seinen Parteifreunden ausgelöst. Er tat es um seiner Überzeugung willen, vor allem, wenn es um Menschenrechte und soziale Fragen ging. Dafür hat er sich am Ende allgemeine Achtung erworben. Er befand sich dabei im Konsens über alle Parteien hinweg. Hat er damit der Demokratie geschadet? Vielleicht sollte man einfach akzeptieren, dass es in Fragen der Europa- und Flüchtlingspolitik einen sachlich und ethisch begründeten Parteienkonsens gibt, der nichts mit "Kartell" zu tun hat. Wer dieses Wort in den Mund nimmt, spricht die Sprache der Demokratieverächter. Dr. Andreas Kalckhoff, Stuttgart

Leicht links von der Mitte

"Jeder intelligente Katholik ist im Inneren auch immer ein Protestant", davon war Heiner Geißler überzeugt. Genauso wie von der Notwendigkeit, dass in die Gestaltung einer gerechten Politik die humane und soziale Dimension des Evangeliums mit einfließen muss. So lässt nicht zuletzt Geißlers eigene politische Verortung vermuten, die bestmögliche Politik sei allenthalben von leicht links der Mitte umzusetzen. Matthias Bartsch, Lichtenau-Herbram

Kindliches Gottesbild

Heiner Geißler war wirklich ein kluger und oft querdenkender Kopf. Wenn er doch nur, wie es sein Wunsch war, das Gespräch mit den Theologieprofessoren gesucht hätte! Dann wäre er nicht bei seinem kindlichen Gottesbild geblieben, das kaum ein Theologe vertreten wird, weder katholisch noch evangelisch. Und dann hätte er auch gelernt, dass nicht Luther der "Erfinder" der Erbsündenlehre war, sondern Augustinus. Claudia Hülsenbeck, Bielefeld

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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