Heimkinder:Vertuscht und vereitelt

Ein Leser nennt die Ankündung, dass der Fonds für Heimkinder aufgestockt wird, eine reine Gewissensberuhigung. Dabei werde weiter vertuscht und Betroffenen die Antragstellung unmöglich gemacht.

Zum Artikel "Erziehung mit Spätfolgen" über die Aufstockung des Fonds für Heimkinder (8. Juli):

Wenn sich von den 800 000 Heimkindern bis Ende 2014 nur 20 000 gemeldet haben, hat dies viele Ursachen: Scham und Unwissenheit - aber auch Vertuschung durch die verantwortlichen Beteiligten in Verbindung mit der seltsamen Regelung, die Meldungen an den Fonds mit einer absoluten Ausschlussfrist zum 31. Dezember 2014 zu terminieren. Es zeigt sich wieder die Doppelmoral der Verantwortlichen, wenn die Guttat der Aufstockung der Mittel hinausposaunt wird, aber gleichzeitig jede Neuanmeldung nach dem 31. Dezember 2014 kategorisch ausgeschlossen bleibt.

Ich habe einen Fall im engen familiären Kreis, bei dem erst im Mai 2015 (und damit nach Ablauf der Meldefrist) eindeutig klar war, dass die Person als Kleinkind drei Jahre in einem Heim mit schlechtem Ruf untergebracht war. Wenn man als Anhaltspunkt nur weiß, dass jemand mal in einem Heim war, so wird es einem (immer noch) schwer gemacht, nähere Informationen zu bekommen. Die verantwortlichen Zuständigen schweigen, Unterlagen sind angeblich nicht mehr auffindbar oder wurden inzwischen (vorsorglich) vernichtet. Hier haben einige Städte und Kommunen als Träger, aber auch viele soziale und kirchliche Einrichtungen noch einige Leichen im Keller, die keiner mehr ausgraben soll und darf. Es wird vertuscht, gelogen und verharmlost. Eine Recherche ist schon sehr schwierig, ein Beweis fast unmöglich.

Die Aufstockung des Fonds ist eine Gewissensberuhigung für die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit. Die Realität für die Betroffenen sieht ganz anders aus.

Offene Aufarbeitung ist erst dann gegeben, wenn die Betroffenen offen bei ihrer Recherche unterstützt werden und es kein Ausschlussdatum für einen Antrag gibt.

Nachfolgend ein Auszug aus der Internetseite www.fonds-heimerziehung.de, die sich an die Betroffenen richtet: "Bis zum 31. Dezember 2014 konnten betroffene ehemalige Heimkinder ihre Ansprüche bei ihrer zuständigen Anlauf- und Beratungsstelle anmelden. Registrierte Betroffene können noch innerhalb der Fondslaufzeit (bis 31. Dezember 2016) Beratungsleistungen in Anspruch nehmen und Vereinbarungen über Fondsleistungen abschließen ... Neuanmeldungen können nicht mehr entgegengenommen werden."

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

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