Hausbau und Archäologie:Bitte bloß keinen Schatz finden

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In der Erde unter Ladenburg finden sich Siedlungsüberreste, die fast zwei Jahrtausende zurückreichen. Wer hier baut, macht mit Bagger und Schaufel häufig einen archäologischen Fund - der den Zeitplan für ein Bauprojekt deutlich verzögern kann. (Foto: Norbert Neetz/imago)

Tempel, Theater, Thermen: In einer jahrhundertealten Stadt wie Ladenburg zu wohnen, hat Charme. Doch dort zu bauen, birgt Risiken. Was passiert, wenn die eigene Baustelle zum archäologischen Fundort wird.

Von Jochen Bettzieche

Spätestens in der Grundschule lernen die Ladenburger das Jahr 98 nach Christus kennen. Denn in diesem Jahr machte der damalige römische Kaiser Trajan die Siedlung Lopodunum zum urbanen Zentrum der "Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium", einer römischen Verwaltungszone, die im heutigen Rhein-Neckar-Kreis liegt. Aus dieser frühen Siedlung der Römer hat sich im Lauf der Jahrhunderte Ladenburg entwickelt. Die 12 000-Einwohner-Stadt am Neckar, auf halbem Weg zwischen Heidelberg und Mannheim, begründet jedenfalls darauf den Anspruch, seit dem Jahr 98 eine Stadt zu sein. Sie ist damit die nach eigenen Angaben älteste deutsche Stadt rechts des Rheins. In so einer historischen Gegend zu wohnen, hat seinen Charme. Dort oder auch nur in der nahen Umgebung zu bauen, birgt jedoch auch Risiken, die man kennen sollte.

Denn die Gemäuer der einst stattlichen Marktbasilika sind genauso wie die römischen Tempel, Theater und Thermen längst unter der Erde verschwunden. Immer wieder stoßen Arbeiter in Baugruben auf historische Funde. Dann sind die Archäologen an der Reihe und die Baustelle muss warten. Für die Wissenschaft sind solche Funde wahre Schätze, für Bauherren sind Verzögerungen aber vor allem eines: sehr teuer. Wer in Regionen wie Ladenburg baut, muss daher einiges beachten.

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Geschickte Planer integrieren archäologische Funde in den Bau

Ladenburgs Altstadt ist eine große denkmalgeschützte Anlage. Dicht an dicht stehen hier sanierte Fachwerkhäuser und andere historische Bauten. Auf die Römer folgten Merowinger und errichteten einen Königshof, dann folgten die Karolinger. Bereits vor der ersten Jahrtausendwende entstand die erste Stadtmauer. Altstadt und Südstadt sind zudem Grabungsschutzgebiet. Wer hier bauen will, benötigt nicht nur die Zustimmung des Bauamts, sondern auch die der Denkmalpfleger, erklärt Götz Speyerer, Leiter der Abteilung für Denkmalpflege und Bauunterhaltung bei der Stadt: "Rund zehn Prozent der Bauvorhaben sind während des Genehmigungsverfahrens betroffen." Vorsicht: Auch Hausbesitzer, die ihren Garten neu anlegen wollen, müssen das vorab melden.

Das Thema werde häufig unterschätzt, weiß Holger Freitag, Vertrauensanwalt beim Verband Privater Bauherren in Berlin. Grund sei die weite Definition von Bodendenkmälern in den Landesdenkmalschutzgesetzen. "Saurier, Siedlungsreste, aufgelassene Bergwerke und noch manches andere fällt darunter - und wird oft erst entdeckt, wenn man tiefer als die Pflugschar in den Boden gerät", sagt Freitag.

In der Erde unter Ladenburg finden sich Siedlungsüberreste, die bis ins erste Jahrhundert nach Christus zurückreichen. Das Foto zeigt die Gemäuer eines Gebäudes aus römischer Zeit, das auf dem Schulhof der örtlichen Dalberg-Grundschule freigelegt wurde. (Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart)

Ist bereits bekannt, dass im Boden Denkmäler stecken, muss die Denkmalschutzbehörde bereits vor Baubeginn zustimmen. "Das betrifft auch Maßnahmen in der Umgebung, wenn sie sich nachteilig auf das Bodendenkmal auswirken können", warnt Freitag. Unter Umständen müssen Bauherren ihre Pläne anpassen.

Geschickte Planer integrieren Funde in neue Gebäude. So parken Autofahrer in der Tiefgarage des Ladenburger Rathauses zum Teil vor und neben Überresten der mittelalterlichen Stadtmauer aus rotem Sandstein. Beim Bau der Anlage wurden diese archäologischen Entdeckungen vor Ort in die Planung neu eingefügt. "Die lange Historie und die Funde sind ja auch Pfründe, mit denen die Stadt wuchert", sagt Speyerer.

Die Kosten für archäologische Grabungen trägt der Bauherr: "Es gilt das Verursacherprinzip."

Als sich die Stadt in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Richtung Süden und Osten ausdehnte, mussten die Arbeiter immer wieder Zwangspausen einlegen. Studententrupps aus dem nahegelegenen Heidelberg rückten an und legten Funde frei, auf die Bagger oder Handschaufel gestoßen waren. Heute übernehmen diese Arbeit spezialisierte Firmen. Die Kosten trägt der Bauherr. "Es gilt das Verursacherprinzip", erläutert Speyerer. Ein Beispiel: 2020 hat die Stadt die Kirchenstraße in der Altstadt saniert und Wasser- und Gasleitungen erneuert. 1,2 Millionen Euro kostete das Projekt. "Davon waren 170 000 für die Archäologie", erinnert sich Speyerer.

Manche Bauherren versuchen daher, die Risiken zu reduzieren: Sie verzichten auf einen Keller und beginnen ebenerdig mit einer Bodenplatte aus Beton. Dann müssen sie nicht so tief in den Boden rein. "Grundsätzlich ist der Verzicht auf eine Unterkellerung und die Überdeckung mit einer Fundamentplatte ein geeignetes Mittel, um denkmalzerstörende Bodeneingriffe zu minimieren", sagt Jörg Bofinger, Leiter des Referats Operative Archäologie am Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart. Selbst wenn im Bereich der Fundamente historische Gegenstände ans Tageslicht kommen sollten, wird die Bergung nicht so teuer wie bei einer tiefen Grabung. Der große Nachteil: Wichtige Kulturgüter verschwinden vielleicht für Jahrhunderte unter Beton.

Ein Baustopp kann Monate andauern, wenn Grabbeigaben ausgegraben, sortiert und katalogisiert werden müssen

Die Stadt Ladenburg selbst bemüht sich, alte Gebäudestrukturen sichtbar zu machen. An mehreren Stellen im Stadtkern hat sie archäologische Fenster eingerichtet. Dort sehen Besucher römische, merowingische und mittelalterliche Strukturen. Rote Pflastersteine markieren die Umrisse der ehemaligen Marktbasilika, die Kopie einer Jupitergigantensäule, die beim Bau der Südstadt entdeckt wurde, steht vor dem Lobdengau-Museum.

Eine Stadt mit fast 2000 Jahren Geschichte: Im Jahr 98 erhob der römische Kaiser Trajan die Siedlung Lopodunum, heute Ladenburg, zum urbanen Zentrum der Region. Heute sind die Gemäuer römischer Tempel, Theater und Thermen längst unter der Erde verschwunden und nur in Teilen freigelegt. (Foto: U. J. Alexander/imago)

Für Bauherren bedeuten solche Funde aber nicht nur Kosten, sondern auch einen Baustopp. "Wer Pech hat, stößt erst beim Aushub der Baugrube auf ein bislang unerkanntes Bodendenkmal", sagt Freitag. Dieses müsse man sofort der Denkmalschutzbehörde melden. Die Behörde entscheidet dann, wie es weitergeht. Das passiert nicht nur bei großen Bauprojekten. "Ein vorübergehender Baustopp kommt relativ häufig vor, auch bei Hausanschlüssen", sagt Speyerer.

Für Bauherren sind Verzögerungen ärgerlich, denn sie gehen ins Geld und verschieben den Zeitplan. Schlimmstenfalls springen Handwerker ab, weil sie andere Verpflichtungen haben. Daher sollten Planer bei Vorhaben in Gegenden, in denen archäologische Funde wahrscheinlich sind, einen Puffer einberechnen.

Im allgemeinen seien die Verzögerungen zwar gering, beruhigt Speyerer, "stößt man aber auf Gräber, kann es schon mal länger dauern". So geschehen beim Anbau an die örtliche Merian-Realschule. Die liegt mitten im Grabungsschutzgebiet. Vier Wochen waren für archäologische Untersuchungen vorgesehen. Dann stießen Arbeiter auf ein Gräberfeld aus der Zeit der Karolinger. Rund 70 Bestattete mit Grabbeigaben mussten ausgegraben, sortiert und katalogisiert werden, erinnert sich Speyerer: "Da sind aus vier Wochen dann vier Monate geworden."

Bauherren sollten einen Stopp jedoch hinnehmen und archäologische Funde zügig melden. "Beide Augen verschließen und einfach weitermachen, ist keine Option", warnt Jurist Freitag. Es drohen hohe Bußgelder, abhängig vom jeweiligen Bundesland. Das Denkmalschutzgesetz Baden-Württembergs sieht in einem solchen Fall eine Geldbuße von bis zu 250 000 Euro, in besonders schweren Fällen von bis zu 500 000 Euro vor. Es kann dabei zudem auch ein Verstoß gegen die Landesbauordnung vorliegen. Dafür beträgt die höchste Strafe 100 000 Euro. Was gilt, entscheidet die zuständige Behörde.

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Und: Auf keinen Fall sollten Bauherren bei einem möglichen Fund selbst weitergraben und die Fundstücke beiseiteschaffen. "Fundunterschlagung zu Lasten des jeweiligen Bundeslandes", nennt das Freitag, und das ist ebenfalls strafbar. Wem die geborgenen Gegenstände am Ende gehören, hängt vom Bundesland ab. In Baden-Württemberg gehen sie in den Besitz des Landes über, in Bayern hingegen teilen sie sich Finder und Grundstückseigentümer.

Gerade entsteht im geschichtsträchtigen Städtchen Ladenburg wieder einmal neuer Wohnraum auf einer archäologischen Verdachtsfläche. Im Neubaugebiet Nordstadt sollen rund 1500 Menschen ein Zuhause finden. Baustopp droht den Bauherren bei diesem Projekt jedoch keiner mehr: Vor Beginn der Erschließung haben Archäologen das Gelände untersucht und Funde sichergestellt. Von Siedlungsabfällen aus dem frühen ersten Jahrtausend vor Christus bis hin zu Gräbern aus dem 18. Jahrhundert. Nur eins fanden sie dabei nicht: die ursprünglich erwarteten Gemäuer von Tempeln, Thermen und Theatern aus römischer Zeit.

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