Hass:Schmerzgrenze tiefer setzen

Derbe Beschimpfungen und Hassreden, auch im Netz, sollen auch öffentliche Personen nicht erdulden müssen. Die Justiz soll hier ruhig schärfer gegen die Übeltäter vorgehen, finden zwei Leserschreiber.

Zu "Lernen, wo die rote Linie ist" vom 23. Januar und "Nagel im Reifen, Kot auf dem Auto" vom 11./12. Januar:

Die Berliner Richter haben leider nicht erkannt, dass die "Roten Linien" viel enger zu ziehen sind. Es ist ein Unding, dass ein Politiker oder andere öffentliche Persönlichkeiten mit Beleidigungen bezeichnet werden können, die zu schreiben sich meine Tastatur weigert. Der moralische Kompass ist auch bei diesem bildungsnahen Personenkreis verloren gegangen und hat einer Erosion dessen, "was anständig" ist, Platz gemacht. Da müssen wir uns nicht über sprachliche und ausgeübte Gewalt (in Halle) wundern - dem ist mit aller Kraft Einhalt zu gebieten. Diese Chance hat das Berliner Landgericht versäumt.

Benno Schröder, Ahrensburg

Der Bericht über die Erlebnisse der Bürgermeisterin im schwäbischen Kutzenhausen macht ratlos und zornig zugleich: Da wird eine zuletzt mit fast 70 Prozent der Stimmen wiedergewählte Bürgermeisterin anonym und andauernd in übelster Weise beleidigt, bedroht und sogar in lebensbedrohlicher Weise attackiert. Polizei und Staatsschutz ermitteln, und die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Das davon ausgehende Signal ist eindeutig und fatal: Hasser werden ermutigt weiterzumachen und darin bestärkt, die staatliche Schmerzgrenze gefahrlos auszutesten.

Die bislang leider schweigende Mehrheit der Bürger fühlt sich in ihrem Nichtstun bestätigt, weil die Staatsanwaltschaft die Vorfälle offensichtlich nicht so richtig schlimm findet und dem widerlichen Treiben ebenfalls tatenlos zusieht. Solange keine Papierflieger über den Zaun einer Bundesbehörde geworfen werden, fühlt sich der Rechtsstaat nicht gefordert. Die Bürgermeisterin und die Polizei bleiben als Störer der Bürgerruhe im Regen stehen.

Der bayerische Innenminister hat dann publikumswirksam ein schärferes Vorgehen gegen den Hass im Internet gefordert. Der von der SZ aufgegriffene Fall zeigt, dass der Hass die unsozialen Medien längst verlassen hat und sich bereits in der realen Welt handfest austobt. Herr Herrmann sollte sich besser mit seinem Kollegen Justizminister kurzschließen und die Staatsanwaltschaften an ihre Verpflichtung erinnern, keine rechtsfreien Räume in unserer Gesellschaft entstehen zu lassen. Die Vorgänge in Kutzenhausen sind leider kein Einzelfall, sondern ein bundesweit erkennbares Verhaltensmuster der Demokratiefeinde.

Peter Grötsch, Nürnberg

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: