Halle:Eine Stadt im Zwiespalt

Dass Politiker in Sachsen-Anhalt linke und recht Gewalt auch nach dem Attentat in einem Zug nennen, stößt einem Leser auf. Das Land müsse den Anstand wahren, warnt ein anderer.

Zu "Örtlich betäubt" vom 28. Oktober: Ein Artikel, der es in sich hat und dessen betrachtete Tatsachen mich schaudern lassen. Das Grundgesetz (GG) war und ist keine bloße Absichtserklärung, keine Handlungsempfehlung: Es ist das Regelwerk, nach dem das Miteinander in dieser Republik zu erfolgen hat! Wer inzwischen meint oder gar der Überzeugung ist, die Vorgaben des GG ignorieren, in der Folge sein davon abweichendes individuelles Regelwerk etablieren und diesem entsprechend vorgehen zu können - der muss konsequent, deutlich und sehr nachhaltig eines anderen belehrt werden. Geschieht dies nicht - und es ist erschütternd, dass es anscheinend inzwischen überhaupt gefordert werden muss -, dann verliert dieses Land in der Mitte Europas in gefährlicher Weise seinen Anstand. Ein seltsam veralteter Begriff, dessen Inhalt aber möglicherweise sogar den besonders "Eigenwilligen" in dieser Gesellschaft in Erinnerung geblieben ist.

Dr. Volker Dieselhorst, Wirscheid

Nach dem schrecklichen Geschehen in Halle führt der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, aus, dass auch dem Letzten klar geworden sein müsse, dass Deutschland ein Antisemitismus- und Rechtsextremismusproblem habe. An anderer Stelle vernehmen wir dann den Innenminister Holger Stahlknecht mit dem Satz: "Wir haben verstanden." Dies stellt Herr Stahlknecht dann aber sofort infrage, wenn er ausführt: "Der Rechtsterrorismus ist genauso gefährlich wie die RAF ..." Hier ist er wieder: der unglückselige Vergleich der Verbrechen von rechts mit Untaten von links. Wann und wie wird endlich das Axiom aufgebrochen, das die Geschichte der Bundesrepublik begleitet und wonach auf keinen Fall der Rechtsterrorismus schlimmer sein kann und darf als Untaten, die dem linken Spektrum zuzuordnen sind? Die Verharmlosung rechtsextremer Gewalt - vor allem durch Justiz und Polizei - gehört zu den dunkelsten und dauerhaftesten Kapiteln des "modernen" Deutschlands.

Dietrich Manstetten, Münster

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