Süddeutsche Zeitung

Grundrente:Wer soll das bezahlen ... ?

SZ-Leser haben Sympathie für die "Respektrente", wie sie die SPD genannt hat. Manche plädieren dafür, sie aus Steuergeldern zu bezahlen und nicht allein aus Beiträgen zur Sozialversicherung. Und: Sie stellen die Gerechtigkeitsfrage.

Zu "Risiko Rente" vom 21. Februar, "Koalition streitet über Grundrente" vom 13. Februar und "Wenn zu wenig zu viel wird" vom 9./10. Februar:

Nerviges Nachverhandeln

Nahezu neun Monate nach den zähen Koalitionsverhandlungen will sich nun auch ein zweiter Minister, Sozialminister Heil, profilieren, indem er abweichend vom Koalitionsvertrag bei der Grundrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten will. CDU/CSU sind natürlich zu Recht dagegen, da zum einen diese Bedürftigkeitsprüfung fest vereinbart war und zum anderen die Finanzierbarkeit nicht gegeben wäre. Wochen zuvor ging Gesundheitsminister Jens Spahn an die Öffentlichkeit mit der Absage an das Verbot des Arzneimittelversandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Auch diese Position war aus gutem Grund fest im Koalitionsvertrag verankert, Arzneimittel sind nun einmal eine besondere "Ware" und nicht mit Äpfeln und Birnen zu verwechseln.

Man fragt sich als Bürger und Wähler, wem kann man vertrauen? Die Kanzlerin Angela Merkel äußerte nach der Regierungsbildung "jetzt gehen wir zur Tagesordnung über, jetzt wird sachbezogen gearbeitet!" Da sollte man doch erst eine Ausbildung für Demokratie und Vertragswesen verlangen, ehe man einen Politiker zum Minister ernennt. Jetzt gehen also wieder Verhandlungen innerhalb der Regierung los und blockieren ein zügiges Vorankommen für den Staat. Haben die Minister nicht einen Amtseid abgelegt "... zum Wohle der Bundesrepublik Deutschland?"

Dr. Klaus Bayer, Nürnberg

Armutsrisiko selbstgemacht

Respektlos finde ich, die Renten auf maximal 48 (geplant 42) Prozent des durchschnittlichen Einkommens eines Arbeitslebens zur kürzen und dann über Altersarmut zu lamentieren. Ein anderes selbstgemachtes Armutsrisiko ist die Kürzung der Witwen- und Witwerrenten sobald der Freibetrag von derzeit 846 Euro überschritten wird. Respektlos finde ich Löhne, die nach Abzug der Sozialleistungen kaum höher sind als die Grundsicherung. Beispiel Vollzeitarbeit mit Mindestlohn oder Pflegehilfskraft: 1185 Euro netto. Davon erhalten sie dann nach 45 Jahren ca. 48 Prozent Rente! Respekt bedeutet für mich, die Arbeitsleistung sofort zu würdigen - nicht erst im Rentenalter ein bisschen nachkarten. Die in unserer Gesellschaft möglichen Mindestlöhne subventionieren die Unternehmen, die trotz Gewinne oft kaum Steuern zahlen. Sie schaden dem Einzelnen wie auch der Solidargemeinschaft. Der Vorschlag von Olaf Scholz, den Mindestlohn deutlich zu erhöhen, ist deutlich der bessere Weg, die Leistung der Arbeitenden zu respektieren und zu würdigen.

Monika Droeger, Falkensee

Grundrente aus Steuertopf

Es hat bis zum 22.6.1889 gedauert, bis in Deutschland eine Invaliditäts- und Altersversicherung geschaffen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es dann der damalige Bundeskanzler Herr Dr. Adenauer geschafft, die Rente so zu gestalten, dass auch die Arbeitnehmerschaft am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt wurde. Das war ein echter Akt der sozialen Marktwirtschaft. Leider hielt diese Regelung nur bis Ende 1989. Da begann der Abbau der Rente für die rentenversicherungspflichtigen Bürger*innen. 2001 war es dann so weit, dass die Rente nicht mehr zum Lebensunterhalt ausreicht. Es wurde dann die sogenannte Riesterrente als Zusatzrente eingeführt. Diese kann sich dem Vernehmen nach aber leider nicht jeder Beitragszahler leisten. Das verstehen unsere Bundesregierung und auch die vom Volk gewählten Abgeordneten, die letztendlich den Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung zustimmen müssen, als soziale Politik. Die jetzt so im Gespräch stehende Grundrente müsste ein Sozialstaat aus dem Steuertopf aufbringen und nicht aus den Beiträgen, die die Mitglieder der Rentenversicherung für ihre spätere Altersversorgung aufbringen.

Herbert Seisenberger, München

Von Neuseeland lernen

Warum nicht eine Respekt-Rente für alle. Die Neuseeländer machen es vor. Die neuseeländische Rente heißt "Superannuation" und ist eher eine Art Alters-Grundsicherung. Jeder Neuseeländer bekommt sie - egal ob selbständig oder angestellt, ob man gearbeitet hat oder nicht. Man erhält sie, wenn man über 65 Jahre alt ist und ein neuseeländischer Staatsbürger oder man einen "Permanent-Resident-Status" hat und - zum Zeitpunkt der Antragstellung in Neuseeland lebt und - mindestens zehn Jahre in Neuseeland gelebt hat. In dieser Zeit muss man steuerpflichtig gewesen sein. Das Erstaunlichste an der neuseeländischen Rente ist die Tatsache, dass man in Neuseeland keine Rentenversicherungsbeiträge bezahlen muss. Die Rente ist komplett aus Steuern finanziert und es wird einem kein Rentenbetrag vom Lohn abgezogen. Das ist eine echte Respekt-Rente - für alle die, die ihr Leben lang Steuern gezahlt haben und das Sozialsystem aufrechterhalten haben und für alle die, die Unterstützung im Alter brauchen. Respekt!

Isabel Heine, Nürnberg

Der Staat muss einstehen

Bei all den vielen Punkten, die angesprochen werden, um tatsächliche Gerechtigkeit und ein würdevolles Leben im Alter zu ermöglichen (oder zu verhindern), übersieht Autor Marc Beise zwei Dinge, und das ist schon überraschend angesichts der langjährigen Debatte zum Thema Rente: Erstens gibt es versicherungsfremde Leistungen im Rentensystem für diejenigen, die nicht oder wenig eingezahlt haben oder einzahlen konnten und heute zweifelsfrei einen Anspruch auf Rente haben, etwa DDR-Bürger oder Mütter. Für diese versicherungsfremden Leistungen muss der staatliche Haushalt einstehen und nicht das Rentensystem. Zweitens zum Thema Generationengerechtigkeit: Es werden nicht nur Schulden vererbt, sondern auch die entsprechenden Vermögenspositionen. Jedem Euro Staatsschuld entspricht ein Euro Gläubigerposition, beide Titel werden vererbt.

Ludger Elmer, Weichs

Versicherungsfremde Leistung

In dem Bericht wird darauf verwiesen, dass der Bund gut 90 Milliarden Euro zusätzlich in die Rentenkasse überwiesen hat, um Leistungen für Ruheständler zu finanzieren. In diesem Bericht wird nicht darüber gesprochen, dass der Bund damit versicherungsfremde Leistungen, die der Rentenkasse aufgebrummt wurden, finanziert. Im Jahr 2017 waren es gut 68 Milliarden Euro. Es müssten aber mehr sein, da die versicherungsfremden Leistungen mit etwa 34 Prozent die Rentenkassen belasten und der Bund nur 27 bis 28 Prozent dazugibt. In dem Bericht wird deutlich, wie einseitig und unvollständig Ihre Redaktion berichtet.

Helmut Basener, Essen

Alle sollen beitragen

Ist der Rentenreform-Vorschlag von Herrn Minister Heil wirklich der Heilsbringer? Löblich ist das Ziel: Rentner, die ihr Leben lang anständig gearbeitet haben, sollen eine angemessene Mindestrente, die über dem Hartz-IV-Satz liegt, ohne großen bürokratischen Aufwand beziehen. Das Kernthema wird aber aus Eigennutz oder Feigheit nicht angegangen: Alle, wirklich alle müssen in eine solidarische Rentenversicherung einzahlen: Beamte, Selbständige und gut verdienende Berufsgruppen wie Ärzte und Rechtsanwälte. Mit welchem Recht entziehen diese Personen sich der Renten-Solidargemeinschaft? Geraten diese Berufsgruppen in finanzielle Schwierigkeiten, so fordern sie doch auch Hilfen der Solidargemeinschaft.

Ein weiterer Beitrag ist die längst überfällige Reduzierung der wachsenden Zahl der Abgeordneten im Bundestag; das bedeutet überflüssige Kosten und Rentenbezüge. Das einzige, was stets zur Finanzierung der gesetzlichen Renten angeführt wird: Länger arbeiten, höhere Beiträge, niedrigere Renten. Unsere Politiker sollen die Zukunft des Rentensystems gestalten, auch wenn es unbequem ist ... allein mir fehlt der Glaube.

Michael Beer, München

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Quelle:
SZ vom 28.02.2019
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