Graf von Stauffenberg:Ein Held, an dem manche zweifeln 

Einige Leser sehen in dem Attentäter einen Menschen, dem aufgrund seiner mutigen Tat ein ehrenvolles Denkmal gebührt. Andere Leser können diesen Heldenstatus nicht nachvollziehen.

Claus Schenk Graf v. Stauffenberg

Graf von Stauffenberg machte unter Hitler Karriere, später plante er das Attentat auf den Führer.

(Foto: Bundesarchiv)

"Späte Ehre" vom 20./21. Juli und "Attentäter oder Tyrannenmörder?" vom 5. Juli:

Erst Täter, dann Opfer

Warum Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Widerstandshistorie eine so herausragende Rolle spielt, ist mir schleierhaft. Eine Differenzierung wäre angebracht: Der einfache Arbeiter Georg Elser hat schon 1939 das verbrecherische Naziregime erkannt. Auch die Mitglieder der Weißen Rose haben schon 1942/43 aus christlich-ethischen Gründen Widerstand geleistet. Stauffenberg hat in diesen Jahren in Hitlers Armee Karriere gemacht und es bis in die Wolfsschanze geschafft. Er war also zunächst Täter und dann Opfer. Mein Eindruck ist, dass er mit dem Attentat noch retten wollte, was zu retten war.

Dietmar A. Angerer, München

Ein Held ist er nicht

Der edle adlige deutsche Widerstand taugt nicht dazu, das deutsche Gewissen im Nachhinein zu beruhigen: Wenn jemand einer Verbrecherbande elf Jahre treu dient, dann aber zu begreifen beginnt, dass dieser Dienst möglicherweise zum eigenen Untergang führen könnte, und dieser jemand dann den Oberverbrecher zu töten versucht, so ist er eines nicht: ein Held.

Prof. Christian Bruhn, München

Ein Riese in seiner Zeit

Wer ist ein Held? Wir definieren einen Helden als einen Menschen, der sich mit außergewöhnlichem Mut und kompromissloser Tatkraft für etwas Gutes einsetzt und dabei sein Leben riskiert. Das trifft für Stauffenberg zu. Wir Durchschnittsmenschen zählen jedenfalls nicht zu den Helden und können froh sein, dass wir in einer postheroischen Zeit leben. Ein Held ist ein Riese in seiner Zeit.

Wir Zwerge sollten darauf verzichten, danach zu fragen, warum ein Mensch zum Helden geworden ist. Denn bei der Antwort legen wir Maßstäbe an, die uns nachvollziehbar erscheinen, indem wir versuchen, uns in die Rolle des Helden hineinzuversetzen. Die Motivsuche kann zwar den Charakter dessen erhellen, der Motive zu finden meint, nicht aber den Charakter und die Motive des Helden.

Dr. Hans-Joachim Schemel, München

Mit voller Kraft zurück

Wer sich damals in der grauenhaft verknäulten vermeintlich geschichtlichen Erfolgsgeschichte und der gleichzeitigen humanitären Amoralität trotz der Lebensgefahren für seine gesamte Familie mitten im Kriege zur Tat entschloss, steht außerhalb jeder kleinlichen Kritik. Das gilt umso mehr, wenn sich ihm vielleicht seine persönliche Einsicht erst später aufgedrängt hat. Gerade dann erforderte es Mut, als militärischer Mitwirkender auf "Volle Kraft zurück" umzuschalten. Graf von Stauffenberg bleibt daher ein hoffentlich über Jahrhunderte dauerndes Denkmal unserer guten Nationalgeschichte. Ob er eher ständisch oder weimarisch-demokratisch orientiert war, ist völlig unerheblich. Alle können moralisch versagen oder vortrefflich sein. Stauffenberg hat jedenfalls nicht versagt.Helmut Martell, Bonn

Das Attentat war unpopulär

Der Aufstand und das Attentat vom 20. Juli 1944 wurden in der Flakstellung, wo ich und andere Luftwaffenhelfer an 8,8-Kanonen hantierten, skeptisch bewertet. Mit Schulterzucken. Wir mutmaßten, was geschehen wäre, wenn das Attentat Hitler beseitigt hätte. Was planten die Widerständler, hätten sie Hitler getötet? Wir wissen es bis heute nicht.

Die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit zum NS-Regime hatte nach dem Verlust in Stalingrad abgenommen. Sie bröckelte mit dem verschärften Bombenkrieg und dem Näherrücken der Aliierten weiter. Doch die Loyalität der Mehrheit gegenüber Hitler blieb. Das Attentat war unpopulär. Hitler und das NS-Regime erfuhren sogar eine Aufwertung, als ihn die Bombe des Attentäters verfehlte. Für Kriegsgefangene, Deportierte und Insassen von Konzentrationslagern begannen besonders schlimme Monate. Historiker wie Hans-Ulrich Wehler vermuteten, dass nach einem gelungenen Tyrannenmord ein autoritärer Staat geblieben wäre, zumal die Widerstandsgruppen unterschiedliche Ziele anstrebten und eine breite Unterstützung im Volk fehlte. Der Widerstand sei daher nicht aus Empörung erfolgt, sondern sei ein Aufstand des Gewissens.

Dr. Kurt Neumann, Bad Harzburg

Fritz Bauer, ein Ausnahmejurist

Der jüdische Remigrant Fritz Bauer hat zu Recht als Initiator der Auschwitzprozesse schon viel Anerkennung erfahren. Was man nun über sein Engagement und sein Auftreten in dem geschilderten Prozess in Braunschweig lesen kann, unterstreicht nochmals die Bedeutung dieses Ausnahmejuristen und erhöht beträchtlich die ihm zustehende Wertschätzung. Mit seinen juristischen Argumenten hat er nicht nur die Standpunkte so mancher Rechtsgelehrter, die uns als Vorbild galten, über den Haufen geworfen. Er hat zudem mit untrüglichem Gespür und mit äußerst großem Geschick versucht, die grundsätzlich und durchaus kontrovers diskutierte Einstellung der Nachkriegsgesellschaft zu den Männern um Stauffenberg juristisch und moralisch zu klären. Ein Versuch, dem damals leider kein voller Erfolg beschieden war, aber dennoch die Gesellschaft in dieser wichtigen Frage aufgerüttelt und erheblich mit dazu beigetragen hat, dass heute alle Männer um Stauffenberg die angemessene Ehre erfahren.

Dr. Rainer Spanhel, Marktredwitz

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: