Süddeutsche Zeitung

Gleichberechtigung:Wahlkampf, Machtkampf, Vorurteile

Am Auftritt und der Kritik an der Grünen-Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock entfacht sich eine Debatte über den Umgang mit Frauen. Ist die Öffentlichkeit kritischer als bei Männern? Eine Analyse von SZ-Lesern.

Zu "Der Hass der Zeit" vom 11. Juni:

Vielen Dank für die Kolumne "Der Hass der Zeit", mit der Jagoda Marinić dem männlichen Politbetrieb den Spiegel vorhält. Eine Frau als Kanzlerin, ein Mädchen (wie Kohl damals Merkel bezeichnete) und dann noch grün. Da muss ja etwas unkorrekt vor sich gehen. Nach den Mauscheleien in Hamburg von Kanzlerkandidat Scholz fragt niemand mehr? Und Laschet? Hat bestimmt auch eine blütenweiße Weste (funktioniert ja gut im Kohlerevier).

Und dann eine Seite später die komplette Kehrtwendung ins Negative mit dieser unglaublich persönlich verletzenden Anzeige "Staatsreligionen" vom Gesamtmetallverband - natürlich wieder von Männer gekauft. Das ist unter der Gürtellinie.

Markus Rößle, Waiblingen

Menschen mögen das eine oder andere nicht, aber das heißt keinesfalls, dass man, wie in diesem Fall, die Kanzlerkandidatin Baerbock hasst, ebenso wenig andere Karrierefrauen oder andere Dinge "hasst". Kanzlerkandidatin Baerbock kann jedoch nicht erwarten, anders behandelt zu werden als zum Beispiel Herr Laschet. Das gerne mal benutzte "Mutti" für unsere Bundeskanzlerin Merkel ist definitiv keine "Erniedrigung", wie im Artikel steht, sondern ein nettes "Kompliment". Die Autorin macht unseres Erachtens die nicht nachvollziehbaren hasserfüllten Ansichten und Äußerungen einer Minderheit zu einer allgemeinen Meinung, was inakzeptabel ist.

Bärbel und Dieter Lehmann, Karlsfeld

Vielen Dank für diese klare Analyse der Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau. Auch ich habe mein Amt durch das übelste Mobbing verloren - und das ist jetzt über 20 Jahre her. Auch ich habe gewagt zu sagen, "ja, ich kann das", und das auch noch mehrmals. Auch ich habe mich für Zukunftsthemen engagiert, für Themen, die für Frauen eine Rolle spielen: Emanzipation, sozial-ökologischer Wandel, Steuergerechtigkeit, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Als Annalena Baerbock ihren Hut in den Ring geworfen hat, habe ich Schlimmes geahnt und Schlimmes befürchtet. Aber dass das alles so schnell gehen würde, hätte ich in meinen schlimmsten Träumen nicht geglaubt.

Für Frauen gibt es nach meiner Erfahrung keinen Unterschied zwischen Amt und Person, ob wir das wollen oder nicht. Die Übergriffe finden einfach statt. Und dann heißt es: "Stell dich nicht so an" und "Ihr Frauen seid halt für höhere Positionen nicht geeignet, wenn ihr das nicht aushalten könnt."

Ursula Schäfer, Berlin

Annalena Baerbock will dieser "alten Republik(?) eine junge Frau zumuten (...) eine Mutter von kleinen Kindern", schreibt Frau Marinić . Da es jedoch nicht um Frau Baerbocks politische Ideen gehen soll (um was dann, schließlich tritt sie als Kanzlerkandidatin an), sondern es soll um Frauenhass gehen, eigentlich auch um Inhalte, wie Zukunftsthemen. Worin unterscheiden sich jedoch diese Zukunftsthemen von denen, die auch Männer aufbringen?

Bleibt der Hinweis von Frau Marinic, "ihre Fehler und Versäumnisse werden für Schmierkampagnen genutzt". Jedoch muss ein Mensch kein Frauenhasser sein, um "Fehler und Versäumnisse" der Kandidatin in einen anderen politischen und moralischen Kontext einzuordnen, als es Frau Marinić tut.

Friedrich Bensch, Köln

Die Autorin macht es sich sehr einfach. Sie folgert aus der Kritik an Frau Baerbock, diese habe ihre Ursache im Hass auf Frauen. Ich versichere mit allem Nachdruck, dass ich Frauen aufgrund ihrer Lebensleistung, ihrer Rolle in Beruf und/oder Familie, als "Frau" schlechthin bewundere. Als Schulleiter mit circa 60 Kolleginnen und Kollegen war ich froh, möglichst viele Frauen zugewiesen zu bekommen, zum Beispiel weil in Konferenzen die Anwesenheit von Frauen für ein entspannteres Klima sorgte.

Wenn ich trotzdem dagegen bin, dass Frau Baerbock Kanzlerin wird, dann liegt das schlicht daran, dass sie öfters durch Unwissenheit oder Uninformiertheit auffiel. Frau Baerbock könnte ein (Umwelt-) Ministeramt, etwa in einer schwarz-grünen Koalition, übernehmen. Das kann sie. Bitte kommen Sie nicht mit dem Argument Merkel. Frau Merkel hat über Minister-Erfahrung gelernt, bevor sie Kanzlerin wurde und einen guten Job machte. Aber ich erschrecke vor dem Gedanken, Frau Baerbock als Widerpart von Putin oder Orbán zu erleben. Wenn sich Frau Baerbock die Spitze zutraut - okay. Es muss aber erlaubt sein, ihr das nicht zuzutrauen.

Dietmar Tank, Ingolstadt

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5331345
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.06.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.