Gewalt:Verachtung für das Böse

Angesichts von Terror und Amok lohne es, Hannah Arendt noch einmal zu lesen, schreibt ein Leser. Ihre Formel von der "Banalität des Bösen" helfe, die richtige Haltung gebenüber den Gewalttätern zu entwickeln: Verachtung nämlich.

Hannah Arendts griffige Formel von der Banalität des Bösen, Untertitel ihres Berichts über Eichmann in Jerusalem, hat eine eindrucksvolle Karriere des öffentlichen Missverständnisses hinter sich. In Zeiten terroristischer Bedrohung wird sie jetzt von Gerhard Matzig ("Krieg der Dinge" vom 4. August) auf Alltagsdinge wie Blumenkübel, Rucksäcke und Lastwagen bezogen, weil mit ihrer Hilfe Anschläge durchgeführt wurden. In dieser Version erscheint die Banalität des Bösen als Täuschung, als harmlose Tarnung eines abgründigen Vernichtungswillens, mit der Folge, dass die Angst diese Dinge mit einer destruktiven Aura auflädt und das Grauen in den Alltag einzieht wie bei Stephen King die Gespenster aus dem Abfluss.

Es empfiehlt sich, an Arendts ursprüngliche Intention zu erinnern. Sie wollte die Faszination des Bösen brechen, denn das Böse, so wild und unmenschlich es sich auch gebärdet, ist nach ihrer Meinung nie radikal, weil es keine tiefen Wurzeln hat, sondern flach und banal ist; weil es von Subjekten verübt wird, die letztlich nicht verstehen, was sie wirklich tun. Eichmann, von Arendt als einer der größten Verbrecher der Menschheit bezeichnet, erschien ihr als bloßer "Hanswurst", ohne Urteilsvermögen, im Prozess "ein Gespenst im Glaskasten", ein Mann mit großem Organisationstalent und unstillbarem Geltungsdrang, hemmungslos im Täuschen und Erpressen, aber unfähig, die Empfindungen anderer Menschen nachzuvollziehen. Die Lächerlichkeit nimmt dem Bösen das lähmende Grauen. Bei allem Mitgefühl mit den Opfern und aller Empörung über die willkürliche Ermordung Unschuldiger sollte man nicht übersehen, was für eine lächerliche Strategie darin besteht, durch punktuelle symbolische Attentate die westliche Welt erschüttern zu wollen, von welch erbärmlicher Feigheit jemand besessen sein muss, der sich auf wehrlose Opfer stürzt. Solche Gewalt verdient weder Panik noch Respekt, sondern blanke Verachtung. Roland Hammerstein, Mannheim

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