Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Volkskrankheit Rücken

Lesezeit: 2 min

Was bei Kreuzschmerzen hilft, ist nicht leicht zu beantworten. Viele haben leidvolle Erfahrungen mit Ärzten und Therapeuten gemachg, nicht nur SZ-Autor Titus Arnu.

"Kreuzweise" vom 16./17./18. April:

Eine Frage der Termine

Ich habe an mehreren Stellen herzhaft gelacht, weil ich so viele Erfahrungen teile. Ein Aspekt fehlte mir: Die Schwierigkeit, Termine bei Orthopäden, Physiotherapeuten oder für ein MRT zu bekommen. Zumindest für gesetzlich Versicherte ist es in Berlin so, dass sich die Behandlung über Wochen hinzieht, weil kaum Termine frei sind. Und wenn, dann liegen diese gerne mitten am Tag, sodass man einen toleranten Chef braucht. De facto bedeutet das, mit akuten Rückenproblemen weiterzuarbeiten, während man zwei Wochen auf das MRT wartet, dann zwei Wochen auf die Auswertung. Währenddessen hat man vielleicht vier Physio-Termine untergekriegt. Ich habe den Eindruck, dass eine engere Taktung viel effizienter wäre und Rückenbeschwerden viel schneller gelindert werden könnten.

Neben den tollen Ratschlägen von allen Seiten (mach mehr Sport, such dir einen Job mit weniger Bildschirmarbeit, du musst Stress abbauen) kommen dann noch die erstaunten Fragen, warum man nicht früher beim Arzt war, warum man nicht krankgeschrieben ist oder ob man nicht einen weiteren Orthopäden aufsuchen will. Der Text bildet wunderbar ab, was "ich hab Rücken" eigentlich bedeutet.

Jutta Wagemann, Berlin

Werbekampagne

Als selbständiger Physiotherapeut freue ich mich immer über Artikel, die sich mit therapeutischen Ansätzen bei chronischen Rückenschmerzen beschäftigen. Wenn allerdings ein Bericht zur Werbekampagne eines in meinen Augen fragwürdigen Therapeuten wie Liebscher & Bracht verkommt, bin ich empört. Roland Liebscher-Bracht hat das Rad nicht neu erfunden. Er verpackt Altbekanntes mit neuen Schlagwörtern und nutzt die neuen Medien, um seine Bücher gewinnbringend unters Volk zu bringen. Das alles steht ihm frei. Die SZ sollte ihm dabei nicht helfend zur Seite stehen.

Uwe Schulz, Rüsselsheim

Psychosomatische Dimension

Endlich ein differenzierter Artikel zum Thema Rücken. Die psychosomatische Kompetenz hat nämlich in der Praxis ein jämmerliches Niveau erreicht, wenn man das vielfältige psychosomatische Wissen betrachtet, das schon bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts gesammelt wurde (z. B. "Das obere Kreuz" von H. Stolze, 1953). Das betrifft vor allem Kliniken, wo die meisten Patienten von psychologisch ausgebildetem Personal behandelt werden, das vielleicht noch die soziale, aber kaum die somatische Dimension der Krankheiten mit ihren Wechselwirkungen kennt.

Die Einführung des Facharztes für Psychosomatische Medizin hat leider statt zu einer Aufwertung eher zu einer Marginalisierung der ganzheitlichen Kompetenz geführt. Ähnlich dürfte die praktische Abschaffung des Doppelfacharztes Neurologie und Psychiatrie gewirkt haben.

Wenn von Psyche oder Belastung die Rede ist, liegt dem Kreuzschmerz meistens ein unbewusstes Ohnmachtserleben zugrunde. Wir wollen etwas schaffen, wofür wir glauben, zuständig zu sein, ohne zu realisieren, dass der konkrete Handlungsrahmen uns die nötige Gestaltungsmacht verwehrt oder dass wir unsere Verantwortlichkeit überschätzen. Das kann den Chefarzt treffen, der trotz ökonomischer Zwänge eine optimale Medizin praktizieren will, oder die co-abhängige Partnerin, die gegen die Macht der Sucht keine Chance hat. Mit der therapeutischen Bearbeitung solcher Konfliktfelder zusammen mit Osteopathie oder Liebscher & Bracht erlebe ich nur zufriedene Patienten, und als Neurologe rate ich den Patienten mit Wurzelkompression dringlich zur Operation.

Dr. med. Peter M. Roth, Calden

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5587288
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.05.2022
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.