" Geist aus der Flasche", 14./15. Dezember:
Wir freuen uns sehr, dass die SZ sich des Themas Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) angenommen und die Alltagsbeeinträchtigung durch das Krankheitsbild anhand des Beispiels von Milla und ihrer Mutter so eindrücklich geschildert hat. Wir möchten Bezug nehmend auf das Zitat von Professor Spohr "Aber dafür gibt es in Deutschland keine Zentren, keine Kapazitäten ..." allerdings widersprechen: Es gibt Anlaufstellen und Zentren für Kinder und Jugendliche mit FASD und ihre Familien mit sehr guter fachlicher Expertise. Adressen können betroffene Familien auf der Website der Selbsthilfegruppe FASD Deutschlandfinden unter www.fasd-deutschland.de finden.
Wir möchten ebenfalls darauf hinweisen, dass durch die Entwicklung der S3-Leitlinie zur Diagnostik der Fetalen Alkoholspektrumstörungen 2016 die Grundlage für evidenzbasierte Diagnostik und darauf aufbauend einer adäquaten Versorgung der erkrankten Kinder und Jugendlichen geschaffen wurde. Zusätzlich existiert seit einem Jahr das Pilotprojekt "Deutsches FASD-Kompetenzzentrum Bayern".
Es stimmt also nicht, dass es "in Deutschland keine Zentren, keine Kapazitäten" gibt, allerdings sind auch wir der Meinung, dass von den Mitspielern im Gesundheits- und Sozialsystem sowie in der Politik noch viel zu wenig für Menschen mit FASD getan wird: Eine flächendeckende Ausstattung mit Anlaufstellen zur Diagnostik von Kindern und Jugendlichen fehlt - für Erwachsene gibt es sogar nur einige wenige Diagnostikstellen in ganz Deutschland. Viele Ärzte, Psychologen, Pädagogen und Therapeuten wissen zu wenig über die Erkrankung - daraus resultieren verzögerte oder falsche Diagnosen mit konsekutiv inadäquater Therapie und frustranen Krankheits- und Lebensverläufen der Patienten. Es fehlen zudem Koordinations- und Beratungszentren für die aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes FASD oft schwer belasteten Familien. Es bleibt noch viel zu tun für Menschen, die von FASD, der häufigsten bei Geburt bestehenden chronischen Erkrankung, betroffen sind.
PD Dr. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf, Kinderärztin, München
Zu " Das letzte Glas" vom 30. November / 1. Dezember: Während meiner Zeit als junger Funkstreifenbeamter hatte ich im Dienst das ganze Jahr über bei Einsätzen genügend unschöne, eskalierende oder entlarvende Situationen mit prahlerischen, unbeherrschten, weinerlich bis aggressiven Menschen beiderlei Geschlechts erlebt, die die Vision von der schöneren Welt durch Alkohol als Trugbild entlarvten. Zahlreiche Beispiele dafür bieten auch Literatur und Theater. Ob Billigfusel unter Brücken oder Edelbrände und Magnumflaschen, alle Schichten der Gesellschaft sind vertreten. Von tragischen Folgen bei Verkehrsunfällen oder Familiendramen noch gar nicht geredet. Wie bei Sisyphos ist die Arbeit dagegen eine nie endende Auseinandersetzung, weil stetig neue Abhängige nachwachsen - und eine mächtige Alkohol-Lobby sich nicht das Geschäft verderben lassen will. Als Beispiel sei nur die Promillegrenze genannt: Wie lange hat es gedauert, bis sie auf den gegenwärtigen Wert herabgesetzt wurde? Als Mitglied der Arbeitsgruppe "Alkohol am Arbeitsplatz" beim Polizeipräsidium München, die dort, wie bei vielen fortschrittlichen Behörden und Betrieben, in Zusammenarbeit mit Betriebs- und Personalräten eingerichtet worden war, bekam ich Einblick und bin dankbar dafür.
Werner Brandl, München