Süddeutsche Zeitung

Gerhard Schröder:Gas, Geld und die große Politik

Die Worte des Altbundeskanzlers und seine für ihn lukrative Nähe zu Russland empören viele SZ-Leser. Kritisch wird auch die Rolle der SPD gesehen.

Zu "Unangenehm und geschmacklos" vom 7. Februar, zu "Gerhard Schröder - im Profil" vom 9. Februar, zu "Sachwalter des Kreml" und zu "Eine Frage der Linie" vom 31. Januar, sowie zu "Beziehungsstatus ungeklärt" vom 28. Januar:

SPD bloßgestellt

Ein Parteiausschlussverfahren gegen Gerhard Schröder wäre längst überfällig. Wer sich vor allem in der Ukrainekrise so eindeutig auf die Seite des Despoten Wladimir Putin schlägt und mit dessen Duktus Ukraine, USA, EU und Nato verunglimpft und nicht zuletzt dabei die SPD bloßstellt, hat die demokratische Plattform längst hinter sich gelassen.

Heinrich Schwab, Stockdorf

Rent-a-Kanzler

Es gibt ein neues Geschäftsmodell: Rent-a-Kanzler. Zur Verfügung steht ein schon älteres Modell mit eleganter Oberfläche: im exklusiven Outfit von Brioni gestylt, die Abgase ähneln den Dämpfen edler Cohiba-Zigarren aus Kuba. Er hat im Vorderbereich verstärkte Stoßfänger, die auch Rempler an Kanzleramtstoren verkraften. Das Innenleben ist zu besichtigen und eher schlicht bürgerlich gestaltet, manche beschreiben es sogar als lächerlich bis peinlich. Die Farbgebung ist dunkel und angeblich noch im Originalzustand. Andere Behauptungen werden als üble Nachrede verfolgt. Wegen schadhafter Kupplung wurde der Anhänger bereits fünf Mal ausgetauscht. Kann natürlich auch am zu schwachen Antrieb des Zugfahrzeugs liegen. Der Motor ist aus finanziellen Gründen auf Gasantrieb umgestellt worden. Trotz seines Alters ist das Modell für autonomes Fahren vorbereitet. Die ursprüngliche, fehleranfällige Demokratie-Steuerung wurde gelöscht und durch ein in Russland entwickeltes Programm ersetzt, das dem Besitzer autonomes Fahren garantiert. Die Gebühr ist allerdings nicht ganz billig: eine Million Euro beträgt die Jahresmiete. Dafür bekommt man aber auch die volle Kontrolle über das Modell.

Dr. Hans Jungk, München

Putins Pudel

Die größte außenpolitische Leistung der rot-grünen Bundesregierung bestand in einer Weigerung. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka "I-am-not-convinced" Fischer verweigerten 2003 dem amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush die Gefolgschaft bei dem Krieg der USA gegen den Irak.

Eine diametral andere Haltung nahm - neben der damaligen Oppositionsführerin Angela Merkel - der britische Premierminister Tony Blair ein. Blair unterstützte Bush bedingungslos und diente sich ihm als Waffenbruder beim Irakfeldzug an. Blairs Anbiederung war in Großbritannien höchst umstritten und hat seinem Ansehen massiv geschadet. Von seinen Landsleuten wurde Blair als Bushs Pudel verspottet.

Gerhard Schröder ist im Moment dabei, den gleichen Fehler wie Blair zu begehen und seinen Ruf als Elder Statesman endgültig zu verspielen. Falls Schröder an seiner vorbehaltlosen Unterstützung des Autokraten Putin weiterhin festhält, wird er als Putins Pudel in die Geschichtsbücher eingehen.

Roland Sommer, Diedorf

Seele verkauft

Allmählich ist es des Schlechten nun wirklich zu viel: Der Sozialdemokrat treibt ein garschändliches Spiel. Als Gas-Lobbyist in Putins Diensten macht er Feuer, doch die SPD kommen seine Einwürfe teuer zu stehen.

Dr. Jens Brökelschen, Schwerte

Schröders Rat war gut

Aus dem Kommentar "Sachwalter des Kreml" ist eine tiefe Abneigung gegen Gerhard Schröder erkennbar. Aber soll dessen Rat zu einer Deeskalation des Ukrainekonfliktes nur deshalb abgelehnt werden, weil Schröder es ist, der ihn ausspricht? Immerhin ist er nicht der Einzige, der zu Besonnenheit rät. In die gleiche Richtung wiesen die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu Verhandlungen mit Russland. Nicht ganz klar wird, ob der Kommentator auch diese ablehnt, etwa weil sie in Schröders Podcast vom 28. Januar mehrfach lobend erwähnt wurden. Sogar der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, forderte auf einer Pressekonferenz am 28. Januar, wenn er auch nicht wie Schröder von unnötigem "Säbelrasseln" sprach, dazu auf, nicht länger Panik zu schüren.

Ob Schröder die Beweggründe und Absichten Putins korrekt darstellt, mag man anzweifeln. Als Reaktion kommt jedenfalls allein eine diplomatische Lösung in Betracht.

Aksel Ritter, Koblenz

Alte Zöpfe abschneiden

Ob so genannte "Ehrenmänner", wie etwa Altkanzler Helmut Kohl, der aufgrund seiner politischen Ämter die Ehren- und Ahnengalerie der Union ziert, die Anerkennung, die ihm zuteil wird, tatsächlich verdient hat, mag jeder selber beurteilen. Dass er, wie andere Politiker jüngerer Vergangenheit, seine Finger in schmutzigen Angelegenheiten hatte, die meinem Verständnis von Demokratie, Verantwortung und Anstand diametral entgegenstehen und bis heute beschmutzen, ist hoffentlich nicht nur die Meinung weniger Menschen in diesem Land.

Dass aber nach all diesen Erkenntnissen Parteien es bis heute nicht schaffen, sich von Personen wie Gerhard Schröder zu trennen und meinen, dass seine Meinung und vermeintliche Einflussmöglichkeiten die "Welt retten" könnten, ist ein Desaster und lässt am Verantwortungsbewusstsein der Politiker zweifeln, die bereit sind, diesem Lobbyisten Gehör zu schenken. Alte Zöpfe gehören abgeschnitten und nicht für neue Perücken verwendet.

Oliver Schulze, Detmold

Bewerbung für Gazprom

Bei den wirren Einlassungen von Gerhard Schröder zum Ukrainekonflikt handelte es sich wohl mehr um eine Bewerbungsrede für einen Aufsichtsratssitz bei Gazprom als um ein politisches Statement an die Regierenden oder die deutsche Öffentlichkeit.

Frieder Scholz, Fischbachau

Teures Büro in Berlin

Herr Schröder, seines Zeichens früherer Bundeskanzler von Deutschland, hat noch ein Büro in Berlin und das kostet uns Steuerzahler im Jahr 407 000 Euro. Das ist doch ein Hohn. Gerhard Schröder ist der beste Freund vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und ist in Russland an verschiedenen Geschäften beteiligt, da kann er doch sein Büro in Berlin selbst bezahlen. Das kann doch nicht sein, dass wir Steuerzahler für so was noch aufkommen müssen.

Georg Bankl, Trostberg

Putin-Versteher

Gerhard Schröder hat vermutlich schon bedauert, Putin mal als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet zu haben. Trotzdem verdient Schröders Haltung zu Russland mehr Beachtung. Leider ist "Putin-Versteher" zu einem Schimpfwort geworden.

Wie mag sich Russland gefühlt haben, als sich - trotz anderslautender Zusagen von Ex-Kanzler Helmut Kohl und dem damaligen amerikanischen Außenminister im Zuge der deutschen Wiedervereinigung - die Nato bis an Russlands Grenzen ausdehnte? Noch dazu, als zwar alle Truppen des Warschauer Paktes aus den unabhängig gewordenen Staaten abgezogen wurden, auf Betreiben Amerikas diesen Staaten aber schon bald die Nato-Mitgliedschaft angetragen wurde. Nach Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes hätte die Gelegenheit bestanden, Russlands Sicherheitsinteressen durch einen Ring militärbündnisloser Staaten an seinen Grenzen entgegenzukommen, ohne Schaden für Westeuropa. Zeitfenster und Stimmung waren da, um eine echte Entspannungs- und Freundschaftspolitik mit Russland einzuleiten.

Die Ukrainekrise hätte es so möglicherweise nie gegeben. Wir sollten nicht vergessen, dass Russland der territoriale Nachbar der europäischen Staaten ist. Mit seinem Nachbarn sollte man sich gut verstehen und aufhören, die Sanktionskeule zu schwingen, die Russland wenig beeindruckt und uns schadet. Gute Beziehungen wären von großem beiderseitigem Nutzen und würden sowohl Westeuropa als auch Russland stärken.

Allerdings gibt es einen Mitspieler, der das nie zulassen wird: Amerika.

Margarita Karger, Aßling

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Quelle:
SZ vom 24.02.2022
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