Sprachlabor:Das/die Erkenntnis

Lesezeit: 1 Min.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Dazu: Dimensionen, und wie sie gesprengt werden.

Von Hermann Unterstöger

DAS RICHTIGE UND FALSCHE ist nicht immer so leicht zu trennen, wie Leser Sch. sich das vorstellt. Angeregt durch die Formulierung „eines der näherliegenden Erkenntnisse“ fragt er nach dem Genus der Substantive auf -nis. Die Lehre von der Wortbildung sagt, dass sich frühe Genusvarianten bis heute gehalten haben. Die meisten Bildungen seien auf das Neutrum festgelegt worden (Gelöbnis, Zerwürfnis, Zeugnis), als Feminina kenne man Wörter wie Düsternis oder Wildnis, und Abweichungen gibt es ebenfalls reichlich: die Bedürfnis (Lessing), das Finsternis (Gryphius). Was aber nun die Erkenntnis angeht, so halten sich die Belege für die sächliche und weibliche Variante die Waage. Bei Kant lässt sich das gut beobachten, da er dann und wann mitten im Satz von der einen in die andere Form wechselt: „Das Erkenntnis aus einer dieser Sphären wegnehmen, heißt, sie in eine der übrigen setzen …“ (Kritik der reinen Vernunft).

DIE LEBENSLANGE Freiheitsstrafe dauert nicht immer ein Leben lang, aber sie zieht sich, wie man so sagt. In Kenntnis dieses Umstands fragt Leser H. (1), was es heißt, wenn ein zu lebenslanger Haft Verurteilter bei vorzeitiger Entlassung „erst einen geringen Teil seiner Strafe abgesessen hat“. Es ist eine einigermaßen makabre Rechnung, die Herr H. da aufmacht, aber wenn besagter Mann nach drei Jahren rauskommt und bald darauf stirbt, hat er jedenfalls den größten Teil seiner lebenslangen Haft verbüßt.

ÜBER ADELES KONZERTE sagte Promoter Lieberberg: „Das sprengt alle Dimensionen.“ Leser H. (2) war befremdet. Er findet, Dimensionen sollten durch Adjektive wie „bisherig“ oder „bekannt“ spezifiziert und erst dann gesprengt werden. Nun sind uns Zitate ja heilig, noch dazu solche von Lieberberg, aber wenn man unter Dimensionen die Ausmaße einer Sache versteht, dann hat Adele wohl die Dimension überdimensionaler Konzerte gesprengt. Bei art hieß es einmal, ein Gemälde von James Rosenquist habe alle Dimensionen gesprengt. Es maß 2,44 x 5,35 Meter. Das ist nicht wenig, aber mit seinem „Paradies“ (7,65 x 24,51 Meter) hatte Tintoretto diese Dimension längst gesprengt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: