Gefahr von rechts:Bekämpfen oder diskutieren?

Eine Leserin findet, dass die Politik auf rechtsextreme Gewalt erst angemessen reagierte, als ein Prominenter, Regierungspräsident Lübcke, ermordet wurde. Ein anderer kritisiert die Unterscheidung zwischen Rechts- und Linksextremismus.

Zu "Rechtsdraußen" vom 27./28. Juli, "Stopp-Signale" vom 13./14. Juli, "Vor neuen Abgründen" vom 12. Juli und zu "Seehofer will Rechtsstaat mehr Biss geben" vom 24. Juni:

Alle Opfer gleich bemessen

Es ist schon interessant zu lesen und zu hören, wie die Politik plötzlich aufwacht, wenn einer der Ihren vermutlich aus rechtsextremer Gesinnung auf hinterhältige Weise ermordet wird. Als gäbe es nicht seit Jahrzehnten rechtsextreme Angriffe auf zugewanderte Mitbürger (siehe der NSU-Skandal), auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte, oder auch auf hilflose Obdachlose. Als würden nicht eben so lange hasserfüllte Reden gewisser Politiker bis hinauf in den Bundestag geduldet, als würden nicht übelste Drohmails und -anrufe an Politiker aller Ebenen, an Anwälte oder Journalisten mehr oder weniger schulterzuckend hingenommen.

Sind ein Obdachloser, der bei einem Brandanschlag stirbt, ein Afrikaner, der totgeschlagen wird, weil seine Hautfarbe dem oder den Tätern nicht gefällt, oder ganz einfach ein Mitbürger, der sich in der U-Bahn oder auf der Straße schützend vor einen Angegriffenen stellt und dann dafür selbst übel verprügelt wird, weniger wert als ein Regierungspräsident, der zufällig CDU-Mitglied ist? Ich bin gespannt wie der "Biss" aussehen wird, den der Bundesinnenminister demnächst dem Rechtsstaat geben wird.

Ute Heidbrink, Berlin

Ideen und Konzepte fehlen

Nach dem Mord an Herrn Lübcke wird wieder einmal dem Rechtsextremismus ganz entschieden der Kampf angesagt. Es klingt ganz logisch, jeder kann zustimmen. Umso mehr, als der Verfassungsschutz 24 100 Rechtsextremisten identifiziert hat, von denen er 12 700 für "gewaltorientiert" hält. Offen bleibt, wie dies genau festgestellt werden kann, aber es leuchtet doch unmittelbar ein. Offen bleibt auch, was eigentlich die AfD damit genau zu tun hat. Vollkommen offen bleibt darüber hinaus, wie nun der "Kampf" eigentlich genau aussehen soll (nun gut, Seehofer will "dem Rechtsstaat mehr Biss" geben, also vermutlich Polizei und Justiz unterstützen und ausbauen - immerhin ein Anfang).

Was aber fehlt, sind Ideen und Konzepte, wie unsere Gesellschaft wieder ein wenig offener und dialogbereiter werden kann. Wie können wir verhindern, dass immer mehr Menschen nach rechts rücken? Wie können wir verhindern, dass die 11 300 nicht gewaltorientierten Rechtsextremen laut Statistik nicht doch auch noch "gewaltorientiert" werden - und dass diejenigen, die es schon sind, tatsächlich auch gewalttätig werden?

Wie können wir mit den Politikern der AfD so umgehen, dass nicht immer mehr Menschen sich auf ihre Seite schlagen? Wie können wir mit unseren Mitmenschen, die bereits auf Seiten der AfD sind, so umgehen, dass sie vielleicht doch auch wieder umdenken können - auch ohne ihr Gesicht zu verlieren?

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Mir scheint die Haltung des Kampfes da wenig geeignet zu sein, auch wenn dies unserem emotionalen Empfinden am ehesten zu entsprechen scheint. Wenn wir eine weitere Spaltung in unserer Gesellschaft vermeiden oder sie gar geringer werden lassen wollen, sollten wir zum Dialog übergehen, miteinander sprechen. Ausgrenzung, Abwertung, Missachtung und Lächerlichmachen von politisch Andersdenkenden tragen nicht dazu bei, dass sie (oder auch wir) unsere Meinung ändern.

Nach den Anschlägen von Oslo und Utøya, bei denen 77 Menschen ermordet wurden, hat der damalige norwegische Ministerpräsident statt von "Kampf" davon gesprochen, dass man nicht garantieren könne, dass es keinen Terror mehr gebe: "Aber wir müssen tun, was wir können, um das zu vermeiden. Sowohl durch Sicherheitsmaßnahmen und durch das Schaffen einer guten Gemeinschaft wie auch durch positive Einstellungen."

Und: "Wir sind entrüstet über das, was uns getroffen hat, aber wir werden nie unsere Werte aufgeben. Unsere Antwort wird mehr Demokratie sein, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit. Aber nie Naivität." Ich würde mir wünschen, dass dies auch die Antwort in unserer Gesellschaft ist. Vielleicht ist es Zeit, neben einem besseren Schutz von Minderheiten und Politikern (haben wir gehört, dass die Hälfte aller Angriffe gegen Politiker sich gegen AfD-Vertreter richten? Und finden wir das weniger schlimm?) und einer gründlichen Verfolgung von Straftaten auch in einen Dialog zu treten, miteinander zu reden statt übereinander - in der Politik wie im Alltag, wenn wir mit Kollegen, Nachbarn oder in der Familie auf Menschen treffen, die Meinungen haben, die wir absolut nicht teilen: Trotzdem sollten wir miteinander ins Gespräch kommen. Auch wenn das nicht einfach wird, aber wir sollten es versuchen, wenn wir etwas ändern wollen.

Johannes Herwig-Lempp, Halle/Saale

Mit Bildung Menschen stärken

Die AfD, so schreiben Sie, Herr Prantl, ist auf dem Weg zur "Rechtsdraußenpartei". Sie analysieren diesen Weg und kommen zu dem Schluss: "Besser wäre es freilich, wenn es gelänge, eine gefährliche Potenzialität dieser AfD bei und mit den Wahlen zu verhindern." Sie haben recht! Aber: Ob AfD oder NPD - was passiert rechts innen? Wie kommen die rechten Gedanken in die Köpfe der Wähler? Und wenn sie erst drin sind, wie groß ist die Chance, dass sie dort wieder rauskommen? Meines Erachtens hilft kein Verbot der rechten Organisationen, das schweißt sie nur zusammen! Verbote bestätigen, das Denken bleibt!

Mit Bildung nachhaltig an die Wurzel des Übels zu gehen, scheint mir sinnvoller, als die Saat aufgehen und zu starken Pflanzen werden zu lassen, die schwer zu beschneiden sind. Eine Gärtneraufgabe nicht nur der politischen Parteien, sondern auch der Medien und der gesamten Zivilgesellschaft. Reinhard Kniepkamp, Paderborn

Vergleich mit Weimar

Heribert Prantl schildert anschaulich die Entwicklung der rechten AfD vom euroskeptischen Sammelbecken zur rechtsradikalen national-völkischen Gruppierung. Die Radikalisierung vollzog sich in atemberaubendem Tempo. Wer den deutschen Faschismus relativiert und verharmlost und politisch Andersdenkende bedroht, muss mit den Möglichkeiten des Rechtsstaates politisch ausgeschaltet werden.

Rechtsextreme Kleinstpartei ruft zu Demonstration auf

Anhänger von „Die Rechte“ vor einem Polizisten bei einer Demo in Kassel: Die Partei hatte nach dem Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke gegen eine mediale Vorverurteilung von Rechten wegen der Tat demonstriert.

(Foto: dpa)

Wir stehen in der Bundesrepublik an einem Punkt der Entwicklung, der mich manchmal an den Anfang des Endes der Weimarer Republik erinnert. Die AfD ist inzwischen die neue Nazi-Partei der Bundesrepublik geworden. Nichts ist jetzt wichtiger und muss in allen politischen Bereichen mehr Vorrang haben als der Kampf gegen die Feinde der Demokratie.

Wir sind nicht am Anfang, sondern mittendrin in einer Gesellschaft, in der Rechte wesentlichen Einfluss haben und Minderheiten Angst um Leib und Leben haben müssen.

Manfred Kirsch, Neuwied

Gegen rechts und links vorgehen

Ich finde die zunehmende einseitige Ausrichtung auf rechtsextreme Aktivisten besorgniserregend. Warum versuchen Sie, Herr Mascolo, "rechts" und "rechtsextrem" zu vermischen? Umgekehrt unterscheiden Sie strikt zwischen Linken und Linksextremisten! Völlig vergessen scheint der Terror der linken RAF, der selbst heute noch nicht annähernd aufgeklärt ist und deren Angehörige immer noch Straftaten begehen, teils noch nicht einmal namentlich bekannt sind. International geht die größte Aggression von der linken KP Chinas und ihrem Weltbeherrschungswahn aus. Sprechen Sie sich angesichts dieser Bedrohung für Sanktionen aus? Nein. Jeder, der auch nur Schulkenntnisse der Geschichte der Weimarer Republik hat, sollte wissen, dass sich eine Demokratie immer gegen jede Art von Extremismus verteidigen muss.

Prof. Dr. Heico-Rüdiger Krause, Gyhum

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