„Nachgeburt“ vom 22. Juni:
Meine umfassende Unwissenheit
Ich wusste, dass Schwangerschaften komplex sind und schwere Folgen haben. Nicht bewusst war mir meine umfassende Unwissenheit. Die fehlende Information überall (Schule, Uni, Medien, selbst Ärzte?) ist erschreckend und wirkt vernachlässigend.
Als junge Frau ist das Thema für mich nicht in unmittelbarer Nähe, aber zumindest etwas, womit man sich in nicht allzu weiter Zukunft befassen muss, und das würde ich wesentlich lieber gut informiert machen. Daher wollte ich mich bedanken: dafür, dass dem Thema eine Öffentlichkeit eingeräumt wird, dass so einfühlsam und wenig belehrend darüber berichtet wird und so ein wichtiger Schritt in Sachen Aufklärung geleistet wurde!
Leonie Brandl, Innsbruck (Österreich)
Schicksalsergeben funktionieren
Es liefen unaufhörlich Tränen, als ich das Dossier von Marie-Louise Timcke las. „Sie hat nie gejammert“: Solche Sätze brachte ein katholischer Geistlicher am Samstag bei einem Requiem für eine verstorbene 55-jährige Mutter von zwei Töchtern. Mich packte gleichzeitig Wut und Trauer. Bei Geburten soll eine Frau still und in ihr Schicksal ergeben funktionieren – und vor dem Krebstod auch.
Stellt sich Spannkraft von Bauch und Brüsten nicht zügig wieder ein, lockt die „Mommy Makeover“-Industrie. Wer profitiert, wer verdient? Alle zwei Minuten stirbt weltweit eine Frau oder ein Mädchen bei der Geburt. Wie viele lebensrettende und präventive Maßnahmen könnten mit den 6000 bis 11 000 Euro, die eine individuelle „Restauration“ von schlaffen Hautarealen verschlingt, Müttern langfristig helfen und ermächtigen? Auch hierzulande!
Ich danke der Autorin für ihre ausführlichen Recherchen und Teilen ihrer persönlichen Erlebnisse, für die wunderbaren Fotografien und für ihren Mut, erneut zu gebären. Es ist wünschenswert, dass Broschüren in den Geburtskliniken und Praxen die Realität in Wort und Bild zeigen, das schreckt nicht ab, das ist ehrlich und setzt die Hauptpersonen dieser Stationen nicht zusätzlich unter Druck.
Henriette Appel, Neuburg
Übertriebene Selbstbespiegelung
Zum wiederholten Mal greift die SZ Themen der Frauengesundheit auf, die einen sehr negativen Tenor haben. Ich bin sehr daran interessiert, auch einmal drei Seiten über Resilienz zu lesen. Als Anregung kann ich Ihnen den hervorragenden Comic „Alles gut?Alles gut“ von Marlene Assmann empfehlen. Sie bekam während ihrer Schwangerschaft die Diagnose Glioblastom, ein bösartiger Hirntumor. Wider Erwarten hat sie die Krankheit gemeistert und lebt glücklich mit Mann und inzwischen sechsjährigem Sohn.
Marie-Louise Timcke und anderen jungen Müttern kann ich nur raten, nicht zu tief in die Selbstbespiegelung einzutreten. Und sich stattdessen um Lebensfreude und Resilienz zu bemühen. Aus eigener Erfahrung und vielen Leidensgeschichten von Freundinnen kann ich sagen, dass das Leben noch schwerwiegendere Probleme bereithalten kann. Daneben verblasst jeder Schwangerschaftsstreifen.
Ethel Machnitzky-Baron, Röthenbach
Vorübergehende Fremdheit
Es treibt mich regelrecht dazu, diesem absurden Text „Nachgeburt“ zu widersprechen. Es gibt sicherlich berechtigte Gründe dafür, dass Frauen nach der Geburt eine schwierige Phase durchleben. Aber wenn es ein veränderter Körper ist, dann frage ich mich, wieso diese Frau überhaupt Kinder bekommen hat. Und sich nicht vorher über die Folgen informiert hat.
Alle Frauen, mit denen ich viele und lange Gespräche geführt habe, und auch meine Freundinnen und ich selber hatten nach unseren Schwangerschaften nach wenigen Monaten wieder eine normale Figur und keine körperlichen Einschränkungen. Wir konnten uns auf unsere Kinder und auf die damit verbundenen Probleme und auch Freuden konzentrieren.
Nina Janda, Düsseldorf
Entscheidend für den Kinderwunsch?
Es tut mir leid zu lesen, wie unglücklich die Autorin über ihren Postpartum-Körper ist, und als zweifache Mutter und Hebamme kann ich mich durchaus hineindenken. Nicht nachvollziehen kann ich ihre Anklage, warum frau nicht bereits vor der Schwangerschaft von all den potenziellen Veränderungen erfährt. Und dann? Aufklärung macht ja nur Sinn, wenn sie uns vor einem negativen Ereignis warnt und bewahrt. Eine Frau mit Kinderwunsch darüber aufzuklären, dass ihr Körper nach der Geburt in einen desolaten Zustand geraten könnte (Konjunktiv!), wäre nur sinnvoll, wenn sie die Entscheidung genau davon abhängig machen würde: Ja, ich möchte zwar Mutter werden, aber das Risiko, dass mein Körper sich unabwendbar negativ verändert, ist so hoch, dass ich hiermit auf eine Mutterschaft verzichte. Echt jetzt?
Hier also meine konkrete Frage an die Autorin: Nehmen wir an, Sie wären vor einer Schwangerschaft über die potenziellen körperlichen Veränderungen vollständig aufgeklärt worden. Was hätte das an Ihrer Entscheidung, Mutter werden zu wollen, geändert? Lautet die Antwort „Alles!“, dann müsste die Diskussion wohl an einem ganz anderen Punkt neu aufgerollt werden. Lautet die Antwort „Nichts!“, dann wäre auch hier mein Gedanke, die Diskussion zu verlagern. Geht es hier nicht um etwas ganz Anderes? Um Trauer, Selbstwertgefühl, Unsicherheit oder was auch immer für Emotionen uns Frauen beim Altern begleiten? Mir kommt eine mir bekannte 100-jährige Dame in den Sinn, deren Körper vor vielen Jahren einmal sehr schön war. Wie schafft sie es nur, dermaßen gleichmütig zu akzeptieren, dass ihre Brüste inzwischen nichts weiter sind als faltige Hautanhängsel, dass ihr Haarwuchs sich fast vollständig verabschiedet hat und dass ihre aufrechte Körperhaltung und stolzer Gang längst Geschichte sind? Ich glaube, sie schafft das nur deswegen so gut, weil sie die Dinge, die nicht hinterfragenswert (weil unabänderlich) sind, einfach nicht hinterfragt.
Susanne Stöhr, Burghaun
Toxisches Schönheitsideal
Als Mutter von drei Kindern und Doula schätze ich es, dass die SZ Raum schafft für (vermeintliche) Frauenthemen wie die Mutterrolle, Gewalt unter der Geburt oder den veränderten Körper. Herzlichen Dank an Frau Timcke für ihre ebenso fundierte wie einfühlsam geschriebene Reportage.
Im Text wird deutlich, dass der Druck, einer bestimmten Norm zu entsprechen, schon vor der Schwangerschaft besteht – es wird danach jedoch deutlich schwieriger, ihm gerecht zu werden. Somit wird die psychische Belastung, die durch ein toxisches Schönheitsideal immer schon latent besteht, auf einen Schlag sichtbar. Der permanente Vergleich, den die Autorin beschreibt, führt bei vielen Mädchen und Frauen zu einer Entfremdung vom eigenen Körper, die übrigens auch dem Geburtsprozess nicht förderlich ist.
Mutter zu werden ist eine tiefgreifende Transformation, welche die gesamte Person umfasst und eine entsprechende Herausforderung darstellt. Dass darauf die allermeisten Frauen tatsächlich nicht vorbereitet sind, ist ein strukturelles Problem einer patriarchal geprägten Gesellschaft, in der die Lebensrealität und die spezifischen Bedürfnisse von Frauen in vielerlei Hinsicht banalisiert und marginalisiert werden.
Lea-Sophia Lehrer, Weilheim
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