Game-Design-Studium:Spielerisch durch den Alltag steuern

Game-Design-Studium: Längst nicht alle Spiele werden so erfolgreich wie das Abenteuer- und Strategiespiel "Mario + Rabbids: Kingdom Battle". Auch deshalb verlassen Game-Designer die Spiele-Industrie und arbeiten zum Beispiel daran, dass sich Online-Portale optisch ansprechend und intuitiv bedienen lassen.

Längst nicht alle Spiele werden so erfolgreich wie das Abenteuer- und Strategiespiel "Mario + Rabbids: Kingdom Battle". Auch deshalb verlassen Game-Designer die Spiele-Industrie und arbeiten zum Beispiel daran, dass sich Online-Portale optisch ansprechend und intuitiv bedienen lassen.

(Foto: Frederic J. Brown/AFP)

An Absolventen von Game-Design-Studiengängen hat längst nicht mehr allein die Spiele-Industrie Interesse. Warum etwa Automobilhersteller oder Eventagenturen ihre Kompetenzen zunehmend schätzen.

Von Matthias Kreienbrink

Die Menschheit hat viel vor. Die Erschaffung eines Metaverse etwa, in dem das Leben virtuell werden soll, und in dem sich die Probleme der Menschen im Digitalen auflösen sollen. Dazu gehört auch die Vorstellung, mithilfe künstlicher Intelligenz die Klimakatastrophe zu verhindern. In der Realität aber klappt es schon bei kleinen alltäglichen Anwendungen nicht so gut mit der Digitalisierung wie gewünscht. Viele Internetseiten von Bürgerämtern sind so unübersichtlich, dass es immer wieder beim Buchen von Terminen hakt. Doch die wenigsten, die sich bereits durch unübersichtliche Portale geklickt haben, werden die Lösung für dieses Problem mit Videospielen in Verbindung bringen.

Doch tatsächlich, im Game-Design, einer Kerndisziplin der Games-Branche, kümmert man sich um genau solche Probleme. Nur geht es dabei zumeist um Menüs in einem Videospiel - noch. Denn die Kompetenzen von Game-Designern sind in immer mehr Branchen gefragt. Automobilindustrie, Veranstaltungen oder Ämter: In vielen Bereichen wächst der Bedarf, intuitive und ansprechende Lösungen für digitale Probleme zu finden. Und mit wenigen Klicks oder Swipes zum gewünschten Ziel zu kommen.

Für einige Game-Designer beginnt die Karriere im Studiengang Intermedia Design an der Hochschule Trier. Jährlich fangen hier etwa 50 Studierende ihr Game-Design-Studium an. "Einige davon haben die klare Vorstellung, dass sie danach im Games-Bereich arbeiten wollen", sagt Linda Breitlauch, Professorin für Game-Design. Aber eben nicht alle. Maximal zwei Drittel seien es, die nach dem Studium tatsächlich an Videospielen arbeiten. Die anderen gehen in andere Branchen. "Ich finde das nicht schlimm, dadurch werden die anderen Branchen ja besser", sagt sie.

Worum geht es konkret im Studium? "Im Kern gilt es, ein Regelwerk aufzustellen. Wenn ich X mache, passiert Y", sagt Breitlauch. Zum Regelwerk gehören viele Fragen: Wie zeige ich dem Spieler, welche Möglichkeiten er im Spiel hat? Wie müssen die Animationen aussehen, damit sie verstanden werden? Welche Technologien brauche ich, um das umzusetzen? Und natürlich: Wie gestalte ich das alles so, dass es der Spielerin dann auch Spaß macht, leicht von der Hand geht und intrinsisch motiviert ist? Das kann zum Beispiel ein Heiltrank sein. Wie muss der aussehen, damit er als solcher erkannt wird? Wie viele sogenannte Lebenspunkte soll er wiederherstellen? An welcher Stelle im Spiel kann man den Heiltrank erhalten?

Ziel ist, dass man sich an Touchscreens möglichst leicht zurechtfindet

Es gehe darum, "etwas Komplexes so verständlich zu machen, dass es intuitiv angewendet werden kann", erläutert die promovierte Game-Design-Expertin. In einem Videospiel ist das eine der wichtigsten Disziplinen. In einem Online-Game mit Hunderten Spielern müssen etliche Infos auf dem Screen untergebracht sein. Die Herausforderung dabei: Die Ansicht darf nicht überladen wirken. Viele Spiele beginnen mit einem Tutorial, das die grundlegenden Methoden erklärt. Im besten Fall, ohne den Anwender zu langweilen. Die Studierenden setzen sich auch damit auseinander, wie sich ein Spiel anfühlt, wie es auf den Input der Spieler reagiert, wie es Informationen vermittelt. Wem diese Dinge in einem Videospiel kaum auffallen, der hat es mit gutem Game-Design zu tun. "Das machen Game-Designer von morgens bis abends. Und genau das macht sie für andere Branchen inzwischen so interessant", sagt Breitlauch. Besonders für die Branchen, in denen digitale Benutzeroberflächen immer wichtiger werden - wenn Hebel und Schalter etwa durch Touchscreens ersetzt werden.

Robin Kocaurek ist einer von denen, deren Karriere in der Games-Industrie begann. Der 32-Jährige brachte sich in seiner Jugend autodidaktisch Programmiersprachen und Grafiksoftware bei und entwickelte mit seinen Freunden erste Spiele. Später studierte er Game-Design an der Mediadesign Hochschule in München und machte seinen Bachelor. Aus der Uni heraus gründete er 2013 seine eigene Firma, Klonk Games. Zehn fest angestellte Mitarbeiter hatte Kocaurek. Ihr Videospiel aber war nicht erfolgreich genug. "Nach dem Studium waren die Ansprüche nicht so hoch. Aber irgendwann wollten die Leute mehr Sicherheit", sagt er. Wegen des nur mittelmäßigen Erfolgs des Spiels war es schwierig, ein Folgeprojekt zu finden. Mit Auftragsarbeiten hielten sich Klonk und sein Team über Wasser. An Gehaltserhöhungen und langfristige Planung war in dieser Situation kaum zu denken.

Empathie gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten von Game-Designern

2017 orientierte sich Kocaurek um, außerhalb der Games-Industrie. "Es war eine Entscheidung gegen die finanzielle Struktur der Games-Branche, aber auch gegen den extremen Stress." Inzwischen arbeitet er bei einer Online-Plattform für Events. Seine Aufgabe ist es, sich Gedanken darüber zu machen, wie Menschen mit Systemen interagieren. Das Unternehmen bietet virtuelle Möglichkeiten, an Events teilzunehmen. Über den Browser bewegen sich die Teilnehmer durch eine 3-D-Umgebung und können so etwa an einer Online-Messe teilnehmen. Oder an einer Weihnachtsfeier, für die ein digitaler Weihnachtsmarkt kreiert wird. An den verschiedenen Ständen können die Teilnehmer etwa Tetris gegeneinander spielen, Fotos machen oder sich einfach zu einem Gespräch treffen. Sie bewegen sich mit Spielfiguren durch die winterliche Welt, die aus Screenshots ihrer Gesichter bestehen. Solche Szenarien lassen sich natürlich auch für andere Feiern kreieren.

"Ich mache mir Gedanken darüber, wie die Menschen miteinander interagieren. Haben sie alle Werkzeuge zur Hand? Können sie das tun, was sie wollen? Wissen sie überhaupt, was sie machen können und sollen?", führt Kocaurek aus. Seine Expertise erwarb er durch seine Arbeit als Game-Designer. Als wichtigste Qualifikation sieht er Empathie - die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und damit nachvollziehen zu können, welche Bedürfnisse und Perspektiven es gibt.

Auch Alexander Jakobi, 35, fing in der Games-Branche an. Heute arbeitet er in einem Unternehmen der Automobilindustrie, das Software für Autos entwickelt. Spieltypische Anwendungen seien in der Automobil-Branche sehr wichtig. Jedes Interface im Auto, sei es die Klimaanlage, das Radio oder das Navigationssystem - sie alle sollen intuitiv funktionieren. Genauso sollen sie den Nutzern aber auch das Gefühl geben, etwas entdecken zu können, kleine Erfolge zu erleben. "Der Spieltrieb soll geweckt werden: Es gibt eine neue Funktion, was kann ich mit der jetzt alles machen?"

Jobs in der Games-Branche sind häufig stressig und schlecht bezahlt

Jakobi studierte von 2007 bis 2010 Game-Design in München und sammelte danach Erfahrung mit der Entwicklung eigener Spiele. Er arbeitete auch in einem Studio für Mobile-Games, wo er sich auch mit "Pay to win"-Spielen befasste. Dabei haben Spieler die Möglichkeit, Geld zu zahlen, um schneller im Spiel voranzukommen, etwa eine Rüstung schneller zu erhalten, indem sie sie erwerben. "Die Spieler reinziehen und eine emotionale Bindung herstellen, das ist sehr wichtig", sagt er. Das könne genutzt aber auch ausgenutzt werden.

Jakobi verließ die Games-Branche, weil er nicht mehr länger Spieler dazu bringen wollte, Geld zu zahlen. Und nicht zuletzt deshalb, weil er woanders nicht mehr 60 Stunden in der Woche arbeiten musste und noch dazu deutlich mehr Geld verdienen konnte als in der Spiele-Industrie. In der Branche wird teils sehr stressige Arbeit vergleichsweise gering vergütet. Ein Einstiegsgehalt liegt in der Games-Branche bei 2600 bis 3000 Euro. Die Situation hat sich allerdings in jüngster Zeit tendenziell verbessert - auch dadurch, dass Bund und Länder inzwischen einzelne Games-Projekte fördern. So wird etwa das Rollenspiel "The Wagadu Chronicles" des Berliner Studios Twin Drums mit 500 000 Euro gefördert. Das Spiel will ein vorkoloniales Afrika erlebbar machen und mit Magie und Mythologie anreichern. Eine Förderung dieser Art ermöglicht es auch, höhere Gehälter auszuzahlen.

Wenn es einem im neuen Auto spielerisch leicht gelingt, die Navigation zu bedienen, dann war höchstwahrscheinlich ein guter Game-Designer am Werk. Und wenn es auf einmal intuitiv und einfach klappt, einen Online-Termin bei einer Behörde festzulegen, dann dürfte es auch einem dieser kreativen Menschen zu verdanken sein. Die Aussichten dafür, dass sich künftig mehr Game-Designer damit beschäftigen, den Alltag des Menschen angenehmer zu machen, sind jedenfalls gut.

Schon im Studium ein Spiel kreieren

Ein Game-Design-Studium mündet in einen Bachelor of Arts oder Bachelor of Science - je nachdem, ob der Schwerpunkt des Studiengangs auf Design oder Informatik liegt. Einige Hochschulen bieten darüber hinaus auch Master-Studiengänge an, in denen das Wissen vertieft und in denen die Thematik oftmals interdisziplinär behandelt wird. Dabei geht es etwa auch um die Frage, in welchen anderen Branchen das Game-Design noch Anwendung finden kann.

Die meisten Bachelor-Studiengänge starten mit einer Grundlagen-Phase, in der die Theorie vermittelt wird. Im dritten Semester beginnt die Spezialisierung: Soll es eher in Richtung Art Design, Programmierung oder etwa Virtual Reality gehen? Zum Studium gehört auch ein Praxisteil, in dem Studierende ein eigenes Game-Projekt umsetzen. Viele entwickeln und veröffentlichen daher im Laufe ihres Studiums bereits ihr erstes Spiel - einige verdienen damit sogar schon Geld. Ein Beispiel dafür ist das Spiel "Dorfromantik", das im vergangenen Jahr zu einem großen Erfolg wurde. Die Regelstudienzeit beträgt sechs bis sieben Semester.

Ausgewählte Angebote sind etwa der Game-Design-Studiengang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, an der Mediadesign Hochschule mit Standorten in München, Düsseldorf und Berlin oder der Studiengang Intermedia Design an der Hochschule Trier .

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