Um sich auf den G-7-Gipfel 2015 vorzubereiten, besuchte Nico Fried, langjähriger Leiter der SZ-Parlamentsredaktion in Berlin, vorab den Austragungsort. Dann geschahen Dinge, die sich seiner Kontrolle schnell entzogen.
Neulich war ich auf Schloss Elmau. Ich sollte eine Seite Drei schreiben, wie es dort so ist, wo Angela Merkel den G-7-Gipfel austrägt. Ein Wochenende lang auf Kosten der Zeitung zur Recherche in ein Luxushotel - es gibt Aufträge, da verstehe ich wieder, warum ich Journalist geworden bin. Freilich hat nicht viel gefehlt, und es wäre womöglich mein letzter Auftrag für die SZ gewesen.
Und das kam so: In meiner Buchung waren zwei Anwendungen im Spa inbegriffen. Zu Testzwecken. Als Erstes ging ich ins Hamam. Natürlich wollte ich mich mit dem Bademeister darüber unterhalten, wie er es fände, wenn Barack Obama ins Türkische Bad kommen würde. Diese Recherche endete schnell in der Sackgasse, weil mein Bademeister für die Zeit des Gipfels bereits Urlaub beantragt hatte.
Einen Tag später sah mein Behandlungsplan eine Hot-Stone-Massage vor. Ich stand, nur noch mit einem Handtuch um meine Blöße, vor der Massageliege, als ich einen letzten Blick aus dem Fenster warf, einen Mann am Eingang zum gegenüberliegenden Festsaal sah und dachte: Das ist doch der Dobrindt. Der Maut-Minister? Genau. Neben ihm standen Menschen in Tracht, eingerahmt von Blumenschmuck. Nun ist Dobrindt der örtliche Bundestagsabgeordnete, weshalb ich vermutete, er werde da einen Empfang geben, vielleicht zum Geburtstag eines verdienten Bürgers oder so.
Mein Masseur legte die heißen Steine auf und begann zu kneten. Dann kam ein Hubschrauber übers Hotel gedonnert. Wahrscheinlich die Polizei, die für den G-7-Gipfel übt, dachte ich, während der Masseur durch meinen besonders verspannten Muskel links oben an der Wirbelsäule walgte.
Nach der Behandlung schlenderte ich umher und warf einen Blick in den Saal, vor dem Dobrindt gestanden hatte. Ein junger Mann schob gerade die letzten Mikrofonständer zusammen. Ich fragte ihn, was denn hier stattgefunden habe. Er antwortete: "Frau Dr. Merkel war da."
Der Schreck, der mir da in die Glieder fuhr, machte den Entspannungseffekt der Massage zunichte. Und der Film, der jetzt in meinem Kopf ablief, ist schnell erzählt: Meine Zeitung bezahlt mir ein Wochenende in Schloss Elmau, wo die Kanzlerin den G-7-Gipfel ausrichtet. Dann kommt Angela Merkel zufällig zur Besichtigung vorbei, und der Einzige, der es nicht mitbekommt, ist der Reporter von der SZ - weil er gerade bei der Hot-Stone-Massage liegt. Zur Spott-und-Hohn-Massage meines ehemaligen Büroleiters, der heute mein Chefredakteur ist, wäre es da nicht mehr weit gewesen.
Ich fragte den jungen Mann, ob Merkel noch da sei. Er wusste es nicht. Ich rannte panisch über das Gelände, vor dem geistigen Auge schon meine Kündigung. Dann entdeckte ich einen von Merkels Leibwächtern, dann den zweiten. Und schließlich die Kanzlerin. Es gelang mir sogar, rein zufällig ihren Weg zu kreuzen und mich kurz mit ihr zu unterhalten. Für die politische Berichterstattung über den Gipfel sei es bestimmt von Vorteil, dass ich das Hotel schon erlebt hätte, scherzte sie, und verabschiedete sich.
Ich empfehle die Hot-Stone-Massage, wollte ich noch sagen. Aber da war sie schon weg.