G-20-Gipfel:Mehr als gescheitert

Die politische Bilanz des G-20-Gipfels in Hamburg ist mager. Dafür gab es maximale Aufregung wegen der Krawalle und Plünderungen. Leserinnen und Leser bewerten den Gipfel insgesamt eher negativ. Gewalt ist für sie nicht tolerierbar.

G-20-Gipfel: Die politischen Debatten gingen unter: Plünderer in einem Supermarkt während des G-20-Gipfels in Hamburg.

Die politischen Debatten gingen unter: Plünderer in einem Supermarkt während des G-20-Gipfels in Hamburg.

(Foto: Reuters)

"Schuld sind die anderen" vom 10. Juli, "Gipfel der Wut, "Draufhalten" und "SZ-Werkstatt" vom 8./9. Juli sowie weitere Artikel zum G-20-Gipfel und den Krawallen in Hamburg:

Hemmungslose Zerstörungswut

Man kann unterschiedlicher Meinung über den Sinn und Zweck und den Ort von solchen "Weltgipfeltreffen" sein. Es zählt das Ergebnis zum Aufwand eines solchen Treffens der wichtigsten Politiker der Welt. Für mich war das Ergebnis sehr mager, auch wenn es von verschiedenen Politikern schöngeredet wird. Die Krawalle und Zerstörungen der kriminellen Hamburger Demonstranten haben nicht nur ein äußerst schlechtes Licht auf Deutschland als Organisator des Gipfels geworfen - es steht neben der Politik auch die Polizei in der Kritik.

Trotz umfangreicher Vorbereitungen ist es nicht gelungen, die hemmungslose Zerstörungswut der Gewalttäter des "Schwarzen Blocks" einzudämmen. Wenn man solche Bilder vom Schanzenviertel und dem Ausmaß der Zerstörungen sieht, glaubt man nicht, in Deutschland zu sein. Mehr als 20 000 Polizisten aus ganz Deutschland mit Unterstützung von über 200 österreichischen Kollegen haben es nicht geschafft, die Lage im Hamburger Schanzenviertel und in der Roten Flora in den Griff zu bekommen. Fast 500 verletzte Polizisten und riesigen Sach- und Imageschaden hat dieses Dilemma gebracht. Die Polizisten und die Einwohner Hamburgs waren die Leidtragenden dieser Chaosveranstaltung. Alleine schon wegen dieses negativen Bildes von Deutschland ist für mich der G-20-Gipfel mehr als gescheitert.

Fritz Kreuzer, Weissenstadt

Misslungene Selbstdarstellung

Die Verantwortlichen in Hamburg und allen voran Bürgermeister Olaf Scholz haben die wohlbekannte Brisanz des Tagungsortes ignoriert und stattdessen auf schöne Bilder gehofft, die imagefördernd aus ihrer Stadt um die Welt gehen sollten. Diese Rechnung ging nicht auf. Wünschenswert wäre es, wenn Konsequenzen aus diesem misslungenen Auftritt gezogen würden und die Vernunft über das Geltungsbedürfnis von Entscheidern siegen könnte.

Denn hierin liegt meiner Ansicht nach ein zentrales Motiv, warum sich Hamburg als Austragungsort starkgemacht hat. Wenn die Bürger dem Senat schon bei der Olympia-Bewerbung einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, ergreift man doch gern die nächste sich bietende Möglichkeit zur Profilierung. Es bleibt das ungute Gefühl, dass es hier nicht um die Organisation einer politisch vielleicht sinnvollen Sache geht, sondern um Selbstdarstellung und Imagegewinn.

Elke Wurtscheid, Hamburg

Ignoranz gegenüber dem Recht

Selbstverständlich ist es richtig, solche Treffen wie den G-20-Gipfel zu veranstalten. Der regelmäßige oder gelegentliche persönliche Umgang der (meist) gewählten Chefinnen und Chefs von Regierungen untereinander ist unersetzlich. Und selbstverständlich ist es richtig, solche Treffen in einer Großstadt wie Hamburg auszurichten. Der Politik einerseits vorzuwerfen, sie verhandle im stillen Kämmerlein, und andererseits zu kritisieren, eine Stadt wie Hamburg eigne sich nicht für solch einen Gipfel, zeugt von "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

Selbstverständlich ist es auch richtig, gegen als unzureichend oder als falsch verstandene Schwerpunkte des "offiziellen" Gipfels, für mehr Tempo gegen den menschengemachten Klimawandel und zugunsten von mehr Gerechtigkeit (gerade auch in Freihandelsabkommen) zu demonstrieren und zu protestieren.

Konsens sollte aber auch darüber bestehen, dass Gewalt, die von wie auch immer (wenn überhaupt) politisch ausgerichteten Menschen ausgeübt wird, nicht relativiert oder verharmlost wird. Welche Gefahren sich für uns alle ergeben, wenn Recht ignoriert wird, erleben wir derzeit an dem egozentrischen Verhalten einiger Regierungschefs. Gegen die damit verbundenen Gefühle der Ohnmacht hilft nur die Kraft der eigenen Überzeugung im direkten, persönlichen Umgang mit dem vermeintlichen Starken.

Michael Odenthal, Kiel

Plattform für Verbrecher

Die Seite-3-Reportage "Draufhalten" hält, was die Überschrift verspricht. Schon die Auswahl des Fotos bedarf keiner Interpretation mehr, wer sich da gegenübersteht. Christian Blank, einer der Anführer der vermummten Verbrecherbanden, erhält dennoch im Artikel dazu Gelegenheit: "... erleben wir, wie sich der Polizeistaat über den Rechtsstaat hinwegsetzt." Zu Wort kommen im Übrigen ausschließlich zwei weitere Protagonisten der Banden: Die "freundliche, verbindliche, junge Frau" und der Sprecher der Autonomen im Millerntor-Stadion, welches das "Statement einer anderen, gerechteren Welt" ist.

Derweil begehen die Verbrecherbanden, für die sie reden, serienweise Straftaten gegen Leib und Leben anderer Menschen, gegen ihr Eigentum, gegen den Haus- und Landfrieden. Meinen die Autoren, dass diese Leute die "andere, gerechtere Welt" vertreten?

Dr. Johannes Bauer, Münsing

Festnehmen

Warum hat man die vermummten Chaoten, solange sie noch im Block zusammen waren, nicht festgenommen? Nach deren Arretierung hätten die restlichen Demonstranten friedlich für ihre Anliegen demonstrieren können. Wozu ein Vermummungsverbot, wenn davon in entscheidenden Situationen kein Gebrauch gemacht wird? Fred Loos, Muhr am See

Die Zeichen erkennen

In Hamburg hatte man das Gefühl, dass zwar die bedauernswerte Polizei alles tat, um Ordnung ins Chaos zu bringen, wie schlecht oder gut auch die Vorbereitung oder die Tatsache war, einen G-20-Gipfel in eine Großstadt zu verlegen, wo man mit allem hätte rechnen müssen.

Vergessen wir aber eines nicht: Brutale, anarchische Gruppen sind immer nur die Spitze von Meinungen, die im breiten Volk vage vorherrschen, ohne dass dieses sich wirklich artikulieren kann, und wenn es angesprochen wird, kommt die Populismuskeule. Was von Hamburg außer viel Blabla bleibt, ist eine Gesellschaft, die das Gefühl hat, von internationaler Hochfinanz und Großkapital überrollt zu werden, ohne dass "die Mächtigen" die Meinung des Volkes wirklich interessiert - eine Haltung, die sich schneller, als man meint, bitter rächen wird! Ein historischer Vergleich: Die Revolution 1848 brachte relativ unmittelbar das Ende des metternichschen Systems und Zug um Zug Verfassungen, die dem Volk mehr Rechte gaben. 50 Jahre vorher erkannten Ludwig XVI. und seine Regierung die dramatische Situation nicht, und der Terror begann.

Dr. Norbert van Handel, Steinerkirchen a. d. Traun/Österreich

Kein wehrhafter Staat

Bei den Überschriften beziehungsweise Artikeln zu den Ausschreitungen beim G-20- Gipfel empfand ich die Wortwahl an einigen Stellen als etwas verharmlosend. Einen "Krawall" oder eine "Randale" verbinde ich eher mit einer Wirtshausschlägerei oder mit Jugendlichen, die angetrunken herumziehen und Ärger machen. Meiner Meinung nach aber gab es bei den Demos regelrechte Gewaltexzesse und schwere Ausschreitungen, und zwar nicht von "Demonstranten", was ja ein neutrales Wort darstellt, sondern von Gewalttätern, die auch Tote und Verletzte einplanten. Ich bin für eine "Null-Toleranz-Haltung" bei Gewalt jeder Art, ob von links oder rechts, egal mit welchen Motiven! Leider sehe ich da keinen wirklich wehrhaften Staat, der - natürlich unter Wahrung der Rechtsordnung - die vorhandenen Gesetze einmal richtig konsequent ausschöpft.

Sonja Sochurek, München

Gemischt, nie im Block

Polizeiwissenschaftliche Erkenntnisse fehlen in der öffentlichen und politischen Debatte zum G-20-Gipfel völlig. Stattdessen regiert billige Empörung. Dabei gibt es seit den späten 1980er-Jahren valide polizeiwissenschaftliche Erkenntnisse dazu, wie Veranstalter, Genehmigungsbehörden und polizeiliche Einsatzleitungen gemeinsam den Ausbruch von kollektiver Gewalt bei Demonstrationen verhindern können. Dazu zählt vor allem eine klare räumliche Abgrenzung der Marschkolonne durch die Ernennung von Ordnern auf der Seite des Veranstalters. Klar gekennzeichnete Ordner in ausreichender Zahl müssten Teil der Auflagen für jede Demonstration sein. Wenn diese Auflage nicht erfüllt ist, darf die Demonstration eben nicht stattfinden. Die Ordner müssen dann in ständigem Kontakt mit Verbindungsbeamten (ohne Schutzausrüstung) stehen.

Eine schnelle Eingreiftruppe muss es selbstverständlich auch geben, aber sie sollte nicht den direkten Kontakt zu den Veranstaltern und ihren Ordnern, geschweige denn den Demonstrationsteilnehmern halten.

Weiterhin gehört zu den taktischen Maßgaben, dass die Polizei unbedingt eine Auflösung der Marschkolonne in die Seitenstraßen verhindern muss. Weitere Maßnahmen sind: Das Lenken der Kolonne auf (möglichst symbolische) Plätze, wo sie mit zivilen Aktionen ihrem Ärger Luft machen kann, weiterhin eine Mischung von Gruppen: Tendenziell gewaltaffine junge Männer sollten niemals alleine laufen, sondern immer nur gemischt mit Frauen, Kindern und älteren Demoteilnehmern. Dies alles ist nachzulesen in der exzellenten Studie "Flashpoints" des Polizeisoziologen David P. Waddington aus Sheffield.

Waddington hat seine Erkenntnisse aus einer genauen Analyse und teilnehmenden Beobachtung (sowohl auf der Seite von Demonstranten als auch unter Polizisten) entwickelt. Er bezieht sich auf verschiedene Formen von Gewalt, sowohl Demonstrationen als auch Straßenunruhen, sogenannte "race riots", wie sie in Großbritannien immer wieder vorkommen.

Freilich entschuldigen polizeiliche Fehler keinesfalls das kriminelle Verhalten von Straftätern. Aber angesichts des Stellenwertes, den die - bestens vernetzte - linksautonome Anti-Globalisierungsszene den G-20-Treffen beimisst, hätte man mit solchem Gewaltverhalten rechnen müssen.

Arne Hordt, Neuss

Festnehmen

Warum hat man die vermummten Chaoten, solange sie noch im Block zusammen waren, nicht festgenommen? Nach deren Arretierung hätten die restlichen Demonstranten friedlich für ihre Anliegen demonstrieren können. Wozu ein Vermummungsverbot, wenn davon in entscheidenden Situationen kein Gebrauch gemacht wird?

Fred Loos, Muhr am See

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: