„Macho Merz“ vom 18. Oktober, „Fünf Punkte gegen Merz“ vom 14. Oktober, „Wie spricht Friedrich Merz?“ vom 12. Oktober und „Ich habe mein Leben anders gestaltet als Herr Scholz“ vom 5. Oktober:
Klarer agieren in der Mitte
Aus der letzten Bundestagswahl sind die Parteien der rechten und linken Ränder zulasten der Parteien der demokratischen Mitte gestärkt hervorgegangen. In den nachfolgenden Landtagswahlen hat sich der Trend weiter verstärkt. Die Parteien der demokratischen Mitte wollen verlorenes Terrain wiedergewinnen. Dazu erfahren die Leser von dem Vorsitzenden der CDU nichts. Die SZ hat auch nicht gefragt. Sie hätte fragen können, ob es im Hinblick auf eine Stärkung der Mitte nicht vernünftig wäre, wenn CDU und CSU bundesweit als eigenständige Parteien auftreten würden und damit endlich das schädigende, Wähler und Wählerinnen abstoßende, permanente Gerangel beenden und die Chance erschließen, im Alleingang in der Summe mehr Stimmen zu gewinnen als im Verbund. Der von Friedrich Merz beschworene Koalitionsausschuss wird das Problem nicht lösen.
Hans Lafrenz, Hamburg
Das Haus brennt
Die Interviewer haben mit Herrn Merz fast nur über sein Lieblingsthema gesprochen: Wirtschaft. Wenn es Herrn Merz nicht klar ist, dann sollte es doch wenigstens den drei SZ-Mitarbeitern bekannt sein, dass die Menschheit geradewegs in eine Klimakatastrophe von kaum absehbaren Ausmaßen schlittert, weil eine Mehrheit nicht bereit ist, ihren Lebensstil zu ändern und den Konsum massiv einzuschränken. Auch für Herrn Merz ist Klimaschutz anscheinend zu vernachlässigen. Jedenfalls gehört er zu denen, für die Umwelt und Klima irgendwo ganz unten auf der Prioritätenliste kommen. Man kann nur den Kopf schütteln.
Wenn weite Teile des Planeten durch Hitze für Mensch und Tier unbewohnbar werden, zunehmende Stürme und Extremniederschläge immer wieder zerstören, was gerade erst aufgebaut wurde, durch die Wetterextreme Ernten vernichtet werden, wenn dann noch durch das Artensterben Ökosysteme zusammenbrechen und man leider, leider zu spät merkt, wie wichtig diese für die Produktivität der Landwirtschaft waren, dann können wir unserem ganzen Wohlstand Ade sagen und froh sein, wenn es überhaupt noch genug Trinkwasser und genug zu essen gibt. Dann wird man merken, dass man SUVs und Computerchips nicht essen kann. Davon, was für ein erbärmliches Leben es ist bei wochenlanger quälender Hitze, ganz zu schweigen.
Ich frage mich, in welcher Traumwelt all die Menschen leben, die nicht verstehen, dass das Haus brennt und dass das die oberste Priorität ist. Auch Herr Merz, der sich anmaßt, unser Kanzler zu werden, versteht es nicht. Das Interview umfasst eine ganze Seite, und Klimawandel oder Umweltprobleme werden mit keinem Wort erwähnt. Das ist skandalös. Meiner Ansicht nach ist es nicht die Aufgabe von Journalisten, es einem Kanzlerkandidaten im Interview hübsch bequem zu machen und mit ihm über das zu plaudern, was ihm genehm ist. Es ist im Gegenteil ihre Aufgabe, nach genau dem zu fragen, worüber er nicht reden will. Sie sollen ihn grillen, gnadenlos stochern, keine Ausflüchte zulassen, kurz: maximal unbequem sein!
Susanne Tillich, München
Alle Macht dem freien Markt
CDU-Kanzlerkandidat Merz begibt sich im Interview mit seinen Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik (Steuererleichterungen für Unternehmen und Reduzierung des Bürgergelds) in die unmittelbare Nähe der AfD-Vorstellungen zur Umverteilung nach oben. Doch mit einigen Äußerungen geht er noch weiter in Richtung Querdenker und Marktextremisten. Auch dort gilt es, Wählerstimmen zu sammeln. Er wehrt sich dagegen, dass der Staat dem Wirtschaften einen menschengerechten Weg aufzeigt und dem gesellschaftlichen Leben eine Richtung gibt. Die politischen Entscheidungen über Wärmepumpe, Elektromobilität und Ähnliches nennt er erratisch und verirrt sich in die Behauptung: „Wenn der Staat etwas erzwingen will, was der Markt und die Bürger nicht wollen, dann tritt der gegenteilige Effekt ein.“ Also vergöttert er den Markt als Allheilmittel weiter – ungeachtet all der Subventionen und Stützungsmaßnahmen – und lässt die mündigen Bürger ziellos im eigenen trägen Saft schmoren.
Davon abgesehen, dass der Markt keinen Willen hat und der Bürger mitsamt seiner Meinung stark von seiner Umwelt abhängig ist und für gewöhnlich den Weg des geringsten Widerstandes wählt. Auf Veränderungen, wie sie die Ampelkoalition, speziell die Grünen, einleiten wollen, „reagiert die Bevölkerung allergisch. Die Leute haben gerade die Nase voll von dieser Art, bevormundet zu werden“. Demnach könnten immer noch alle Raucher ihre Kippen einfach fallen lassen, wir würden immer noch Unmengen schlechtes Fleisch essen, könnten all die Häuslebauer weiterhin nach eigenem Gutdünken bauen, ohne Rücksicht auf Umwelt und Nachbarn, und die Energieunternehmen würden immer noch auf Atomkraft setzen. Er spricht dem Staat eine Steuerung sowie gesellschaftspädagogische Vorgaben ab. Will er als Kanzler auf seine Richtungskompetenz verzichten? Will der Ordnungspolitiker Merz den ganz schwachen Staat?
Welche Sichtweise ist das? The public gets, what the public wants? Freies Cowboytum ohne Regeln und Gemeinschaftsinteresse? Dem Volk aufs Maul geschaut: Vom Staat lasse ich mir nix vorschreiben, aber was meine Gesundheits-App sagt, das mach’ ich vollumfänglich! Merz will alles so belassen, wie es ist. Auch er ignoriert die Auswirkungen unseres Wirtschaftens und vertraut auf das Allheilmittel Markt. So könnte seine Aufforderung lauten: Lasst die Leute dumm sterben und die Umwelt vor die Hunde gehen, dann können wir weiterhin unser Scherflein ins Trockene bringen … Seine Prioritäten sind klar erkennbar.
Günter Ott, Gießen
Allem ausgewichen
Was für ein schwaches Interview. Was für völlig irrelevante Fragen. Es geht um die große Politikwende und was Merz besser machen würde als die Ampel. Keine einzige Frage zu den drängenden Problemen. Keine Aussage zum Klimawandel. Keine Aussage zur künftigen Energiegewinnung, Atomkraft, keine Frage oder Lösungsvorschlag zur Migrationsdebatte. Dagegen Kinkerlitzchen über seine Beziehung zu Merkel, Söder und Scholz, zur Fliegerei und Fragen zur Taktik, wie er wohl Kanzler werden will. Das große Wirtschaftswunder scheint zu kommen, wenn man das Bürgergeld kürzt, den Soli abschafft. Und jährlich 400 000 Arbeitsplätze gewinnt man anscheinend damit, dass man die Leute freiwillig bis 70 arbeiten lässt. Fachkräftemangellösung: Fehlanzeige. 16 Jahre Bahnreparaturstau dank CDU/CSU, marode Brücken, Schulen, Lehrermangel. Wie wird das aufgeholt? Fehlanzeige. Tut mir leid. Das Lesen des Interviews war Zeitverschwendung. Und dann steht auch noch in der Überschrift: „Doch weiß er eigentlich, was er bei Wahlsieg machen würde?“ Nein, er weiß es nicht, und es ist auch nicht wirklich danach gefragt worden.
Karl Giggenbach, Fischbachau
Kein Gefallen getan
Wir schreiben das 21. Jahrhundert, und der Kanzlerkandidat der Union gefällt sich in Äußerungen, die sich getrost im letzten Jahrhundert verorten ließen und sich nur mit viel Fantasie vom rechten Rand des Parteienspektrums absetzen. Paritätische Sitzverteilung im Kabinett – was für ein kühner Gedanke! Zitat des Möchtegern-Landesvaters Merz: „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen.“
Man muss keine Feministin sein, um einigermaßen sprachlos vor dieser Aussage zu stehen. Unser Land hat in vielerlei Hinsicht ernst zu nehmende Probleme. Allen voran gilt es, die demokratische Gesinnung hochzuhalten und Populismus aufs Schärfste zu bekämpfen. Und da fällt dem Kanzlerkandidaten einer christdemokratischen Partei, einer Partei „der Mitte“, nichts Besseres ein, als mehr als die Hälfte seiner potenziellen Wählerschaft derart vor den Kopf zu stoßen? Jede vernunftbegabte, selbstbewusste und progressive Frau – und ja, Herr Merz, es gibt sie, auch wenn sie Ihnen aufgrund Ihrer selektiven Wahrnehmung offenbar zu selten begegnen – kann nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, einem solchen Volksvertreter ihre Stimme zu geben. Nein, damit würde man Deutschland „keinen Gefallen“ tun.
Stephanie Neurath, Uttenreuth
Hütet euch!
In seinem Artikel hält es Autor Georg Ismar für die zentrale Frage von Kanzler Scholz: „Wer hat die besten Ideen, um einen Aufschwung für dieses Land zu organisieren?“ In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass es sich laut Google bei den Id(e)en des M(a)erz ... „um eine gebräuchliche Metapher für ein bevorstehendes Unheil handelt“.
Dr. med. Michael Kahlert, Holzkirchen
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