Franken:Wie man's macht

Franken: Das Alte Rathaus in Bamberg, direkt in den Fluss Regnitz gebaut, ist eine der bekanntesten touristischen Attraktionen in ganz Franken.

Das Alte Rathaus in Bamberg, direkt in den Fluss Regnitz gebaut, ist eine der bekanntesten touristischen Attraktionen in ganz Franken.

(Foto: imago/Travel-Stock-Image)

Fränkische Leser fühlen sich bisweilen im Bayernteil nicht recht beachtet. Manche wünschen sich einen Lokalteil Franken. Während man es in Oberbayern wieder anders sieht.

Von Olaf Przybilla

Die SZ in Franken? Vielleicht macht man das Grundproblem an einer Mail eines Lesers aus dem Norden des Freistaats fest, der morgens ganz genau nachgezählt hatte. Nicht nur, dass er sich - wie immer beim Frühstück - durch die zahlreichen Seiten des "München"-Ressorts habe durchblättern müssen. Viel schlimmer noch: In gewissermaßen "seiner" Zeitungsabteilung, dem Bayernteil, sei er dann auch noch mit einem satten halben Dutzend Artikeln belästigt worden, die alle - laut Ortsmarke - eine nicht zu benennende bayerische Landeshauptstadt zum Thema gehabt hätten. Was der SZ denn einfiele, ob man dort den Nabel der Welt irgendwo zwischen Freising und Starnberg vermute?

Es war einer der erfreulicheren Zuwendungen dieser Art, bei der man schon beim Überfliegen ahnt: ein Gewitter der reinigenden Sorte. Mit relativ übersichtlichem Aufwand konnte dem Leser nachgewiesen werden, dass das Blatt exakt an jenem Tag geradezu aufdringlich frankenlastig ausgefallen war, eine annähernd zweistellige Anzahl von Artikeln, im ganzen Blatt verteilt. Und dass sich auch hinter etlichen Ortsmarken im Bayernteil, die auf "München" lauteten, Themen fränkischer Provenienz verbargen.

Die Ortsmarke der Landeshauptstadt zierten sie nur deshalb, weil Fachredakteure des Bayernteils - zuständig für Soziales und Gesundheit, Umwelt, Bildung, Brauchtum und Kultur - sich nicht dem Vorwurf der Flunkerei hatten aussetzen wollen. Und deshalb Frankenthemen vom Arbeitsplatz München aus mit der Ortsmarke "München" versehen hatten - so wie man in der Auslandsberichterstattung "München" als Ortsmarke setzt, wenn man über ein Thema in Afghanistan schreibt, ohne sich aktuell in Kabul aufzuhalten.

Der Mailverkehr hatte eine zweifach heilsame Wirkung: Die Bayernredaktion entschied, im Sinne solcher, offenbar nicht zuletzt an der Ortsmarke orientierter Lektüre künftig nicht mehr päpstlicher als der Papst zu sein: Warum nicht "Nürnberg" an den Anfang eines Textes schreiben, wenn der Gegenstand der Betrachtung in der Hauptsache dort spielt? Und der besagte Leser kramte seine Zeitung, die bei ihm angesichts diverser Ortsmarken einen akuten Nicht-Lese-Reiz ausgelöst hatte, wieder aus dem Altpapier hervor.

Eine Spalte für "Frankendelikte" reicht doch

Wobei die Irritationen mitunter auch aus der entgegengesetzten Richtung stammen - gerade bei Lesern, die nicht übersehen wissen wollen, dass in ihrer Printausgabe die Unterzeile "Münchner Neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport" auf der Titelseite prangt. Am 29. Juni 2017 um die Mittagszeit etwa erreichte die SZ ein Fax aus einem oberbayerischen Seniorenheim, das gewisse, womöglich auch im Süden existierende Vorbehalte so strahlend schön auf den Punkt bringt, dass es hier wörtlich wiedergegeben werden soll: "Der Olaf Przybilla soll doch statt in ,Bayern' der SZ seine Frankenerlebnisse und Berichte in der Frankenpost oder Nürnberger Post Nachrichten bringen. Es genügt, wenn man unter der Spalte ,Bayern in Kürze' die Frankendelikte liest. 80 % der Nachrichten sind aus Franken. Und der Seehofer scharwenzelt auch noch dazu um die Franken, obwohl dort und speziell in Mittelfranken die meisten SPD-Wähler sind."

Wie man's macht.

Nicht aus Oberbayern wiederum, sondern aus Zentralfranken stammte vor einiger Zeit die Frage einer Leserin, wieso es "in der Digitalausgabe der SZ keinen Lokalteil Franken oder Mittelfranken" gebe - Nürnberg sei immerhin zweitgrößte Stadt Bayerns. Die Antwort, die sie bekommen hat, gilt weiter: Tatsächlich gibt es kaum etwas, womit sich SZ-Korrespondenten in Franken häufiger konfrontiert sehen; trotzdem zuckt man immer wieder aufs Neue zusammen. Es gibt Franken, die sich über Lokales aus ihrer Region am liebsten ausschließlich mithilfe einer Zeitung informieren würden, die in München erscheint?

Schließlich ist die Liebe der Nürnberger zu ihrer Landeshauptstadt ja sonst nicht ihre auffälligste Eigenschaft. Ein Champions-League-Auftritt des FC Bayern in einer Nürnberger Kneipe für Alteingesessene? Selbst gegnerische Retortenvereine, die einen ungleich größeren Haufen Geld aus zudem fragwürdigsten Quellen beziehen, werden da leidenschaftlich angefeuert. Fragt man nach dem Grund, lautet die Antwort: Egal, es geht gegen München! Großer Applaus im Lokal. Und da bleiben eben schon ein paar nicht unerhebliche Zweifel, ob eine eigene "SZ-Lokalausgabe Mittelfranken" genügend Interessierte finden würde.

Ist die alte Rivalität anachronistisch?

Aber wer weiß? Vielleicht wird die alte Rivalität ja allmählich anachronistisch. Jedenfalls hatte das unvermeidliche Franken-Altbayern-Topos als Gegenstand journalistischer Aufmerksamkeit schon mal mehr Konjunktur. Als ein Politiker aus Nürnberg, dessen Arbeitsplatz zu der Zeit noch nicht in der Staatskanzlei war, den "Pelzrock" des großen Meisters aus Franken (Dürer, nicht Söder) für eine Jubiläumsausstellung mit aller Macht von München nach Nürnberg holen wollte, da kriegten sich die Blätter - auch die SZ - kaum ein vor Beschreibungslust.

Vor zehn Jahren war das. Heute? Ist es kürzlich nicht mal Richard Loibl gelungen, dem ebenso versierten wie listigen und altbayerischen Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte, anlässlich der Landesausstellung "Typisch Franken?" in Ansbach für einen aufmerksamkeitsfördernden Klein-Eklat zu sorgen. Richtig enttäuscht wäre er, so hatte er es zuvor bereits angedeutet, wenn sich in der "Höhle des Löwen" - Franken - niemand auf den Schlips getreten fühlte. In Klammern: Eine zünftige innerbayerische Stammesrauferei wäre schon gut gewesen für die Resonanz.

Ist Loibl aber nicht gelungen, so redlich er sich auch bemüht hat. Etwa mit der Erwähnung, dass es der berüchtigte Sponti Horst Seehofer gewesen sei, der auf einem Tag der Franken eine solche Ausstellung angewiesen habe und noch am selben Tag, so Loibl, die Alarmglocken bei ihm geläutet hätten in Gestalt seines Handys. Ein "lieber Kollege von der Staatskanzlei" habe ihn informiert: "Du pass auf, auf Euch rollt was Fränkisches zu." Loibl freilich habe das "ehrlich gesagt nicht ernst genommen" und sich "in bewährter Beamtenmanier" einfach tot gestellt. Bis er in die Staatskanzlei zitiert und zur Frankenausstellung überredet wurde - das Unterfangen aber in Franken alles andere als "Begeisterungsstürme" ausgelöst habe: exakt zwei "ernstzunehmende" Bewerber.

Was hinter den - von Loibl attestierten - "fränkischen Minderwertigkeitskomplexen" stecke, hat der Ausstellungsmacher in Diensten des Freistaats auch noch gleich analysiert: Es verberge sich dahinter "eine in der Regel erfolgreiche politische Strategie", damit Politik und Verwaltung "vorsorglich und vorauseilend für gute fränkische Ausstattungen" sorgten. Öffentlich feststellbare Reaktionen auf diese mittelschwere Provokation in den vergangenen fünf Monaten? Null.

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