An einem lauen Juniabend hatte sich Claudia Gaupp mit ihrer Fotoausrüstung nochmal auf die Suche nach Motiven gemacht. Gefunden hat sie nach Sonnenuntergang eine Iris an ihrer Gartenterrasse. Herausgekommen ist ein außergewöhnliches Foto, das eine violette Blüte in Großaufnahme zeigt. "Ich habe mich auf das Venenmuster der Blütenblätter konzentriert", sagt Gaupp. Für das Bild wurde sie jetzt von einer internationalen Jury unter Leitung des Königlichen Botanischen Gartens Kew in London ausgezeichnet. Die 42-Jährige aus Göcklingen in Rheinland-Pfalz gewann mit "Violette Venen" beim jährlichen Gartenfotowettbewerb Igpoty (International Garden Photographer of the Year) in der Kategorie "Die Schönheit der Pflanzen" den zweiten Preis.
"In diesem Wettbewerb sind viele Profis aus aller Welt unterwegs, umso größer ist meine Freude über die Auszeichnung", sagt die Architektin, die heute Apps entwickelt und mit ihrem Mann ein Unternehmen leitet. Als Architektin gehörte das Fotografieren zu ihrer beruflichen Tätigkeit, inzwischen ist es für sie zu einem schönen Hobby geworden.
"Mich macht ein gutes Foto glücklich, das ich nicht mehr groß bearbeiten muss. Meine Motive finde ich vorrangig in meinem Garten", sagt Gaupp. Die Iris ist ihre Lieblingspflanze. Fotobegeisterten Pflanzenliebhabern empfiehlt sie, sich Zeit für Motivsuche und Aufnahmen zu nehmen. "Bei Gartenbloggern sehe ich oft Blumenfotos mit Laub und anderen zufälligen Dingen auf dem Bild, die dort nicht hingehören. Die Komposition ist wichtig", sagt Gaupp. Morgens und abends seien gute Zeiten für Aufnahmen, knalliges Sonnenlicht sollte vermieden werden. Und man sollte bei der Suche nach einem geeigneten Bildobjekt seinen Blick immer schweifen lassen: "Das Sehen ist entscheidend, nicht die Kamera. Man kann auch mit einem Smartphone sehr gute Fotos machen."
Mehr Motive: Heute werden nicht nur Rosen, sondern gern auch Wildblumen fotografiert
Um Siegerfotos geht es auch in einer Freiluftausstellung im Berggarten Hannover. Dort werden bis Ende April die besten Igpoty-Aufnahmen von 2019 gezeigt. In der trotz Corona geöffneten Ausstellung findet sich zum Beispiel ein Foto von Ulrike Adam. Es zeigt in Großaufnahme verblühte weiß-gelbe Blüten des Zierlauchs in einem Meer von blauen Blüten der Katzenminze aus dem Botanischen Garten Bremen. "Auch Verblühtes ist schön!", betont Adam, die als Heilerziehungspflegerin arbeitet. Das Fotografieren ist für sie mehr als ein Hobby - sie beliefert Bildagenturen und stellt Kalender mit Blumenmotiven her. "Außerdem ist die Zeit in der Natur für mich ein Ausgleich zum anstrengenden Hauptberuf", sagt Adam.
Sie ist nach Möglichkeit morgens mit der Kamera unterwegs, um mit den ersten Sonnenstrahlen die richtige Stimmung einzufangen. "Ich habe immer zwei Objektive dabei. Eines davon sollte lichtstark sein", sagt Adam. Vor drei Jahren hat sie mit der Aufnahme eines Magnolienbaums im Sonnenaufgang den ersten Preis im Wettbewerb "Europäisches Gartenfoto" gewonnen. "Das war schon gut. Dadurch bin ich bekannter geworden und verkaufe mehr Kalender", sagt Adam, die viele ihrer Motive direkt vor der Haustür findet - im eigenen Garten in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen.
Lizzy Petereit aus dem niedersächsischen Ganderkesee hat ihr Motiv ebenfalls im heimischen Garten gefunden - mit einer Nahaufnahme einer lila-weißen Anemonenblüte hat sie den ersten Preis in der Kategorie "Macro Art" gewonnen. "Sie ändern ihre Form und Struktur ständig", so die Fotografin, die als Titel "Panta Rhei" (Alles fließt) gewählt hat. Zu sehen ist auch das mit einem dritten Preis prämierte Foto "Schneesturm im Mai" aus dem Höhenpark Killesberg in Stuttgart. Es stammt von Martin Staffler, der eine Wiese mit einem großen weißen Kerbelfeld vor dem Hintergrund von weißen Blüten an Taschentuchbäumen im Bild festgehalten hat. Er hat bereits mehrfach erfolgreich an dem Wettbewerb teilgenommen. "Das ist eine schöne Anerkennung für das eigene Schaffen", betont der gelernte Landschaftsgärtner und studierte Landschaftsarchitekt.
Staffler ist Autor mehrerer Gartenbücher und arbeitet für Gartenzeitschriften. "Gartenfotos werden immer wichtiger, denn sie sind der Türöffner, damit die Zeitschrift gekauft wird", sagt der Stuttgarter und fügt hinzu: "Klassische Gartenpflanzen wie Rosen, Lavendel und Rittersporn standen früher auf den Fotos im Vordergrund. Inzwischen geht es mehr in Richtung ökologischer Garten mit Ziergräsern, Stauden und Blumenzwiebel-Kombinationen. Außerdem spielt auf den Aufnahmen die Dekoration mit Brunnen, Terrassen und Pool eine immer wichtigere Rolle."
Eine entscheidende Rolle für eine gute Aufnahme spielt der richtige Zeitpunkt. "Mit Blitz kann man nicht viel erreichen. Man muss zum richtigen Licht vor Ort sein. Wenn die Sonne morgens nicht rauskommt und es trübe bleibt, kann man auch mal vergeblich unterwegs sein", sagt Staffler. Zu viel Licht sei aber auch nicht gut. Seine Tipps für fotobegeisterte Gartenliebhaber: "Man sollte nie bei strahlendem Sonnenschein im Garten fotografieren, sonst fehlen die Kontraste. Manche Pflanzen gehen erst tagsüber auf, dann ist die Zeit vor Sonnenuntergang günstig. Man kann Bildern eine besondere Tiefe verleihen, in dem man im Vordergrund zum Beispiel eine Kübelpflanze platziert."
Morgens gegen 7.30 Uhr war es, als Lars Gerhardts auf den Auslöser seiner Kamera drückte. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume des Georgengartens Hannover, der Nebel auf einem kleinen See lichtete sich und gab den Blick auf drei ihre Runden ziehende Enten frei, über eine Brücke im Hintergrund spazierte eine Person mit ihrem Hund. "Ich wartete geduldig an diesem kalten Novembermorgen auf den perfekten Moment für die Aufnahme, und plötzlich war er da", erinnert sich der nebenberuflich als Fotograf arbeitende Göttinger, wie er die stimmungsvolle Morgendämmerung im Bild festhielt. Lohn der Mühe: Mit diesem Foto gewann er den ersten Preis in der Kategorie "Die Schönheit der Herrenhäuser Gärten".
Die Herrenhäuser Gärten waren 2019 erstmals als eigene Kategorie mit einem Spezialpreis in den Wettbewerb aufgenommen worden, als einziger öffentlicher Garten aus Deutschland. Die Gartenleitung freute sich über 400 Einsendungen von Hobby- und Profifotografen, die aus nah und fern den Weg in die historischen Parkanlagen von Hannover auf der Suche nach dem richtigen Motiv fanden. Zu den weiteren 19 Preiskategorien gehören beispielsweise "Wildblumen-Landschaften", "Wildlebende Tiere im Garten" oder "Schöne Gärten". Idylle pur. Um den Klimawandel nicht aus dem Blick zu verlieren, wurde die Kategorie "Pflanzen und Planet" eingeführt. Das Gewinnerbild von 2019 des Italieners Albert Ceolan zeigt eine zerstörte Baumlandschaft in Südtirol. 14 Millionen Bäume wurden 2018 vom Sturm "Vaia" gefällt - man sieht einige windschiefe Kiefern, die sich gehalten haben in einem Meer von auf dem Boden liegenden Holzstämmen.
Die Ausstellung ist bis zum 30. April im Subtropenhof des Berggartens Hannover zu sehen, geöffnet täglich 9-17.30 Uhr. Die Aufnahmen finden sich auch unter www.igpoty.com