SZ: Herr Professor Egli, Sie sammeln Kacke aus aller Welt. Wieso?
Adrian Egli: Weil in der Kacke die Post abgeht. Darin stecken Millionen von kleinsten Lebewesen, die unsere Gesundheit beeinflussen. Das wollen wir besser verstehen.
Wenn Sie mir sagen würden "Entschuldigung, ich sammle Kacke, kann ich auch was von deiner haben?", würde ich Sie ja für verrückt halten ...
Das Image des verrückten Professors wird man tatsächlich nicht ganz los. Aber wir machen ernsthafte Forschung. Und es gibt Menschen, die ihre Proben für die Wissenschaft zur Verfügung stellen. Forschende aus Afrika, Südamerika und Asien schicken diese Stuhlproben dann an uns, das "Microbiota Vault Team" von der Uni Zürich, der Uni Lausanne und der ETH Zürich.
Und wie genau sammelt man solche Proben?
Das ist nicht ganz einfach. Man muss die Stuhlprobe in einem Spezialbehälter auffangen, wenn man auf die Toilette geht. Danach ist es ganz, ganz wichtig, dass wir diese Proben schnell einfrieren. Entweder mit einer Flüssigkeit, die extrem kalt ist, an die minus 200 Grad Celsius. Oder in einem Tiefkühler.
Und die Proben landen dann im Keller der Uni Zürich?
Genau. Dort haben wir einen großen Tiefkühler. Ganz ähnlich wie solche, in denen man zum Beispiel Chicken-Nuggets oder Pizza lagert, nur das unserer größer und noch ein bisschen kälter ist. Dort werden die Proben gelagert. Sie werden auch gefroren zu uns transportiert. Sie dürfen auf keinen Fall auftauen ...
... denn das würde dann fies stinken. Trotzdem: Stinkt Ihnen Ihre Arbeit nicht manchmal doch etwas?
Nein, die Arbeit macht mir sogar sehr viel Spaß. Es ist eine spannende und wichtige Aufgabe. Wir erforschen, was da im Darm genau passiert, finden viel Neues heraus und arbeiten in einem tollen Team.
Aber um damit zu arbeiten, müssen Sie die Proben schon auftauen, oder?
Wir kratzen mit einem scharfen Messer einen kleinen Teil der Probe weg und tauen diesen auf. Dabei tragen wir Schutzausrüstung, direkt anfassen muss man nichts. Gearbeitet wird dann mit wenigen Milligramm, in denen aber bereits Millionen unterschiedlicher Bakterien stecken.
Und was verraten die Ihnen?
Die Zusammensetzung unseres Darmes kann man sich vorstellen wie einen Legobaukasten: Da gibt es verschiedene Klötzchen, die haben verschiedene Farben und Größen. Was wir rausgefunden haben, ist, wenn bestimmte Klötzchen fehlen, also bestimmte Organismen, dann funktioniert der Körper nicht mehr so gut. Dann kriegt er zum Beispiel Asthma, Diabetes oder andere Krankheiten und Schwierigkeiten. Und wir wollen erforschen, welche Bakterien und Mikroorganismen für uns besonders wichtig sind. Das könnte zum Beispiel dabei helfen, neue Therapien für Krankheiten zu finden.
Und warum braucht es dafür Proben aus aller Welt?
Proben zum Beispiel aus dem Amazonasgebiet sind vielfältiger als Proben aus europäischen Städten. Wenn man im Westen lebt und viele Hamburger und anderes Fast Food isst, dann leiden unsere Darmbakterien unter dieser eintönigen Ernährung - und es gibt immer weniger davon. Deshalb können wir aus den Proben aus anderen Erdteilen mehr lernen.
