Zu " Weniger Tiere, höhere Fleischpreise" vom 1./2. August sowie zu " Die Vergessenen von Gütersloh" vom 8./9. Juli:
Profit vor Anstand
Die sich häufenden Skandale in der Fleischindustrie und in der Gemüseproduktion in Deutschland sind ein humanitärer Skandal. Die Produktions- und Verarbeitungsmethoden bei Schweinen und Hühnern sind gewalttätig, rücksichtslos und barbarisch! Dem Profit wird Anstand, soziales Verhalten und der Tierschutz untergeordnet. Und die Menschen, die das Ganze am Laufen halten, werden aus Bulgarien und Rumänien importiert. Die Arbeits-und Lebensbedingungen sind schändlich und erinnern an Sklavenhaltung. Von den Bürgern Deutschlands, sowie den von ihnen gewählten Behörden und Regierungen wird dieses bestialische Verhalten seit Jahren akzeptiert. Am Ende der zum Himmel schreienden Situation stehen Discounter wie Lidl und Aldi. Ihre Besitzer, Milliardäre, werden immer reicher, und die Konsumenten finanzieren dieses System und sind mitverantwortlich. Der Preis der Lebensmittel ist wichtiger als die Moral.
Pierre-François Bocion, Stein am Rhein/ Schweiz
Warnhinweis für Billigfleisch
Die Ansicht, dass an höheren Fleischpreisen kein Weg vorbeiführt und dies für Verbraucher auch zumutbar ist, teile ich. Der höhere Fleischpreis und dessen Kalkulation müssen aber unkompliziert nachvollziehbar sein, ebenso wie ein aussagekräftiges Label, das eben nicht erst zeitraubende Recherche erfordert.
Die Politik und den Handel sehe ich in der Pflicht, dem Verbraucher zeitnah durch Aufklärung ein Umdenken beizubringen: Im Handel sollte kein superbilliges Fleisch mehr angeboten werden, weil dies unter für Tier und Mensch unwürdigen Bedingungen hergestellt wird! Die Regierung sollte sofort ein verbindliches Tierwohl-Label einführen, welches aussagt, warum das Fleisch den geforderten Preis hat (Herkunft, Haltung, Schlachtung). Zur Zeit ist es doch so, dass der Verbraucher an der Ladentheke etwas kauft, von dem er zwar den Preis, nicht aber den Wert kennt. Bis zur Einführung eines einheitlichen Labels würde ich, wie bei Zigaretten, auf Billigfleischprodukten einen gut sichtbaren Warnhinweis anbringen; das ist sicher schnell umsetzbar. Wenn es Politik und Handel gelingt, mit glaubhafter Transparenz eine veränderte Kaufkultur zu schaffen, werden auch höhere Preise akzeptiert.
Und ganz klar: Unsere Bauern und Fleischerzeuger müssen für die erforderliche Umstrukturierung finanziell unterstützt werden, wobei die heutige Subventionshandhabung gleichfalls auf den Prüfstand muss.
Hans Kruft, Zirndorf
Güteklassen wie bei Eiern
Die großen deutschen Lebensmittel-Handelsfirmen betreiben eine immer aggressivere Einkaufspolitik, unabhängig vom Verkaufspreis, den sie erzielen. Die Landwirte sind dabei einfach durch ihre hohe Zahl im Nachteil, denn sie sind sich gegenseitig Konkurrenten. Wenn an der Ladentheke ein höherer Preis bezahlt wird, kommt deshalb nicht automatisch ein nennenswerter Teil beim Hersteller an.
Tierwohllabel sind meines Erachtens nur populistisch, eine Tierwohlabgabe bliebe nach Abzug von enormen Bürokratiekosten in der Summe wieder bei der Industrie hängen. Der kleine und mittlere Landwirt bekommt davon sicher kaum etwas, außer noch mehr zu stellende Anträge. Profitieren werden wie immer die Massentierhalter, die Schlachtindustrie und die Handelskonzerne. Lösungsvorschlag: Warum macht man sich nicht Gedanken, eine Klassifizierung für Fleisch einzuführen, ähnlich wie bei Eiern? Da werden drei Kriterien erfasst: Das Herstellungsland, die Haltungsart und ein Datum. Der Aufwand für Bürokratie würde sich so auf die Kontrollen beschränken und der Bauer bekäme für tierwohlgerechtere Haltung eine echte Bezahlung.
Otto Große Mühl, Bramsche
Lobbyisten als Gefahr
Der Artikel "Weniger Tiere, höhere Fleischpreise" beschreibt die komplexen Zusammenhänge umfassend. Das Einzige, was noch zu sagen wäre, ist die Hoffnung, dass die verantwortlichen Politiker standhaft bleiben in der Reformdiskussion. Die Lobbyisten der verschiedenen Industriezweige - Futtermittelhersteller, Produzenten von landwirtschaftlichen Maschinen, Herbiziden, Antibiotika, Düngemitteln etc. haben die Politik seit Jahrzehnten offensichtlich mit sehr großem Erfolg gegen demokratische Prinzipien beeinflusst. Umso dringlicher ist daher Transparenz durch ein griffiges Lobbyisten-Register zu fordern.
Dr. Peter Ochlich, Schönau