Fleischindustrie:Corona stellt eine ganze Branche infrage

Lesezeit: 3 min

Der lokale Ausbruch des Virus in Fleischbetrieben erhöht die Sorge vor einem erneuten Lockdown. Einige Leser wünschen sich, dass nun vor allem die Ursachen beseitigt werden. Sie fordern weniger Fleischverzehr und bessere Arbeitsbedingungen in Schlachtfirmen.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

Zu " Das Fleisch und sein Preis" vom 25. Juni, "Tönnies bewegt sich", 24. Juni sowie "Das Virus, das aus der Kälte kam", 23. Juni, "Es geht um die Wurst", 22. Juni und "Ein oralsadistischer Akt", 20./21. Juni:

Ausbeutung ebnet Virus den Weg

Die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus ist offensichtlich dort am größten, wo Ausbeutung von Menschen und Tieren auch am intensivsten gepflegt wird. Wenn in unserer sozialen Marktwirtschaft für den Unternehmer ein möglichst hoher Gewinn und für den Staat das Wirtschaftswachstum die primären Ziele darstellen, kann es zu solchen Katastrophen kommen. Zwar hat unser Staat Mindeststandards für Arbeitnehmer vorgeschrieben, zum Beispiel Mindestlöhne. Die aber umgeht ein geschickter Unternehmer, indem er seine Arbeiter über Werkverträge und Subunternehmen beschäftigt und so die Verpflichtung zum Mindestlohn umgeht. Hinzu kommt, dass wir heute Europa als einen Wirtschaftsraum sehen, damit auch Arbeiter aus anderen europäischen Ländern einreisen und arbeiten dürfen. Und weil damit unser Konsum, unser Wohlstand, hohe Gewinne und Wachstum gefördert werden, lässt unsere Regierung diese ausbeuterischen Methoden an Menschen und Tieren zu, nicht nur in den Fleischfabriken, auch auf Bauernhöfen und in Zuchtfarmen. Und auch in anderen Industriezweigen. Das Coronavirus befällt zuerst die Arbeiter, die bis an ihre Leistungsgrenzen ausgebeutet werden.

Es gibt noch eine Parallele: die Textilindustrie. Seit Jahren werden Textilien nicht mehr in Europa, sondern in Ostasien produziert, zum Teil unter unmenschlichen Bedingungen, auch mit Kinderarbeit. Diese Artikel werden in unseren Kaufhäusern zu Mindestpreisen verkauft. Und das Coronavirus, in Asien zuerst verbreitet, ist von dort auch zu uns nach Europa gekommen. Ist das Coronavirus vielleicht ein Angelos, ein Bote? Müssen wir nicht umdenken? Statt Wachstum durch Ausbeutung von Natur, Tierwelt, Menschen - die Sicherung und der Erhalt unseres schönen Planeten.

Ernst von der Locht, Tutzing

Schlachtbetriebe schließen

Bis zum Ende der Pandemie sollten sämtliche Schlachthöfe und Fleischfabriken geschlossen werden. Deren kühle Feuchte und Enge sind ideale Verbreitungsbedingungen für das Virus. Gesundheitlich ist es ohne Nachteile einige Monate auf Fleisch zu verzichten. Es ist unlogisch, Schulen, Kitas zu schließen, aber eigentliche Risiko-Orte weiterarbeiten zu lassen.

Dr. Holger Schmidt-Endres, Gröbenzell

Weniger Fleisch, gesünder leben

Das Entsetzen ist groß über die Zustände in der Fleischindustrie, wenn auch verwunderlich, denn neu ist hier nichts. Dennoch sind die Menschen im Kreis Gütersloh und mittlerweile auch im Kreis Warendorf zu Recht mehr als empört, dass Schulen und Kitas wieder schließen müssen, Betriebe nach kurzem Aufatmen erneut massive Umsatzeinbrüche erleiden, die Kunden wegbleiben, der Urlaub in Gefahr ist, nur weil einer seinen Verpflichtungen schon seit Jahren nicht nachkommt und auch in der Corona-Krise ein "Fleischbaron" ein schönes Geschäft mit seiner Wurst und dem Fußball macht, als sei nichts gewesen.

Wie wäre es mit höheren Preisen, und dafür einfach mal deutlich weniger Fleisch zu essen!? Wir sind durch viel billiges Fleisch (und viel billigen Zucker) eh häufig viel zu dick und werden noch immer dicker und kränker. Dieses Kaufverhalten betrifft nicht nur Einkommensschwache, sondern alle, die wir in der Kantine oder auf der Kirmes Currywurst für 1,50 Euro essen und es uns wurscht ist, wo das Fleisch, das Tier herkommt!

Fraglich bleibt, ob die Fleischbetriebe das mehr gezahlte Geld an ihre Beschäftigten und vor allem auch an die Bauern weitergeben würden, die dringend loskommen müssen von der Akkord-Aufzucht und der brutalen Hochgeschwindigkeits-Mästerei mit teils ungebremsten Hormon-und Antibiotikazusätzen. Für die Tiere, für das Klima, für uns!

Solange wir uns jedoch nach dem ersten Schock über einen drohenden neuen Corona-Lockdown bangend um Dinge sorgen wie "Gibt es noch genug zum Grillen, wenn Fleischfirmen dicht machen?" - solange wird sich nichts ändern, ob mit oder ohne Corona.

Dr. med. Imke Decius, Berlin

Tierwohl-Gesetze durchsetzen

Tierquälerei ist gesetzlich verboten. Kastenstände für Schweine sind Tierquälerei! Sie gehören sofort verboten. Unsere Landwirtschaftsminister sind freundliche, nette Menschen, aber wohl ohne Rückgrat. Dieses Verständnis für den Gesetzesbruch ist dem Bürger nicht zu erklären und schadet dem Vertrauen in die repräsentative Demokratie. Gesetze müssen durchgesetzt werden. Um Tierwohl zu definieren muss man die Tiere fragen. Hinschauen, beobachten. Sie teilen jedem mit, ob sie sich wohlfühlen.

Toni Lüdi, München

Glückliche Kuh, besseres Fleisch

Auf dem Dach des Mammut-Schlachtbetriebs Tönnies im Kreis Gütersloh prangt weithin sichtbar das Firmenlogo: 3 fröhlich lachende Schlachttiere, Stier, Kuh und Schwein. Grausamer Hohn! Die Firmenleitung nimmt nicht nur den Schaden an der Gesundheit der größtenteils ausländischen Mitarbeiter in Kauf, die den Lohn dringend zum Unterhalt ihrer Familien benötigen und deshalb hier arbeiten. Sie nimmt auch das täglich tausendfache Leid der Tiere in Kauf, Mitgeschöpfe, die Schmerz und Angst so empfinden können wie wir Menschen.

Die Missstände schreien zum Himmel und ziehen weltweite Kreise bis zum Abholzen des für die Menschheit überlebenswichtigen Regenwaldes zum Anbau von Soja für die Massentierhaltung. Die kleinen Bauern, die auch zum Unterhalt schlachten, aber den Tieren ein artgerechtes Leben auf Wiesen gönnen, bleiben auf der Strecke. Es ist inzwischen bewiesen, dass diese "glücklichen Kühe" eine andere Qualität von Milch und Fleisch liefern, als die gestressten und gequälten.

Angela Brogsitter-Finck, Waakirchen

Staat muss Arbeiter schützen

Der Coronavirus macht die Schwächen unserer Gesellschaft sichtbar. Die verheerenden Zustände in deutschen Schlachthöfen und der fleischverarbeitenden Industrie sind seit Längerem bekannt. Wer Menschen wie Sklaven behandelt, verletzt die Grundprinzipien einer sozialen Marktwirtschaft. Ein ordnungspolitisches Eingreifen des Gesetzgebers zum Schutz und Wohle der Bevölkerung ist dringend erforderlich.

Dr. Charles Woyth, Berlin

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: