Flächenfraß in Bayern:Das Beuteland der Scheinheiligen

Zustimmende Leserreaktionen zu einem Gastkommentar von Hans Well, der sich kritisch mit der CSU-Landespolitik auseinandergesetzt hat.

Flächenfraß in Bayern: Heimat – und das, was Politik manchmal draus macht: Eine Autobahnbrücke der A 94 bei Dorfen, dahinter die Gemeinde Obertaufkirchen.

Heimat – und das, was Politik manchmal draus macht: Eine Autobahnbrücke der A 94 bei Dorfen, dahinter die Gemeinde Obertaufkirchen.

(Foto: Sebastian Beck)

"Heimatjodelei" vom 3. Juni:

Entlarvte Politik

Hans Well hat wieder mal mit unübertroffenem Witz und Sarkasmus die scheinheilige bayerische CSU-Politik zum Thema Landesentwicklung und Flächenverbrauch entlarvt.

Schon im Jahr 2020 sollte mit dem novellierten Landesplanungsgesetzes beim Flächenfraß der Richtwert auf elf Hektar/Tag gar halbiert werden. Dieses Ziel und die Aussagen dazu sind Augenwischerei und ohne Substanz. Ein Indiz dafür ist der Plan der Staatsregierung, jetzt plötzlich auch die Grünstreifen und die sonstigen nicht versiegelten, sprich zubetonierten oder asphaltierten Freiflächen herauszurechnen. Und schon ist das Ziel weitgehend erreicht, ohne dass sich beim Flächenverbrauch substanziell etwas verbessert hätte. Es wird also wieder mal getrickst und der Bürger für dumm verkauft.

Dabei gäbe es mit etwas Fantasie und Willen eine Reihe von geeigneten Maßnahmen, um Fläche zu sparen: Zum Beispiel durch Änderungen im Baurecht könnte erreicht werden, dass Einkaufsmärkte einen Großteil der ausufernden Parkplätze unter dem Gebäude oder auf deren Dach platzieren müssten, oder die erneute Einführung eines strikten Anbindegebotes an den Ort, um die Zersiedelung und Versiegelung der Landschaft einzudämmen und die Ortszentren zu stärken.

Dieses politische Vorgehen erinnert auch an die Jahrzehnte währenden Sprüche der Güterverkehrsverlagerung auf die Schiene. Nach wie vor wird der Schienen-Güterverkehr zugunsten der Lastwagen ausgebremst, wo nur möglich (erst Dobrindt und Scheuer, jetzt Wissing von der FDP). Dafür wird das Land mit immer mehr und breiteren Straßen asphaltiert, ohne den Verkehrsstaus hinterherzukommen. Gleichzeitig hat die bayerische Staatsregierung die Chuzpe, lautstark die Einstellung der Blockabfertigung auf der Brenner-Autobahn bei Kiefersfelden zu fordern, anstatt die Bahnstrecke zum Brennerzulauf endlich voranzubringen. Der Brennerbasistunnel und Österreich und Italien sind demnächst mit ihren Strecken fertig.

Also, es braucht in Bayerns Regierung dringend ein ökologisches Regulativ. Der Bürger hat nächstes Jahr die Gelegenheit, dafür zu sorgen.

Herbert Miehle, Augsburg

Nachhaltigkeit

Well fordert Nachhaltigkeit. Das Problem ist der laufende chemische, genetische und technische Fortschritt der konventionellen deutschen Landwirtschaft, der zu Weizen-, Milch- und Schweinefleisch-Überschüssen auf immer kleinerer Fläche führt, und gleichzeitig zu immer stärkeren Beeinträchtigungen von Boden, Wasser, Luft und Klima. Die Landwirte wollen an den entbehrlich werdenden Flächen laufend verdienen, was durch hochsubventionierte Blühstreifen und Pflegeflächen sowie auch durch den sehr umweltbelastenden Energiepflanzenanbau möglich ist. Mit Blühstreifen, Pflegeflächen und Energiepflanzen wird die konventionelle Landwirtschaft verfestigt und von deren Umweltbelastungen abgelenkt. Da in Deutschland etwa 60 Prozent der Agrarflächen Pachtflächen sind, lehnen Landwirte überwiegend Baulandausweisungen ab, denn Nutznießer davon sind überwiegend ihre Verpächter. Der konventionelle Landwirt zeigt durch die Anwendung von Kunstdünger und Bioziden, dass er die natürliche Bodenfruchtbarkeit nicht angemessen wertschätzt. Flächendeckender Biolandbau nutzt flächendeckend die natürliche Bodenfruchtbarkeit, vermeidet Umweltbelastungen. Die in der Agrarlandschaft seltenen Arten haben sich jahrhundertelang auf den damals sanften, chemiefreien Landbau hinevolutioniert, die dem heutigen Biolandbau entspricht. Künstliche Pflegeflächen und Blühstreifen dienen dem Artenschutz weniger als Biolandbau, verfestigen den konventionellen Landbau, sind nicht nachhaltig.

Wolfgang Maucksch, Herrieden

Verlogen

Bravo, Hans Well bringt es wieder einmal auf den Punkt. Die ganze Scheinheiligkeit der Heimatverbundenheit und Heimatliebe der vermeintlich christlichen, der Schöpfung verpflichteten CSU ist ein einziges Ärgernis, wenn man die "Nachhaltigkeit" der in politischer Verantwortung getroffenen Entscheidungen und Auswirkungen sieht. Es "jodelt" nicht nur aus der Lederhose, sondern auch aus dem Businesskostüm.

Leider wird das "Dahoam" auch in Funk und Fernsehen in gleicher Weise präsentiert - mit wenig Anspruch und Nachhaltigkeit. Armes Bayern!

Gabriele Frank, Olching

Willfährige Politiker

Was Hans Well in seinem Gastbeitrag vom 3. Juni skizziert, ist genauso tragisch wie zutreffend. Zugespitzt, pervertiert und hoffentlich beispiellos spielt sich die von ihm beschriebene Entwicklung in unserem Heimatort, dem mittelfränkischen Allersberg ab. Anstelle eines Gewerbegebietes aus einem Mix unterschiedlicher Branchen, welche die Wirtschaft unseres Ortes und der gesamten Region stärken würden, entscheidet sich der Gemeinderat für ein Sondergebiet, um dort ein Logistikzentrum zu errichten. Und das auf Flächen, die aufgrund ihrer exzellenten Lage mit zu den begehrtesten Flächen für gewerbliche Nutzung jedweder Art in ganz Süddeutschland gehören und so nicht nur deutlich gewinnbringender, sondern auch nachhaltiger entwickelt werden könnten (Stichwörter: Durchgrünung, Gewerbesteuer).

Aber was hat dann den Gemeinderat zu diesem schlecht nachvollziehbaren Beschluss zugunsten der Logistik bewegt? Nun, Unangenehmes stellt man am besten als alternativlos dar. Und so geschah es in Allersberg: Leider dürften sich auf diesen Flächen nur Logistikbetriebe ansiedeln oder aber auch Tierkörperbeseitigungs- und Müllverbrennungsanlagen... So bestimme es nun einmal das bayerische Landesentwicklungsprogramm (LEP)... hieß es denn vom Bürgermeister und seiner Fraktion, aus den Freien Wählern und dem Allersberger Bürgerforum. Amazon oder Krematorien...? Dann doch lieber Amazon, denkt sich natürlich die gutgläubige Bürgerin. Tatsächlich allerdings fordert das LEP ganz im Gegenteil, dass zuerst einmal die bereits an bestehende Siedlungsstrukturen angebundenen Flächen zu entwickeln sind. Und dann ist "grüne Wiese" verfügbar und für vielfältigere Unternehmen kleinteiliger, nachhaltiger und gewinnbringender nutzbar. Das aber wäre ganz und gar nicht im Sinne des Projektentwicklers von Amazon, der das Projekt "Amazon in Allersberg" schon seit mindestens vier Jahren vorantreibt. Marktübliche Preise zahlen sie zwar für den Quadratmeter, aber marktübliche Gewerbesteuereinnahmen bieten sie nicht - dafür aber einen sprunghaften Anstieg der Verkehrsbelastung. Und die maximale Flächenversiegelung. Und da wären wir bei den "willfährigen Politikern", die Hans Well in seinem Artikel erwähnt.

Sarah Brückmann, Allersberg

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