"Wenn Nazis lachen" vom 27. Januar:
Wo es nichts zu lachen gibt
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre kritische Würdigung der "Feuerzangenbowle", die sich auch nach 80 Jahren immer noch einer völlig unreflektierten Beliebtheit erfreut. Dies gilt auch für die Programmgestaltung der ARD, die über mehrere Jahre die "Feuerzangenbowle" ausgerechnet regelmäßig im Heiligabend-Programm ausstrahlte.
In Ihrem Beitrag belegen Sie sehr deutlich, dass der Film in keiner Weise unbelastet ist. Nicht allein wegen der Begleitumstände, durch die es Heinz Rühmann gelang, dass der Film 1944 gegen den Widerstand des Reichspropagandaministers gezeigt werden konnte, auch nicht wegen der subtilen Verkehrung der eigentlich harmlosen Pennälerklamotte in einen Agitationsfilm, sondern vor allem weil dieser Film mit seiner "wehleidigen Sentimentalität" "schon mit der Verdrängung der Schuld beginnt, während sie noch geschieht", wie Sie schreiben.
Das ist es, was mich an der Rolle von Heinz Rühmann während des Krieges so empört hat: die Menschen zum Lachen zu bringen, wo es einfach nichts zu lachen gab, von einer Vergangenheit zu träumen, die es ebenso wenig gab, sich nach Versöhnung zu sehnen, ohne sich der eigenen Schuld und Verstrickung gewahr zu sein, die wohl jedes Lachen im Hals erstickte. Das setzte sich dann sogar in einigen albernen und seichten Filmen der frühen Nachkriegszeit fort. Mich hat das alles deshalb so empört, weil ich als Heranwachsender in den 50er-Jahren natürlich an den Rühmann-Filmen meinen Spaß gehabt und nicht gesehen habe, wie perfide die Nazi-Propaganda auch in der frühen Nachkriegszeit und bis heute ihre Wirkung entfaltet.
Fred Dorn, Kassel
"Mehr Disziplin"
Um es gleich zu sagen: Ich bin ein ausgesprochener Fan der "Feuerzangenbowle" und des Hauptdarstellers Heinz Rühmann. Als ich Anfang der 90er-Jahre in Heidelberg studiert habe, war es üblich, dass dieser Film kurz vor Weihnachten den Studenten in der Altstadt vorgeführt wurde. Dabei hatte jeder Lebkuchen und Glühwein dabei und war dankbar für diese zwanglose Zerstreuung. Ich spreche auch im Namen meiner ehemaligen Kommilitonen, die dabei nie irgendeine Nähe zum Nationalsozialismus empfunden haben. Damals gab es auch die AfD noch nicht. Ich möchte die Verbrechen während des "Dritten Reiches" gar nicht verharmlosen und die Tatsache, dass Heinz Rühmann ein Mitläufer war und eine jüdische Frau hatte, ist historisch belegt. Es stellt sich nur die Frage, ob Sie mit diesem Artikel seiner Person gerecht werden. Heinz Rühmann war insbesondere in der Nachkriegszeit bei vielen Deutschen beliebt, weil er in seinen Rollen den "kleinen Mann" verkörperte.
Was mich weiterhin an Ihrem Artikel stört, ist die negative Interpretation jeder Szene des Filmes als nationalsozialistische Propaganda. Als "ideologische Schlüsselszene" führt Frau Sonja Zekri das Gespräch zwischen dem gutmütigen Professor Bömmel und dem jungen schneidigen Lehrer Brett an, in welchem über die richtige Methode des Unterrichts mit jungen Menschen gesprochen wird. Brett sagt, dass junge Menschen angebunden werden müssen wie Bäume, damit sie nicht nach allen Richtungen hin ausschlagen: "Disziplin muss das Band sein, das sie bindet - zu schönem geradem Wachstum." Mir ist bewusst, dass hier vonseiten der NS-Ideologie Einfluss geübt wurde. Jedoch ändert das nichts an der Tatsache, dass die Aussage des Lehrers Brett richtig bleibt und gerade heute von besonderer Bedeutung ist. Einer meiner Arbeitskollegen kennt eine Gemeinschaftsschullehrerin, die "fast jeden Tag weint", weil die Zustände in dieser Schule einfach untragbar geworden sind. "Mehr Disziplin" sollten wir auch als Gesellschaft von unserer Jugend einfordern.
Der Film ist nicht wegen seiner Handlung (oder wegen angeblicher Schlüsselszenen) ein Propagandafilm, sondern wegen der Tatsache, dass das NS-Regime ihn dazu missbraucht hat, eine Scheinwelt aufzubauen, um den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken.
Uwe Rilling, Bad Buchau
Harmlose Fassade
Ich danke Frau Zekri außerordentlich dafür, die "Feuerzangenbowle" in zeitgenössische Zusammenhänge und in die historische Kontinuität zu stellen. Als Gymnasiast fand ich - altersbedingt - den Film immer sehr lustig, im späteren Geschichtsstudium taten sich dann ganz andere Perspektiven auf. Es fiel mir immer schwer zu verstehen, wieso offensichtliche aktive Mitläufer wie Rühmann nach dem Krieg einfach so weitermachen konnten. Aber eine harmlose Fassade und ein verschmitztes Lächeln trugen offensichtlich sehr weit. Erschreckend, aber auch irgendwie bezeichnend, dass die Vorführungsrechte für die "Feuerzangenbowle" bei einer AfD-Person liegen. Die ARD sollte dieses Machwerk wirklich aus den Weihnachtsprogrammen entfernen.
Alexander Weger, Bamberg
Bevölkerung ist weiter
Ihren Artikel habe ich mit Interesse, aber auch mit einigem Unverständnis gelesen. Was genau wollen Sie uns Lesern vermitteln? Dass die "Feuerzangenbowle" ein Film war, der von den Nazigrößen goutiert wurde? Ja, aber war und ist schon deshalb der Film verwerflich? Dass die "Feuerzangenbowle" die kriegsmüden Deutschen aufheitern sollte? Ja, aber was ist daran so schlimm? Dass Heinz Rühmann ein geschmeidiger Opportunist war? Ja, aber war er deshalb ein schlechter Schauspieler?
"Die AfD bereitet sich auf ein Jahr mit großen Erfolgen und anschließendem Umbau der Erinnerungskultur vor", schreiben Sie. Das ist leider so. Da hätte Politik und Bevölkerung längst dagegenhalten müssen. Die endlich aufgewachte schweigende Mehrheit muss weiter gegen die AfD kämpfen, genauso, wie wir alle gegen Antisemitismus kämpfen müssen. Für diese Kämpfe ist es jedoch völlig unwichtig, ob ein Film wie die "Feuerzangenbowle" nicht mehr gezeigt wird. Unsere Bevölkerung ist viel weiter, als Sie es befürchten. Also lassen Sie die Bürger entscheiden, was sie sehen wollen, was sie für richtig oder falsch halten.
Hans Kruft, Zirndorf
Überzogene Moral
Verzeihen Sie mir, dass ich als ehemaliger Deutschlehrer Sie darauf hinweisen muss, dass Sie sich als Redakteurin selbstkritisch Ihrer Deutungshoheit bewusst sein sollten. Sie vermengen mit Ihrer Rhetorik Fakten mit unterschwelligen moralischen Bewertungen. Nicht nur deshalb ist die Überschrift "Wenn Nazis lachen" meiner Ansicht nach misslungen. Im Germanistikseminar zum Thema Sprachkritik hätte man gerade mit Ihrem Artikel ein sehr gutes Beispiel, wie man mit überzogenem moralischen Anspruch Leser zu manipulieren versucht.
Bernward Heinze, Drage
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