Fall Wedel:Das System hinterfragen

Die Vorwürfe gegen den Filmregisseur Dieter Wedel wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung wiegen schwer. Ein Leser meint, sich aber jetzt an ihm als Einzelfall aufzuhängen, greife zu kurz. Das verdeutlicht auch der Brief einer Leserin.

Zu den Artikeln "Macht und Schande", "Vertuscht" und "Mitten in ..." sowie "Nicht mehr mit mir" im SZ-Magazin vom 26. Januar:

Heribert Prantls Verweis auf die bestehende Rechtslage beim Fall Dieter Wedel kann man uneingeschränkt zustimmen. Dieser ist jedoch auch letztlich banal: Unabhängig vom Ansehen und der Stellung einer Person muss die Staatsanwaltschaft tätig werden, wenn ein hinreichender Anfangsverdacht auf eine Straftat besteht, bei der auch davon ausgegangen werden kann, dass diese gegebenenfalls noch nicht verjährt ist. Das gilt für jede Art von Straftat. Insofern kann man den Kern des Kommentars ja nur dahingehend deuten, dass er auf die besondere moralische Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Anstalten verweisen möchte, etwaigen Anschuldigungen sorgfältig nachzugehen. Dies erstaunt dann doch. Hat eine private Produktionsfirma etwa mehr Spielraum bei der Bewertung von Anschuldigungen? Sind sexuelle Missbräuche bei der ARD anders zu bewerten als bei RTL? Und wenn wir dann tatsächlich zu der Erkenntnis kommen, dass die ARD andere Compliance Standards braucht, dann stellt sich viel umfassender die Frage, ob öffentlich-rechtliche Anstalten grundsätzlich mit Personen und Organisationen nicht zusammenarbeiten sollten, gegen die Ermittlungsverfahren laufen oder die vorbestraft sind. Dies wäre schon eine Novität, denn dann dürften öffentlich-rechtliche Sender nicht mehr mit Fifa, IOC oder DFB Verträge in Millionenhöhe abschließen. Dies wäre dann tatsächlich ein grundsätzlich höherer moralischer Standard.

Sich jetzt am Einzelfall des Dieter Wedel lautstark aufzuhängen, ist wohlfeil und greift zu kurz. Dann muss man das gesamte System hinterfragen. Schön wäre es.

Prof. Thomas Bausch, Seeshaupt

Sexistisch und stereotyp

Mit großem Interesse habe ich sowohl den Artikel von Emilia Smechowski im SZ-Magazin als auch den zu Dieter Wedel auf der Panoramaseite gelesen - beides differenzierte Beiträge zum Thema "Me Too".

Umso befremdlicher haben in diesem Zusammenhang die direkt unter dem Dieter-Wedel-Artikel platzierten Zeichnungen der Rubrik "Mitten in ..." gewirkt. Auf zwei der drei Bilder werden Frauen auf - wie ich finde - sexistische und stereotype Weise abgebildet: Einmal geht es im Text um junge Russinnen mit Babys - das dazugehörige Bild zeigt aber die Billig-Porno-Karikatur einer halbnackten Frau. Der zweite Text beschreibt das Verhalten eines berufstätigen Mannes - das Bild aber fantasiert ihm ohne Zusammenhang eine völlig überforderte Hausfrau und Mutter dazu. Ich würde mich freuen, wenn die Zeitung, die ich sonst mit großem Gewinn lese, auch an dieser Stelle auf Bedeutung und Kontext von Illustrationen achten würde.

Anja Robert, Bremen

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