
Zu " Der Staat Europa" vom 9./10. Mai, " Zwischen den Fronten" vom 7. Mai, " Revolte der Richter" und " EZB handelt teilweise verfassungswidrig" vom 6. Mai:
Mehr Geduld mit Europa
Kommentator Prantl ist ein Kämpfer für Europa. Aber mit seiner Kritik an der Karlsruher Entscheidung in "Der Staat Europa" schadet er dem Bau an Europa als Haus mit vielen Zimmern. Wer eine gute Vision mit der Realität verwechselt, erweist der Vision einen schlechten Dienst. Es wäre gut, wenn Europa schon ein Staat wäre. Aber das ist Europa noch nicht. Wer so tut, als sei Europa schon eine Rechtsgemeinschaft, der schadet der Entwicklung zu mehr Europa.
Ein gemeinsamer Markt und wenige gemeinsame Gesetze sind noch sehr weit entfernt von einer Rechtsgemeinschaft, zu der bekanntlich auch soziale und fiskalische Einigkeit gehören. Prantl vereinfacht grob, wenn er den Anschein erweckt, Europa sei zu retten, wenn die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) unabhängig gemacht würden von den demokratisch gewählten Parlamenten. Diese Parlamente repräsentieren die Bevölkerungen der EU-Länder. Das Gefühl der europäischen Identität ist in diesen Bevölkerungen noch schwach ausgeprägt.
Wer an diesem Pflänzchen zieht, statt es geduldig zu pflegen, der erreicht kein schnelleres Wachstum, sondern das Gegenteil davon. Zu viel Ungeduld, so gut sie auch gemeint sein mag, bedroht den Prozess der Einigung, statt ihn anzuschieben.
Dr. Hans-Joachim Schemel, München
Legitimation fehlt
Das Bundesverfassungsgericht (BVG) ist durch das Grundgesetz gedeckt und der Demokratie verpflichtet. Im Gegensatz zum BVG ist die EZB im Dilemma, denn sie ist nicht demokratisch legitimiert. Staatsfinanzierung ist der EZB untersagt. Da sie dies - wenngleich nicht unmittelbar - dennoch tut, handelt sie kompetenzwidrig ("ultra vires"). Daher ist die Verhältnismäßigkeit durch demokratisch legitimierte Bundesorgane zu prüfen!
Die EZB hat den risikolosen Zins abgeschafft mit der fatalen Folge, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge mehrerer Generationen zugrunde gerichtet wurde. Die Niedrigzinspolitik der EZB sollte der Sanierung der Staatsfinanzen mehrerer Euro-Länder dienen. Diese nutzten sie jedoch bisher nicht, um Reformen durchzuführen. Auch hier greift das Prinzip der Verhältnismäßigkeit! Letztlich bewirkt das Urteil des BVG nicht eine Schwächung der europäischen Rechtsgemeinschaft; vielmehr stärkt es die Legitimierbarkeit der EZB-Entscheide.
Erwin Voit, München
EZB verhindert Staatsbankrotte
Die Europäische Union erscheint zerstritten und ein Stück weit chaotisch. Man sollte aber nicht der EU die Schuld dafür geben, sondern den "schwarzen Schafen" darin. Nun sorgt das jüngste Urteil des deutschen Verfassungsgerichts für weiteren Zündstoff. Der tiefere Grund für diese Turbulenzen ist aber der riesige deutsche Exportüberschuss, der andere Länder in die Schuldenfalle bringt. Ohne die Anleihenkäufe durch die EZB bekämen ärmere Länder keine Kredite zur Deckung ihres Staatsdefizits mehr (oder nur noch kurze Zeit, zu Wucherzinsen, bis zum endgültigen Zusammenbruch). So aber können diese Länder sich weiter verschulden, und das sichert unsere Exporte und die Arbeitsplätze, die daran hängen. Zwar hat man Staatsfinanzierung durch eine Zentralbank (durch Geldschöpfung) verboten. Aber nur, weil die steigende Geldmenge früher zu Inflationen geführt hat. Heute will man sogar ein bisschen Inflation, weil eine gewisse Geldentwertung gut wäre, erreicht aber zu wenig davon. Der Grund: Der Produktionsapparat in den Industrieländern ist so gewachsen, dass er die gesteigerte Nachfrage durch die Geldschwemme locker befriedigen kann. So bleibt die Inflation aus.
Auch das wegen der lockeren Geldpolitik niedrige Zinsniveau ist gut, wenn auch gewisse Kreise Alarm schlagen, weil Sparer "enteignet" würden. Zinsen sind ein notwendiges Regulativ für den Geldmarkt, aber stets auch ein Geldtransfer von Arm nach Reich. Zwar sind die EZB-Aufkäufe von Staatspapieren nur ein Notbehelf. Vor einem Stopp derselben - mit folgendem Staatsbankrott vieler Länder - müssten aber die Ursachen beseitigt werden, die weniger exportstarken Länder in Arbeitslosigkeit und Verschulung bringen: Durch Abkehr von der Laissez-faire-Politik mit der Quasiherrschaft internationaler Konzerne sowie durch ein Streben in Richtung von Außenhandelsgleichgewichten zwischen den Ländern.
Hans Oette, Neuenstadt
Zerreißprobe für die EU
Die Geburtsfehler des Euro werden sich nicht mit Argumenten für eine gute Gemeinschaft aus der europäischen Welt schaffen lassen. Ein Weiter-so darf es um der Sache selbst nicht geben! Es sind nicht die Richter des BGH, die sich in Szene setzen, sondern das Unvermögen der Politik über Jahrzehnte, das sie ungewollt ins Rampenlicht schiebt. Es werden auch nicht Richter die nächste Bundestagswahl entscheiden, sondern Politiker und Medien, die den Warnschuss auch diesmal nicht hören wollen.
Wolfgang Ulbricht, München