Süddeutsche Zeitung

Exzellenzuniversität:Ein Armutszeugnis

Ein Leserbriefschreiber glaubt, mit der Exzellenzinitiative werde eine Zweiklassengesellschaft betoniert. Ein anderer Schreiber meint, an vielen Universitäten werde die Lehre vernachlässigt, obwohl sie das eigentlich Entscheidende sei.

Zu "Klingt super" vom 27./28. Juli und "Zwei Klassen" vom 20./21. Juli:

Sicher gibt es gute und weniger gute Universitäten in Deutschland, wie überall in der Welt. Aber einige über andere zu erheben, wie mit der Exzellenzinitiative des Bundes seit 2006, betoniert die universitäre Zweiklassengesellschaft. Für Studierende ist dieser Klassenunterschied der Universitäten für ihre spätere Karriere ganz entscheidend, denn der Excellent Student bekommt den besseren Job, das höhere Gehalt und noch andere Privilegien gratis dazu. Haben das die Initiatoren der Exzellenzidee bedacht? Wer beispielsweise in Harvard studiert, hat schon vor Studienabschluss den Job mit hohem Gehalt und gesellschaftlicher Anerkennung sicher. Welche Auswüchse dieses Ranking-System in den USA hat, zeigen die kürzlich öffentlich gemachten Bestechungsgelder reicher US-Eltern, die damit ihre privilegierten Kinder an solchen Universitäten unterbringen konnten.

Dr. Harald Reich, Neusäß

Der Artikel behandelt ein zentrales Problem der Kür von Exzellenzuniversitäten, nämlich das der Lehre. Die Lehre kommt allerdings allenfalls als Stiefkind am Rande vor. Bei der Auswahl von Exzellenzuniversitäten spielt sie keine Rolle, was eine beharrliche Tradition im Selbstverständnis der allermeisten Universitäten fortschreibt. Zwar gibt es das Mantra der Einheit von Forschung und Lehre, bewertet aber wird bei der Exzellenz in der Regel auch von Berufungskommissionen nur Erstere. Die Qualität der Lehre wird sich dann schon irgendwie ergeben.

Nun mag es zwar sein, dass ein exzellenter Forscher auch ein exzellenter Lehrer ist, die Regel aber ist das nicht. Nicht wenige sehen die Lehre eher als lästige Nebenbeschäftigung an, die der Arbeit an Forschungsprojekten oder an der Konstruktion neuer Exzellenzcluster eher hinderlich ist. Die universitäre Lehre ist nach wie vor die einzige Unterrichtstätigkeit, für deren Ausübung keinerlei pädagogische Ausbildung, geschweige denn Prüfung verlangt wird. Bis zum heutigen Tag führt die Evaluation der Lehre an den meisten Universitäten ein kümmerliches Schattendasein. Also tun angehende Studierende gut daran, sich bei der Suche nach einem Studienort nicht um die jetzt vergebenen Titel zu kümmern, sondern sich zu erkundigen, wie es mit der Qualität der Lehre bestellt ist.

Dr. Hartmut Stenzel, Gießen

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4568428
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.