Süddeutsche Zeitung

Europa:Offensiv verteidigen

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Die EU habe ein Recht darauf, die osteuropäischen Staaten auf eine liberale Gesellschaft zu verpflichten, meint ein Leser.

"Der große Riss" vom 5./6./7. Januar:

Mit oben genanntem Kommentar hat Daniel Brössler einen höchst beachtenswerten, sehr zeitgemäßen Beitrag zur gegenwärtigen Debatte um den Zustand der EU geleistet. In der Tat steht die EU an einem Scheideweg: Hält sie an ihren demokratischen, rechtsstaatlichen Prinzipien fest, entwickelt sie die gemeinsame Struktur weiter, wie es der französische Präsident Emmanuel Macron visionär postuliert, hat sie nicht nur eine Chance, sondern auch eine Berechtigung zur Fortexistenz. Versagt sie in diesen Fragen, ist ihr unrühmliches Ende wohl kaum vermeidbar. Es waren ja gerade diese politischen Prinzipien, die neben der ökonomischen Potenz die Strahlkraft der EU entwickelten, von denen sich die Osteuropäer zu Recht angezogen fühlten. Sie hatten ihre Erfahrungen mit diktatorischen, von der Sowjetunion installierten Regimes machen müssen. Politiker wie Václav Havel, Gyula Horn oder Lech Wałęsa hatten sehr gute Gründe, den europäischen Weg zu wählen.

Es ist deshalb mehr als berechtigt, wenn Brössler deren Nachfolger in Ungarn, Polen und Tschechien an den großen, begeistert aufgenommenen Aufbruch von 1989/1990 erinnert und die Frage aufwirft, wie sie mit dem Erbe umgehen wollen. Heute daran zu erinnern, ist alles andere als Bevormundung, es ist ebenso wenig das Einklagen von vermeintlichen "Rückzahlungsverpflichtungen". Es ist vielmehr die "Gretchenfrage" unserer Zeit: Wie hältst du es mit Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechten in einer liberalen Gesellschaft? Die EU hat ein Recht, darauf eine Antwort zu erhalten. Sie muss freilich auch darauf bestehen, diese Antwort zu bekommen, und ihrerseits alles tun, diese Prinzipien offensiv zu verteidigen. Und gerade da liegt auch in Deutschland einiges im Argen, machen sich doch quer durch die Parteien Stimmungen bemerkbar, die von Aufweichungstendenzen in diesen Fragen zeugen. Manfred Quiring, Hohen Neuendorf

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Quelle:
SZ vom 17.01.2018
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