Erziehung:Runter von den Polstern

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S-Bahn-Sitze zu verschmutzen sei die Aufgabe aller Kinder. Diesen Erziehungstipp gibt Collien Ulmen-Fernandes. Die Leser wehren sich. Schuhe haben auf Polstern nichts zu suchen.

"Familientrio" vom 19./20. August:

Einfach mal S-Bahn fahren

Mit großem Interesse lese ich das Familientrio. Diesmal schrieb Susanne L. aus Grafrath, dass es sie nerve, wenn Kinder in Anwesenheit ihrer Eltern in Restaurants, Hotels und S-Bahnen mit schmutzigen Schuhen auf den Polstern rumklettern.

Ich habe schon des Öfteren festgestellt, dass Frau Ulmen-Fernandes die herkömmlichen pädagogischen Ratschläge etwas gegen den Strich bürstet. Was sie sich allerdings mit der letzten Kolumne geleistet hat, schlägt dem Fass den Boden aus. Als Pädagogin, die sich in über 40 Berufsjahren bemüht hat, Kindern Respekt vor anderen Menschen und einen achtsamen Umgang mit Ressourcen beizubringen, bleibt mir buchstäblich die Spucke weg. Vielleicht fährt Frau Ulmen nicht allzu häufig mit der S- oder U-Bahn in Berlin? Ich finde es jedenfalls nicht gerade angenehm, wenn ich auf dem Weg ins Theater einen Sitz vorfinde, an dem noch Hundekacke klebt, weil es angeblich "die Aufgabe aller Kinder ist, (die Sitze) zu verschmutzen und darauf herumzuhüpfen". Geben Sie die Kolumne doch an ein erfahrenes Elternpaar, beispielsweise aus einem SOS-Kinderdorf, weiter und ersparen Sie uns in Zukunft den Unsinn von Frau Ulmen. Ethel Machnitzky-Baron, Röthenbach

Elementare Hygiene

Mit großer Verwunderung und schließlich Empörung habe ich die seltsamen Kommentare Ihres Familientrios gelesen. Ich halte es mit Susanne L. aus Grafrath und stelle Kinder und Erwachsene freundlich zur Rede, die ihre Schuhe, Rucksäcke und Reisetaschen vom Boden auf Sitze stellen. Und ich lasse in meinem Alltag große Sorgfalt walten, indem ich nach Betreten der Wohnung nicht nur die Schuhe, sondern auch die Hose wechsle. Jüngst machte ich in der Münstertalbahn eine solche empörende Erfahrung: Zwei Kinder turnten in Sandalen neben ihrer gleichgültigen Mutter auf den Polstern herum. Freundlich angesprochen "Guten Tag, dürft ihr das auch zu Hause machen?", antwortete die zornige Mutter: "Sie sind kinderfeindlich. Kinder dürfen das. Sie haben das Recht, die Schuhe auf die Polster zu stellen!" Neben verstohlen-verständnisvollen bis dankbaren Blicken anderer Passagiere handelte ich mir gleichlautend die massive Kritik eines Mannes mittleren Alters ein, ich hätte kein Verständnis für die Bedürfnisse kleiner Kinder. Meine Reaktion, man sollte auch diese durch Vorbild und Ermahnung zur Beachtung elementarer hygienischer Grundsätze und damit zu gesellschaftsverträglichem statt asozialem Verhalten anleiten, wurde mit Spott und Kopfschütteln bedient. Da bekomme ich nachträglich großen Respekt vor den Kindern unserer Nachbarn, meinen Enkeln und Kindern, die auch bei Bahnreisen keine besondere Lautstärke brauchen, um neugierig und fröhlich zu sein. Wolfgang Heinz, Bad Krozingen

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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