Erneuerbare Energien:Windkraft im Kreuzfeuer der Kritik

Die Pläne von Minister Habeck erzürnen viele SZ-Leser. Speziell, wenn es um die "Verspargelung" der Landschaft geht, bläst ihm heftiger Gegenwind entgegen.

Sachsen startet Kampagne für Erneuerbare Energien

Bejubelt und verteufelt zugleich: Windräder in Deutschland.

(Foto: dpa)

Zu "Schluss mit Bullerbü" vom 14. Januar, zu "Ganz klar ein Spalterthema" vom 25. Januar, zu "Minister fürs Gigantische" und "Habecks Projekt" vom 12. Januar:

Dezentraler Ökostrom

Bis 2030 soll der Anteil des Ökostroms von heute 42 Prozent auf 80 Prozent steigen. Das ist notwendig, aber eine große Herausforderung. Dazu hat Minister Robert Habeck zwei Gesetzespakete angekündigt. Doch einiges ist schon durchgesickert: Er will die Windkraft auf See massiv ausbauen. Diese ist die teuerste Form des Ökostroms und das Gegenteil einer dezentralen Ökostromversorgung. Auch die Ankündigung einer massiven Aufstockung der Ausschreibungen für Wind- und Solarparks dient den Konzernen und großen Unternehmen, die der Bürgerenergie keine Chance lassen.

Eine dezentrale Ökostromversorgung war aber das ursprüngliche Ziel von SPD und Grünen im Jahre 1998. Heute wird darüber nicht einmal mehr geredet. Diese wäre aber die Chance, alle Bürger und Bürgerinnen mit ins Boot zu nehmen. Photovoltaik, ausgenommen Agro-PV, gehört nicht auf Grünflächen, sondern auf Dächer und an Hausfassaden. Inzwischen gibt es die Technik der Solardachziegel und der in Hausputz integrierten Solarzellen. Dies massiv zu fördern, wäre kostengünstiger, da dadurch weniger Netzbedarf besteht. Zudem sind sie schneller zu installieren und es entstehen mehr Arbeitsplätze, die wiederum mehr Steuern generieren.

Artur Borst, Tübingen

Tropenholz für Windräder

Ich möchte die ambitionierten Bestrebungen von Wirtschaftsminister Habeck zum Ausbau der Windkraft zum Anlass nehmen, um auf einen offensichtlich drastisch klimanegativen Aspekt der derzeitigen Windradproduktion hinzuweisen. Der Kern eines 80 bis 100 Meter langen Windradrotorblatts ist aus Balsaholz. 2020 gab's in Deutschland schon 31 109 Windräder, und 65 000 bräuchten wir noch, was über mehrere Millionen Kubikmeter Tropenholz hieße. Wie soll "grüner Strom" den Verlust des klimaregulierenden Regenwalds ausgleichen, abgesehen vom Artensterben dort und hier? Schon jetzt würden 8500 Mäusebussarde jährlich norddeutschen Windrädern zum Opfer fallen.

Billigfleisch aus Massentierhaltungen, Rinderherden, die Soja- und Palmölproduktion, das bevorstehende EU-Mercosur-Freihandelsabkommen dezimieren Regenwälder zusätzlich und vergrößern Treibhausgasemissionen. Hierzulande versiegeln wir starkregenfördernd täglich eine Fläche von 75 Fußballfeldern. Der vom Menschen erzeugte fossile CO₂-Anteil der Luft steigt, und selbst bei einem sofortigen Stopp bliebe er jahrtausendelang in der Atmosphäre.

Mit einem Tempolimit auf 130 Stundenkilometer würden wir pro Jahr zwei Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Doch das schaffen wir nicht. Wie kann sinnvolle und konsequente Umweltpolitik stattfinden mit Politikern firmenfinanzierter Parteien? Letztjährig gab's in Deutschland apokalyptische Überschwemmungen, in Tschechien einen tödlichen Tornado sowie im Süden Europas verheerende Brände. Ist das der Auftakt für sich verschlimmernde Klimaszenarien?

Rainer Wild, Wunsiedel,

Thema: Stromverbrauch

Da jetzt die Windräder wirklich überall ankommen werden, sollte man über die zweite Seite der Strommedaille reden: über den Verbrauch. Über die stromfressenden Geräte in den vollelektrisierten Häusern und Werkstätten, über Stand-by und dauerbetriebene Handys, über Gartengeräte, Außenbeleuchtungen, Außenbodenheizungen und über Stromtarife für gewerbliche Großverbraucher, bei denen Mehrverbrauch mit besonders günstigen Tarifen angeheizt wird, sowie Einwegverpackungen, die erst mal produziert werden müssen, et cetera. Auch auf dem Gebiet des Stromsparens sind viele Merkeljahre aufzuarbeiten. Packen wir's an?

Edeltraud Gebert, Gröbenzell

Freier Horizont für das Denken

Die Transformation einer Landschaft in eine Industriebrache durch Windräder, Stromtrassen, Transformatoren- und Solaranlagen ist mehr als nur ein ästhetischer Prozess. Das Antlitz der Natur wird zerstört. Der Mensch benötigt für die Selbstfindung den sternenbesetzten Himmel sowie den unverschmutzten Horizont. Der Entzug der Sehweite hat gravierende Folgen für den Selbstbezug, das Menschsein und das Denken. Der allgegenwärtige viereckige Freund (Handy) ersetzt die Natur, die Gegenwart und den freien weitschweifenden Blick. Die Maßstäbe gehen verloren, was man schon am täglichen Fernsehprogramm erkennen mag.

Die brutale Zerstörung der Landschaft ist mit nichts zu entschuldigen. Das Schreddern der Vögel und Insekten durch die Windräder sowie die Folgen für das Mikroklima müssten Anstoß zum Überdenken der Verspargelung geben. Wir tanzen auf einem Vulkan, genügend Erdwärme für alle ist vorhanden. Es gibt keinen Grund, die dünne Erdkruste so zu verunstalten. Bei der Diskussion um erneuerbare Energie, die offenbar primär zerstörend ist und weitgehend durch staatliche Subventionen und Vorteilsnahmen überlebt, fragt man sich, wo denn die Gewichtung für das menschliche Leben bleibt, das sich im Einklang mit der Natur befinden muss.

Der Mensch ist ein geborener Umweltsünder. Die ständig zunehmenden, extremen Naturzerstörungen haben überall zu beobachtende Rebound-Phänomene ausgelöst. Der dramatische Verlust der Diversität des Lebens kann in keiner Weise durch die Genderdiversität kompensiert werden.

Prof. Dr. Dr. Felix-Rüdiger G. Giebler, Friedrichstadt

Emotionalisierende Bilder

Die objektiven und durch Daten belegten Auswirkungen der Windkraft auf einzelne Tierarten sind im Vergleich zu den vielfältigen anderen zivilisatorischen Gefahren sehr gering, die Vorteile dagegen eindeutig belegt. Seltsamerweise findet bei den Genehmigungsverfahren keine Abwägung statt.

Wenn Nachteile, zum Beispiel für den Artenschutz, angenommen werden, dann reicht dies oft zur Ablehnung. Die Behauptung, wonach von Windkraftanlagen eine nennenswerte Gefahr für die Population einzelner Tierarten ausginge, konnte noch nirgendwo wissenschaftlich belegt werden. Nichtsdestotrotz wird sie von Windkraftgegnern und leider auch von Vogel- und Naturschützern, die es eigentlich anhand ihrer Daten besser wissen müssten, immer wieder bemüht. Und wie beim Thema Landschaftsbild verstummt hier die Kritik. Leider haben diese Szenarien wegen ihrer emotionalisierenden Bilder eine aufrührerische und zersetzende Wirkung, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Politik, Genehmigungsbehörden und sogar in der Justiz. Diese, sich als scheinbares Allgemeinwissen ausbreitenden Erzählungen sind ein wesentlicher Grund für die erheblichen Widerstände gegen die Windkraft. Dagegen anzukommen, ist zwar schwierig, aber notwendig, und es ist nicht unmöglich.

Hans-Werner Greß, Taunusstein

Strom für Dunkelflauten ist nötig

Wir brauchen nicht mehr Windräder und Photovoltaik, sondern Stromquellen für die meteorologisch gar nicht seltenen "Dunkelflauten" speziell in den dunklen, kalten Wintermonaten. Es hat schon einmal eine deutsche Regierung einseitig auf eine Stromquelle gesetzt: die DDR-Regierung. Silvester 1978 / Anfang 1979 musste sie lernen, dass Förderung und Transport von Braunkohle wetterabhängig sind. So waren die meisten Haushalte viele Tage ohne Strom. Die einzigen verbliebenen Stromlieferanten waren die beiden Reaktorblöcke bei Greifswald - natürlich nicht annähernd ausreichend für auch nur die wichtigsten Stromkunden.

Mitte Januar 2021 legte ein Schneesturm die komplette Wind- und Photovoltaikenergie im Norden der Republik lahm: Die Windräder waren im Eis erstarrt, die Solarpanels unter einem Meter Schnee begraben, und das zu einer Jahreszeit, in der der Strombedarf am höchsten ist.

Die einzige Technik neben wetterunabhängigen Kernkraftwerken wäre ökologisch erzeugter Wasserstoff. Dies steht aber bei Herrn Habeck nicht im Vordergrund. Windräder, die zwei Prozent der Fläche unseres Landes versiegeln und für Zufahrten und den Sockel mehrere Millionen des kostbarsten CO₂-Absorbers Wald vernichten, aber schon. Das ist doch keine grüne Lösung! Wir verlassen uns lieber auf unsere Nachbarn, die Strom in Kernkraftwerken produzieren - in Anlagen, die weit unter dem Sicherheitsstandard unserer schon abgeschalteten Kernkraftwerke liegen.

Dipl.-Phys. Bernd Kunkel, Kirchheim

Zum Schutz der Kulturlandschaft

Es ist eindrucksvoll zu verfolgen, wie die Position immer stärker wird, die eine rasche Umerziehung breiter Bevölkerungsschichten fordert, die ihrer Ansicht nach im bürgerlichen Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet und damit rückständig sind. Diese Bevölkerungsschichten scheinen bei den berechtigten Bedenken zum Natur- und Artenschutz, einer geplanten Betonierung von 7100 Quadratkilometer Landschaftsfläche (drei Mal so groß wie das Saarland) und der brachialen Überformung bedeutender Kultur- und Naturlandschaften einfach zu romantisch zu sein und den visionären Geist der Zeit nicht verstanden zu haben.

Als Expertin in der Vermittlung des Kultur- und Naturerbes kenne ich die Verpflichtungen, welche die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz dieser hohen Güter unseres Landes mit seinen außergewöhnlichen Landschaftsräumen auch international eingegangen ist. Es ist daher keine Umerziehung von eher kindlichen "Naturfreunden, die gemalte Landschaften lieben", notwendig, sondern eine Diskussion und ein Umdenken für eine kluge, landschaftsverträgliche und intelligente Klimapolitik.

Prof. em. Dr. Jutta Ströter-Bender, Meisenheim

Finanzausgleich

Wie wäre es, wenn man die Stromversorgung durch Windräder durch Prinzipien einer Solidargemeinschaft organisierte wie in einer Krankenversicherung? Bei der Erzeugung von Strom gibt es bekanntlich geeignete und weniger günstige Standorte. Die Gemeinden um die bayerischen Seen erfreuen sich einer herrlichen Landschaft. Sie wollen verständlicherweise keine Windräder, aber grünen Strom. In anderen weniger reizvollen Gegenden entstehen ganze Wälder von Windrädern, deren Strom in andere Regionen exportiert wird. Finanzausgleich wäre da eine feine Sache. Die privilegierten Gemeinden in schöner Landschaft zahlen einen Solidaritätsausgleich an die windreichen Regionen in Nordbayern, Sachsen und anderswo. Die Folge: Privilegierte Gemeinden überlegen sich, ob sie nicht doch geeignete Orte für Windräder finden, und windreiche Gemeinden freuen sich über eine Senkung der Stromkosten, wenn sie noch mehr Windräder zulassen.

Prof. Dr. Hansgeorg Bankel, Lauf an der Pegnitz

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