„Mit Zweifeln in den Praxistest“ und „Nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen“, beide vom 15. Januar:
Lasst uns damit anfangen!
Die Autoren berichten über den Stand der digitalen Patientenakte (ePA) zum Start ab 15. Januar. Dabei werden Argumente von Gegnern der ePA episch ausgebreitet, möglicher Nutzen aber systematisch kleingeredet. Ja, es gab Probleme mit der Datensicherheit und ja, der Nutzen tritt erst voll ein, wenn alle mitmachen. Ist das ein Argument, gar nicht erst anzufangen? Oder erst anzufangen, wenn die letzte Ecke ausgeleuchtet ist, alle Eventualitäten erkannt und berücksichtigt sind und der letzte Kritiker schweigt? Dass es holpern mag, okay, aber dafür ist doch ein Pilotversuch da.
Probleme im Praxisbetrieb erkennen, hinsichtlich Schwere bewerten, top down lösen und dann die Lösung in der Breite ausrollen. Wir Deutschen haben das Problem, dass wir immer mit der 100-prozentigen Lösung antreten wollen. Ich habe jahrelang mit Italienern zusammengearbeitet, und da war die Devise „lasst uns anfangen, denn sehen wir weiter“. Dass Ärzte kreative Diagnosen stellen, um zu einer angemessenen Vergütung zu gelangen, kann ich als Argument kontra nicht stehen lassen. Da möge dieser Berufsstand mal mit seinem Ethos ins Reine kommen. Ein Handwerker kann auch keine Arbeiten auf seiner Rechnung ausweisen, die er nicht erbracht hat.
Alle, die sich zu einer Aussage berufen fühlen, wissen, wie es nicht geht. Wenn man aber danach fragt, wie es denn geht, bleibt man im Ungefähren! Warum räumt man nicht den Befürwortern der ePA den Raum in der Berichterstattung ein, den auch die Gegner bekommen? Und warum betreiben die Autoren nicht auch eine Güterabwägung und sprechen eine klare Empfehlung aus, gerne als persönliche Meinung der/s Autors/in gekennzeichnet? Ich weiß, dazu gibt es die Meinungsseite, aber da fehlt dann der unmittelbare Zusammenhang zum Artikel. Die Leser werden mit den negativen Argumenten allein gelassen, und wenn ich unsicher bin, sage ich im Zweifelsfall „nein, will ich nicht“. Was ist denn die Alternative zur ePA? Weiter Faxe durch die Arztpraxen zu schicken und gleichzeitig zu jammern, dass Deutschland so bürokratisch und wenig digital ist?
Dietmar Nowak, Oberpframmern
Nicht die Schuld der ePA
Die ePA ist ein seit Langem diskutiertes Thema. Ich habe sie seit 2022 und bin mit den bisher eingespielten Daten der Krankenkasse sehr zufrieden, ebenso mit den Hinweisen, Tipps und Erinnerungen. Dass die ePA bereits unter Herrn Spahn (CDU) eingeführt und flächendeckend ohne Test 2021 ausgerollt werden sollte, haben wohl viele vergessen. Herr Lauterbach (SPD) hat zumindest den technischen Stand verbessert und führt zusätzlich einen Test durch, um auftretende Fehler noch zu erkennen und zu beseitigen. Dass die Praxen und Krankenhäuser nicht vorbereitet sind, kann man kaum der ePA vorwerfen, sie haben einfach ihren Job der Vorbereitung nicht gemacht. Bekannt ist sie schon lange.
Die ePA fordert eine hohe technische und gesundheitliche Kompetenz von Patienten/-innen, aber das gilt für alle digitalen/technischen Anwendungen auch. Wenn man will, kann man es, wenn nicht, nicht. Dass medizinische Daten abgerechnet werden, die so nicht geleistet wurden, als Tricks für andere Themen, zeigt doch wohl, dass mit dem Abrechnungssystem etwas nicht stimmt. Das ist kein Problem der ePA. Es wird jetzt nur transparent. Was man kennt, kann man ändern. Bisher hat man seine Gesundheit an Ärzte ausgelagert, und nun ist man selber verantwortlich, kann und will man das?
Es geht auch ums Geschäft! Viele Doppeluntersuchungen sind den angeschafften medizinischen Geräten geschuldet, die müssen abbezahlt werden, durch Untersuchungen, sonst rechnen sie sich nicht. Ob man die Untersuchung immer braucht? Viele Praxen und Krankenhäuser brauchen sie wohl auf jeden Fall.
Meines Erachtens hat der Chaos Computer Club (CCC) Zugangsdaten zur ePA gegen Geldzahlungen erlangt und geht über Heilberuf- und Praxisausweise, für deren Sicherheit die Praxen/Ärzte zuständig sind. Datensicherheit scheint bei vielen medizinischen Dienstleistern ein Fremdwort zu sein. Das der ePA anzulasten, ist wohl der falsche Ansatz. Die strukturierte Ordnung in einem Praxiscomputer ist sicherlich besser als in der ePA heute.
Allerdings werden die zukünftigen Daten wohl alle codiert und leichter greifbar. Die PDFs sind dann ein auslaufendes Thema, das dann nur auf alte Daten zutrifft. Die ePA hat sicherlich Verbesserungspotenzial, das es zu heben gilt. Ein perfektes digitales System gibt es nirgends, wie wir aus vielen Anwendungen sehen, aber man muss auch mal anfangen, um besser zu werden. Das ganze findet auch im Rahmen der EU EHDS (European Health Data Space / Europäischer Raum für Gesundheitsdaten) statt, und wir Deutschen gehören mal wieder zu den letzten in Europa. Geben wir der ePA also eine Chance, auch wenn sie jetzt noch nicht perfekt ist. Wann sonst?
Günter Wolf, München
Zeitraubend
Die elektronische Patientenakte sei nicht besser sortiert, als ein Zettelhaufen, sagt die Fachärztin Karen von Mücke. Sie fürchtet zudem, sie werde eher umständlich und deshalb zeitraubend sein. Für das Gespräch zwischen Arzt und Patient, das schon heute oft erst nach langen Studien im Computer möglich ist, wird also noch weniger Zeit zur Verfügung stehen. Das einzige Mittel, diese Entwicklung aufzuhalten, ist, der ePA zu widersprechen.
Gabriele von Moers, München
Verbessert die Systeme
Ich gehöre der Generation an, die die Digitalisierung in Betrieben von Anbeginn beruflich begleitet hat. Genau die Erfahrungen, die Ihr Autor schildert, traten fast deckungsgleich auf. Bedenkenträger verwandten unermesslichen Aufwand dafür, um zu erklären, weshalb die Einführung neuer digitaler Systeme nicht dem bisher üblichen Standard entsprachen und erst dann funktionieren würden, wenn bisher individuell geführte Systeme deckungsgleich in das neue standardisierte System übernommen sein würden.
Weshalb verwenden die Leute die Zeit nicht dafür, neue standardisierte Systeme zu verbessern. Natürlich wird die Anlaufphase eine Herausforderung für alle. Man kann schon jetzt absehen, dass kontinuierlich Verbesserungen eintreten. Wenn dem nicht so wäre, würden die großen Konzerne und mittelständischen, innovativen Unternehmen, die effizient digitalisiert sind, schon lange wieder ihre individuellen Systeme weiter nutzen.
Deshalb hat der Bundesgesundheitsminister recht, wenn er von den zukünftigen Verbesserungen im Gesundheitswesen spricht. Und je mehr Anwender und Nutzer er davon überzeugen kann, desto schneller und besser wird das Arbeiten mit der ePA.
Jörg Hennig, Köln
Daten auf der Versichertenkarte
Erstaunlich, dass bei aller Werbung für die elektronische Patientenakte nie erwähnt wird, dass man Notfalldaten und Medikamentenpläne auf die Versichertenkarte laden kann (Hausarzt). So sind die relevanten Daten dezentral gespeichert und auch ohne ePA schnell abrufbar.
Gisela Kranz, Oberschleißheim
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