Englischer Garten:Mehr Empathie für die Jugend

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Gewalt-Exzesse gegen die Polizei gehen gar nicht. Ein Münchner Leser fordert dennoch, dass sich die Behörden mehr Gedanken um eine derzeit stark beschränkte Jugend machen sollte.

"Hier spricht die Polizei" vom 21. Mai und die Gewalt-Exzesse im Englischen Garten in München:

Polizeidirektor Stephan Funk "grübelt noch lange danach", was zu dem Gewaltausbruch auf der sogenannten Monowiese im Englischen Garten geführt hat. "Haben wir einen Fehler gemacht?", so fragt er sich. Den Einsatz an diesem Abend vermag ich nicht zu beurteilen - bei der Ursachenforschung sollten Polizei und Politik in ihrem Nachdenken aber einmal grundsätzlicher werden.

Seit einem Jahr sind Fußballvereine und Fitnesscenter fast durchgehend geschlossen, Clubs und Kneipen verriegelt, Präsenzunterricht findet nur rudimentär statt. Der Jugend wird die Möglichkeit zu Bewegung, Begegnung und Zusammensein in der Peer-Group so gut wie unmöglich gemacht. Trifft man sich mit ein paar Freunden im Park, ist das eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldstrafen geahndet wird, deren Höhe im Straßenverkehr nur bei gröbsten Verstößen zu erreichen ist. Jugendliche, die guten Willens sind, sich nicht heimlich in Innenräumen zu treffen, werden kriminalisiert, wenn sie abends auf Grünflächen wie beispielsweise dem Grünwaldpark in Neuhausen zusammenstehen, wo tagsüber eine noch viel größere Anzahl an Familien und Kindern berechtigterweise die Frischluft sucht.

Der Druck, der sich aufstaut, gerade, wenn Wohnverhältnisse beengt und familiäre Situationen schwierig sind, ist enorm. Dass dann bei Jugendlichen, die eigentlich keinem gewaltbereiten Klientel zuzurechnen sind, plötzlich Aggressionen aufbrechen, verwundert mich nicht. Es geht nicht darum, Flaschenwürfe zu entschuldigen, aber sie in ihrer Entstehung zu begreifen. In das Grübeln sollte sich Empathie mischen.

Die Polizei lässt oft genug bei ihren Einsätzen Fingerspitzengefühl vermissen. Das sind keine Allgemeinplätze, sondern Erfahrungen eines Vaters jugendlicher Söhne in diesem Jahr der Pandemie. Die Beamten werden nicht als Freund und Helfer, sondern als Jäger und Greifer erlebt. Und die Politik sollte schleunigst umsteuern, wenn wir in unseren Städten nicht Verhältnisse wie in Paris oder Brüssel sehen wollen und das Vertrauen und der Respekt junger Menschen gegenüber Legislative und Exekutive nicht nachhaltig beschädigt werden soll.

Maßnahmen zum verantwortungsvollen Schutz der Gesundheit müssen ins rechte Verhältnis gesetzt werden. Wenn wir die Perspektive der Jugend aus dem Blick verlieren und deren psychische Gesundheit stets hintanstellen, wird das Grübeln in den nächsten Wochen wohl noch öfter zu spät kommen.

Andreas Beer, München

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